"Are you serious" von Andrew Bird - Der ewige Paradiesvogel
"Are you serious" von Andrew Bird - Der ewige Paradiesvogel
Von Diego Velazquez und Pol Schock
Es ist schon verwunderlich, dass Andrew Bird kein gefeierter Popstar ist. Selbst in der Welt des Independent Rock ist er nur Kennern ein Begriff. Als Gitarrist-Liedermacher-Violonist, der dazu noch leidenschaftlich gut zwitschern kann und in der Not auch zum Xylophon greift, müsste er doch eigentlich auffallen. Zudem sieht Andrew Bird auch noch verdammt gut aus: Irgendwo zwischen rebellischem Folkhelden à la Townes Van Zandt und Schwiegersohn, den sich alle Mütter wünschen.
Doch trotz seiner vielen Talente bleibt Andrew Bird unauffällig. Ihm fehlt wohl der Hang zur Selbstdarstellung. Und auch sonst greift er nicht auf bewährte Popmethoden zurück. Er habe es leider versäumt „Liebeslieder mit gewöhnlichen Refrains“ zu schreiben, spöttelt er selbstironisch in einem Stück seines neuen Albums „Are you serious“. Refrains bleiben bei ihm gerne ungesungen. Denn wozu braucht man eigentlich Gesang, wenn man auch so wunderschön pfeifen kann? Oder eben eine Melodie einfach nur streichen kann?
Das ist bei „Are you serious“, dem bereits dreizehnten! Album Birds, nicht anders. Doch im Gegensatz zu seinem Vorgängerwerk „Break it yourself“ entdeckt der US-Songschreiber seine Liebe zu Rockarrangements wieder: Schlagzeug, Bass und E-Gitarre sind zentraler. Der introvertierte Folk auf Westerngitarre bleibt auch bei „Are you serious“ ein fester Bestandteil - nur klingt alles dynamischer - ja, gar tanzbarer.
„Capsized“ gibt die Stimmung an - ein offener Flirt mit afro-amerikanischem Soul und dem Bluesrock der Black Keys. „Roma Fade“ ist ein treibend-theatralisches Barock-Pop Stück. Und wer bei „Truth lies low“ die Augen schließt, kann sich funkige E-Gitarre mit Wah-Wah-Effekt mühelos vorstellen. Es klingt sexy. Beat, Gitarre und Violine kokettieren zum Schluss minutenlang miteinander. Bird scheint bei „Are you serious“ richtig Spaß zu haben.
Verspielt, experimentierfreudig und leicht: Der Weltschmerz des vergangen Albums „Break it yourself“ ist passé - auch wenn es gelegentliche Melancholieausbrüche gibt. Und in „Puma“ übertreibt Bird es dann doch: Sein Versuch radiotauglich zu klingen, misslingt kläglich. Allerdings handelt es sich nur um einen Ausrutscher, denn bereits im nächstem Stück musiziert Bird in gewohnter Eleganz und Leichtigkeit.
Seine Musik klingt dabei weder überladen noch protzig, sondern stets feinfühlig und natürlich. Das Titelstück „Are you serious“ ist ein perfektes Beispiel dafür. „Left Handed Kisses“, das als Dialog inszenierte Duett mit der Alternativ Pop-Legende Fiona Apple kann dabei als Höhepunkt des Albums gelten. Apple prangert mit rauer Whiskey-trunkener Stimme Bird wegen seines fiktiven Hangs zu billigen Schnulzen an – der wiederum versucht, sich mit seiner Geige zu verteidigen. Zwei Ausnahmekünstler duellieren sich auf wunderbare Weise im altbekannten Genre des Dialogs. Andrew Bird beweist erneut, dass er Folkmusik so spannend gestalten kann, wie es nur wenigen gelingt.
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