Berlinale: Schatten auf der Eröffnung
Berlinale: Schatten auf der Eröffnung
(dpa/dco) - Die Internationalen Filmfestspiele werden diesmal ganz besonders neugierig betrachtet: Was ändert sich mit den neuen Festivalleitern in Berlin? Und wie gut sind die Filme? Für den diesjährigen Jurypräsidenten Jeremy Irons ist klar: „Was zählt, ist die Story und die Arbeit der Schauspieler.“ Zum Auftakt der 70. Berlinale gibt es einige nachdenkliche Momente.
Die Eröffnungsgala am Abend wird ernst und politisch. Nach der mutmaßlich rassistisch motivierten Gewalttat von Hanau gedenken die Gäste mit einer Schweigeminute der Opfer. Die Berlinale stehe für Toleranz, Respekt, Offenheit, Gastfreundschaft und wende sich „wirklich gegen Gewalt, gegen Rassismus“, sagt die neue Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters rief dazu auf, die Berlinale auch als vielstimmige Demonstration gegen Ausgrenzung und gegen Rassismus zu begreifen. „Nie wieder sollten Menschen wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe in Deutschland um ihr Leben fürchten müssen“, sagte die deutsche Staatsministerin und fügte hinzu: „Die Wirklichkeit sieht anders aus.“
Grütters begründete dies damit, dass nicht zuletzt „neue politische Kräfte nationalsozialistische Verbrechen relativieren und mit Hetzparolen Ressentiments schüren“. Niemals dürfe es eine „wie auch immer geartete politische Zusammenarbeit mit diesen rassistischen und völkischen Kräften geben. Nirgendwo“. Dafür bekam Grütters lang anhaltenden Beifall, die Gäste erhoben sich von ihren Plätzen.
Die Niederländerin Rissenbeek und der Italiener Carlo Chatrian leiten in diesem Jahr erstmals die Berlinale. Gleich bei ihrem ersten Festival standen sie vor etlichen Baustellen. Der Potsdamer Platz ist für manche in diesem Jahr ein wenig zum Unort geworden. Ein großes Kino hat geschlossen, ein Einkaufszentrum wird saniert. „Der Glanz kommt nur vom Regen“, schrieb die Zeitung „taz“ bereits.
Debatten gab es auch über frühere Aussagen von Jurychef Irons, unter anderem zum Umgang mit Frauen. Der britische Oscar-Preisträger nutzt deswegen seinen ersten Auftritt auf der Berlinale für ein Statement.
Mit seiner Erklärung wolle er frühere Äußerungen klarstellen und hoffe, dass sie nicht vom weiteren Festivalgeschehen ablenkten, sagt der 71-Jährige. Er unterstütze die weltweite Bewegung für die Rechte von Frauen, die gleichgeschlechtliche Ehe und das Recht zu Schwangerschaftsabbrüchen, sollten sich Frauen dafür entscheiden.
Der Eröffnungsfilm in Kürze
US-Star Sigourney Weaver wirkt entspannt, als sie ihren neuen Film „My Salinger Year“ vorstellt. Darin geht es um den Literaturbetrieb im New York der 1990er Jahre.
Die Hauptrolle der jungen Joanna, die Schriftstellerin werden möchte, spielt Margaret Qualley. Sie fängt als Assistentin einer Literaturagentin an - gespielt von Sigourney Weaver. Joannas Aufgabe wird es, die Fanpost des Schriftstellers J. D. Salinger zu beantworten. Vorlage ist ein Buch von Joanna Rakoff, die darin auch ihre eigene Geschichte erzählt. Die Berlinale kündigte eine „Coming-of-Age-Geschichte“ an.
Der Film zeigt den Weg des Erwachsenwerdens - und nimmt einen mit in eine vergangene Zeit. Getippt wird noch auf Schreibmaschine, Computer sind was Neues und ständig wird geraucht. Viele Frauen werden die Probleme kennen, mit denen sich Joanna rumschlägt: Nicht so netter Freund, ramponierte Bude, ungewisse Zukunft.
Der Film von Regisseur Philippe Falardeau ist einfühlsam erzählt. Weaver spielt die Literaturagentin unterhaltsam kühl und Qualley schaut man auf der Leinwand gerne zu. Wirklich überraschend ist allerdings nichts.
Die Gästeliste des Festivals klingt in diesem Jahr ein wenig wie einmal durchs Fernsehprogramm gezappt. Angekündigt sind Johnny Depp, Helen Mirren, Cate Blanchett, Salma Hayek, Javier Bardem. Achso, US-Politikerin Hillary Clinton kommt auch noch. Über sie wurde eine Dokuserie gedreht. Fans warten schon ungeduldig rund um die Pressekonferenzen im Grand Hyatt Hotel, um bei den Einfahrten der Stars in das Parkhaus des Hotels Autogramme zu ergattern.
Große Unterschiede im Wettbewerb
Der Italiener Chatrian war vorher Leiter des Filmfestivals in Locarno. Vom sonnigen Lago Maggiore hat es ihn nun ins winterkalte Berlin verschlagen. Fragt man manche Filmemacher, dann bekommt man den Eindruck, dass sie durchaus Hoffnung in das neue Führungsduo haben. Chatrian, das hat er schnell klargemacht, geht es um den guten Film. Als er Ende Januar das Programm vorstellte, wurde er nach einem Motto gefragt. Da fragte er zurück: Ob man wirklich ein Motto brauche? Chatrian will gute Filme aussuchen - und nicht Filme, die einfach thematisch gut zusammenpassen.
Die Wettbewerbsfilme klingen jedenfalls ziemlich verschieden. Das zeigt schon das Programm für diesen Freitag. Der Thriller „The Intruder“ („El prófugo“) von der argentinischen Regisseurin Natalia Meta und das Künstlerdrama „Hidden Away“ („Volevo nascondermi“) vom italienischen Filmemacher Giorgio Diritti gehen ins Rennen. Wie die Bewährungsprobe für die neue Festivalspitze ausfällt? Weiß man in zehn Tagen.
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