Beethoven und die Französische Revolution
Beethoven und die Französische Revolution
Von Johannes Schmidt
Einspielungen von Beethovens dritter Sinfonie, der berühmten Eroica, gibt es gefühlt unzählige. Die Diskografie im Internet gibt zwischen den Jahren 1985 und 2015 mehr als hundert an. Da fragt sich mancher zu Recht, wie viele davon eine echte Alternative zu der inzwischen „eingebürgerten“ Standardinterpretation dieses Meilensteins der sinfonischen Musik bieten.
Die Solistes Européens Luxembourg präsentieren unter ihrem Chefdirigenten Christoph König durch die Koppelung der Eroica mit Etienne-Nicolas Méhuls erster Sinfonie ein Alleinstellungsmerkmal anderer Art, das Beethovens Sinfonie neu beleuchten kann.
Widmung für Napoleon
Méhul hat nämlich mit dem „Chant de départ“ und dem „Chant national du 14 juillet 1800“ wichtige Beiträge zu den revolutionären Bewegungen im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts geleistet und einen starken Einfluss auf Ludwig van Beethoven ausgeübt. Dieser wurde ein glühender Verfechter der in der Französischen Revolution propagierten Ideen und wollte seine dritte Sinfonie Napoleon widmen, solange er ihn als Vollender dieser Ideen bewunderte.
Auch Méhuls erste Sinfonie, entstanden 1808 im gleichen Jahr wie Beethovens Fünfte, verbreitet besonders in den schnellen Ecksätzen revolutionären Impetus durch vorherrschendes Moll und ein stürmisches Agitato. Das Finale erinnert sogar mit dem markanten Auftakt aus drei wiederholten Tönen an das Kernmotiv der Fünften. Das Menuett gebärdet sich durch die Instrumentation und Klanggebung eher wie ein Beethoven'sches Scherzo. Dass es sich bei der Einspielung dieser Sinfonie um eine Liveaufnahme handelt, kommt dem revolutionären Pathos des Werkes durchaus zugute.
Ungenügende Bedingungen
Die Gegenüberstellung der beiden Sinfonien macht schließlich auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Formung hörbar: Méhuls Sinfonie hat mit knapp 25 Minuten Dauer das Ausmaß einer Haydnsinfonie und ist Haydn verpflichtet in der Technik der Verarbeitung des thematischen Materials. Beethovens schon 1803 entstandene Eroica ist fast doppelt so lang und begründet formal und inhaltlich eine neue Dimension der Gattung. Sie wird Nachfolger bis ins 20. Jahrhundert hinein haben.
Und Gustav Mahlers Anspruch, dass Sinfonie heiße, „mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen“, ist mit diesem Werk vielleicht zum ersten Mal verwirklicht worden.
Die Bedingungen der Liveaufnahme eines Konzerts in der Luxemburger Philharmonie begünstigen auch bei Beethoven durchaus den Gesamteindruck, was die Lebendigkeit der Interpretation betrifft.
Emotionale Bandbreite
Das gilt vor allem für den zweiten Satz, den Trauermarsch. Seiner enormen emotionalen Bandbreite zwischen tiefer Trauer und Apotheose wird das Orchester mit einer entsprechend großen dynamischen Spanne gerecht, die – besonders eindrucksvoll in der Coda – ein echtes Pianissimo und Sotto voce ermöglicht. Im Mittelteil des Scherzos hat man die Hörner – hier thematisch tonangebend – selten so klangschön und frisch gehört.
Den Bedingungen der Aufnahme ist aber wohl auch geschuldet, dass manches wichtige Detail verloren geht. Zum Beispiel die pochende Achtelbegleitung in den zweiten Violinen und Bratschen zum Themenkopf der Violoncelli am Beginn des Werkes. Und der Klang der in dieser Sinfonie besonders wichtigen Pauken ist leider etwas dumpf und verhallt, was auch bei Méhul auffällt.
Insgesamt aber verdient die im englischen Label Rubicon herausgekommene CD allein schon durch die Gegenüberstellung von Beethoven mit Méhul Beachtung in der Fülle der Eroicaeinspielungen.
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