„Auf dem Weg zur Schönheit“
„Auf dem Weg zur Schönheit“
Interview: Thierry Hick
Im Februar 2013 trat er mit seinem „Royal Concertgebouw Orchestra“ Amsterdam in der Philharmonie auf. Am Donnerstag war er mit seiner „anderen“ Familie, dem Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks, erwartet. Im Vorfeld des Konzerts sprach der lettische Dirigent Mariss Jansons im „Luxemburger Wort“-Interview über seinen Beruf, seine beiden Musikerfamilien, seine Konzertprogramme und seinen ehemaligen Assistenten Gustavo Gimeno.
Sie kommen mit Ihrem Chor und Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks nach Luxemburg. Was verbindet Sie mit diesen beiden Gruppen, die Sie seit 2003 leiten?
Wir haben viel erreicht und haben die Möglichkeit, viel kreative Arbeit zu leisten. Wir haben die Anerkennung vom Publikum gewonnen, sowohl in München als auch im Ausland, wo wir regelmäßig eingeladen werden.
Sie leiten beim Bayrischen Rundfunk sowohl den Chor als auch das Orchester. Eine doch ungewöhnliche Situation?
Ja, ich bin Chefdirigent der beiden Formationen. Dies ist nicht überall so. Diese Situation erlaubt uns, zahlreiche Werke zu spielen, und wir brauchen als Orchester keinen Gastchor einzuladen. Wir können bequem im engen und künstlerischen Kontakt arbeiten.
Wie wählen Sie die Programme Ihrer Konzerte aus?
Es gibt immer Werke, die ich erneut aufführen will, oder andere, die ich entdecken will. Man muss sich auch fragen, was gut und wichtig für einen selbst oder für das Orchester, mit dem man zusammenarbeitet, ist. Der Auswahl der Werke gehen oft eine Analyse und eine Diskussion voraus.
Verschiedene Werke, wie zum Beispiel Sinfonien aus der Romantik – gehören seit Jahren zu Ihrem Alltag. Wie bereiten Sie sich vor, wenn Sie solche Partituren wieder neu aufnehmen?
Ich beginne mit einer neuen Einstudierung der Partitur. Dabei frage ich mich, welche neuen Ideen meine Arbeit beeinflussen könnten. Mit der Zeit ändert sich die Lektüre eines Werkes durch neue Erfahrungen oder neue Impulse, wie zum Beispiel ein aufregendes Erlebnis, ein Besuch im Theater, im Museum, im Kino oder im Konzert. Die Interpretation einer Partitur ist das Resultat zahlreicher Inspirationsquellen.
Beim Dirigieren strahlen Sie Freude und Glücklichsein aus. Macht der Beruf so viel Spaß?
Hätte ich meinen Beruf nicht so geliebt, wäre dies schrecklich und katastrophal gewesen. Ich hoffe, dass jeder Mensch auf der Welt seiner Arbeit mit derselben Freude wie ich nachgehen kann.
Vom „Tu es Petrus“ von Palestrina im Vatikan bis zu den „Proms“ im „Royal Albert Hall“ in London über das Neujahrskonzert in Wien: Wie schaffen Sie den Spagat zwischen diesen Welten?
Dirigieren ist und bleibt mein Beruf. Egal, in welcher Stadt ich eingeladen bin, egal, auf welcher Bühne ich stehe, egal, welches Konzert ich vorbereite, ich mache keine Unterschiede. So ist es nicht verwunderlich, dass ich ganz verschiedene Programme leite.
Sie leiten zwei Orchester in München und in Amsterdam? Brauchen Sie diese Herausforderungen? Gibt es fundamentale Unterschiede zwischen beiden?
Es ist etwas Besonderes, gleich von zwei Orchestern eingeladen zu sein. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen beiden, wie bei Menschen, die sich sehr ähnlich sind und doch ganz verschieden sein können. Ein Orchester ist ein Organismus von etwa 100 Menschen und hat seine Persönlichkeit, seine Identität, sein Temperament und seine musikalische Intelligenz. Dies macht meine Arbeit so wertvoll.
In Amsterdam wurden Sie von Gustavo Gimeno, dem zukünftigen Leiter des „Orchestre philharmo- nique du Luxembourg“ assistiert. Welche Erinnerungen haben Sie von dieser Zusammenarbeit?
Gustavo Gimeno ist ein sehr begabter und seriöser Mensch. Er wird dem OPL viel geben können, davon bin ich überzeugt. Die neue Stelle in Luxemburg ist für ihn absolut notwendig. Als Dirigent ist er reif genug für diese neue Herausforderung. Er ist jedoch noch jung und muss noch viel beobachten und lernen, um sich weiter zu entwickeln.
Sie wurden im heutigen Lettland, also in der ehemaligen Sowjetunion, geboren und haben den politischen Wandel Ihrer Heimat miterlebt. Und doch nehmen Sie, im Gegensatz zu anderen Musikern, sehr selten Stellung zu politischen Fragen...
Nein, um Gottes willen! Ich will nicht über Politik reden. Ich bin Musiker und habe als Aufgabe, dem Publikum Freude durch Musik zu bereiten. Mein Ziel ist es, auch die Menschen über den Weg der Schönheit und der Emotionalität glücklicher zu machen. Mit meiner Musik bringe ich etwas Spirituelles, also eine Art schöne Politik. Musik kann heilen und die Menschen weiterbringen: Deshalb sehe in der Welt, in der wir heute leben, mein Tun als eine Notwendigkeit. Dafür brauche ich nicht über Politik zu reden.
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