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Bürgerliche Sehnsucht
Kultur 2 2 Min. 25.03.2016 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif - die CD-Kritik

Bürgerliche Sehnsucht

AnnenMayKantereit: Der Name klingt nach Anwaltskanzlei, doch dahinter versteckt sich eine neue Popsensation.
Wiessel mol d'Scheif - die CD-Kritik

Bürgerliche Sehnsucht

AnnenMayKantereit: Der Name klingt nach Anwaltskanzlei, doch dahinter versteckt sich eine neue Popsensation.
Foto: Universal Music
Kultur 2 2 Min. 25.03.2016 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif - die CD-Kritik

Bürgerliche Sehnsucht

Daniel CONRAD
Daniel CONRAD
„Zuhauuuuuse ...“ Das Raunen dieser Stimme kennt man aus dem Radio. Wer AnnenMayKantereit zum ersten Mal hört, wird sich eine deutsche gealterte Punkband vorstellen. Doch AnnenMayKantereit sind alles andere als revolutionär.

Von Pol Schock

„Zuhauuuuuse ...“ Das Raunen dieser Stimme kennt man aus dem Radio. Wer AnnenMayKantereit zum ersten Mal hört, wird sich eine deutsche Punkband vorstellen, die in ihren alten Tagen zu sanften Tönen neigt: Akustische Gitarren, warmes Klavier und dazu eine Stimme, die nach Whiskey und Gauloises klingt – ja, wie Rio Reiser in seinen späten Jahren.

Doch hinter AnnenMayKantereit verstecken sich keine alten Punker, sondern vier blasse Jungs Anfang 20, die kuschlig weite Pullis tragen: Christopher Annen, 25, Henning May, 23, Severin Kantereit, 24 und Malte Huck, 22 – sie gelten als das größte deutsche Popversprechen des Jahres.

Dabei würde man es kaum glauben, dass „Alles Nix Konkretes“, offiziell das erste Album der Band aus Köln ist. Denn selten war eine Musikgruppe bereits vor ihrem Debütwerk so in aller Munde: Auftritte in deutschen Fernsehshows, Besprechungen in nahezu allen Feuilletons und Millionen Klicks auf YouTube.

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Bisher hat die Band offenbar alles richtig gemacht. 2011 nach dem Abitur haben die Freunde als Straßenmusiker in der Kölner Fußgängerzone begonnen. Ihre Musik war nicht revolutionär, doch wirkte authentisch, simpel und konkret.

Schnell hat sich das Geheimnis dieses handgemachten Folkpops mit der beeindruckenden Bassstimme von Christopher Annen über Köln hinaus herumgesprochen – auch bei Musikproduzenten. Jack White und andere große Major-Labels sollen der Band Plattenverträge angeboten haben. Doch AnnenMayKantereit versuchten, sich treu zu bleiben und spielten weiterhin Konzerte in Eigenregie.

Doch sie haben es auch früh verstanden, dass man neben der Musik eine Geschichte erzählen muss. Auf den sozialen Kanälen YouTube und Instagram hielt die Band ihre eigene Historie in Bildern und Worten von Beginn an fest. So konnten ihre Fans immer scheinbar nah am Geschehen sein.

„Hauptsache nicht Mitte 30“

Dabei sind AnnenMayKantereit auch textlich alles andere als revolutionär. Im Gegenteil: In den meisten Liedern von „Alles Nix Konkretes“ dringt ein Hauch von bürgerlicher Spießigkeit durch. So heißt es in „3. Stock“ ganz bescheiden: „Ich würd gern mit dir in 'ner Altbauwohnung wohn'. Zwei Zimmer, Küche, Bad und 'n kleiner Balkon. Ich würde auch manchmal morgens Brötchen holen.“

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Die Band fängt damit das Lebensgefühl von vielen Mitzwanzigern ein. Der sogenannten Generation Y stehen zwar perspektivisch alle Türen offen, doch viele hadern mit der Last der Freiheit. Und weigern sich, erwachsen zu werden: „Hauptsache nicht Mitte 30“. Oder sie sehnen sich in einer flexiblen, globalisierten Welt nach bürgerlicher Vertrautheit: ein Haus, ein Partner und Brötchen. Das Motto „Verschwende deine Jugend“ war gestern.

Nach der Anfangseuphorie springen deshalb in den Feuilletons bereits die Ersten ab: Die Musik sei zu konservativ und zu Mainstream. Doch AnnenMayKantereit lassen sich davon nicht beirren und gehen ganz offen mit diesem Image um: Ihre Musik solle vor allem nett sein, Livemusik wie auf einer WG-Party.

www.annenmaykantereit.com


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