„An Incredible Ride!“
„An Incredible Ride!“
Interview: Vesna Andonovic
Das 2005 eröffnete „établissement public ,Centre de musiques amplifiées‘“ ist dem Publikum heute nur noch als „Rockhal“ bekannt. Direktor Olivier Toth blickt auf zehn Jahre bewegter und bewegender Geschichte zurück und verrät, was der Mainstream seinem Haus bringt und wie es um sein Verfallsdatum steht.
Man gewöhnt sich bekanntlich schnell an die angenehmen Dinge des Lebens – zehn Jahre sind ins Land gezogen, seit Sie mit dem großherzoglichen Paar vor dem Auftritt von „The Prodigy“ durch das „Centre de musiques amplifiées“ gingen: Ihr Fazit im Twitter-Stil ...
Ich habe es zwar bereits in einem anderen Zusammenhang benutzt, und trotz Dopplung, passte es auch hier einfach: „It's been an incredible ride!“ Diese zehn Jahre waren einfach enorm intensiv: Verschiedene Momente waren zu schnell vorüber, andere hingegen brauchten länger, um sich überhaupt zu entfalten – spannend waren sie aber alle!
Vielleicht war der Bandname damals ja ein stückweit „Nomen est omen“: Denn der Eröffnung der Halle wurde sehnlichst entgegengeblickt in der damaligen Konzerthaus-Wüste Luxemburg. Hat das Haus die Erwartungen erfüllt?
Das müssten Sie ja jetzt eigentlich nicht mich, sondern das Publikum fragen ... Aus unserer Sicht haben wir die Erwartungen konstant ausgebaut. Jeder Errungenschaft sind neue Ideen entsprungen, die wir umzusetzen versucht haben und die daraufhin ebenfalls Neues nach sich gezogen haben. Die Messlatte, die wir uns dabei selbst gesetzt haben, haben wir so stetig heraufgesetzt. Etwas, das uns sicherlich auszeichnet, ist, dass wir nie in eine „So, jetzt ist es gut“-Mentalität verfallen sind. Statt sich zufrieden zu geben mit dem, was es erreicht hat, war das Team der Rockhal immer stärker daran interessiert, was es als Nächstes besser machen könnte. Darin sind wir eigentlich auch ganz symptomatisch für den Standort selbst ...
Stichwort Standort: Hatten manche Widrigkeiten dieses Standortes – wie z. B. Negativschlagzeilen oder die Verzögerung des Unieinzugs dort – auch Einfluss auf Ihre Arbeit?
Direkt gelitten haben wir darunter nicht, es hat uns aber eine zusätzliche Anstrengung abgefordert und hatte einen direkten Einfluss, auf unsere Art zu funktionieren. Das bot so eine bereichernde Erfahrung, auch wenn es sicherlich schwierige Momente gab. In der Anfangszeit mussten wir uns so um Dinge kümmern, die eigentlich nicht unser Job waren, wie z. B. einen Auffangparkplatz am Monkeler einzurichten oder einen Pendelbusservice zu organisieren. Aber das war einfach erforderlich. Denn für einen Zuschauer, der zu uns kommt, sind wir der Ansprechpartner, der Lob, aber auch Kritik erntet. Das Konzerterleben beginnt – aus unserer Warte – nicht erst nach Betreten der Rockhal, sondern schon bei der Anreise, deshalb haben wir u. a. diese Abmachung mit öffentlichen Transportunternehmen getroffen, dass jedes Konzertticket gleichzeitig ein Freifahrtschein ist. Den Umzug der Uni hätten wir uns natürlich früher gewünscht, weil Studenten ein potenzielles Publikum für aufstrebende Musiker sind. Aber am Ende ist das Entscheidende, dass wir uns durch diesen Verzug nicht haben darin beirren lassen, unsere Ziele, wie die Unterstützung der jungen Szene, auch weiterhin konsequent zu verfolgen – denn nur so zahlt sich unsere Arbeit auf Dauer überhaupt aus.
Eine Arbeit, die sich dann wie entwickelt hat?
Die Entwicklungen und die Neugier, was wir aus diesem „Venue“ alles machen könnten, haben uns stets vorangetrieben. So haben wir unterschiedliche Genres ausprobiert, versucht, andere Nationalitäten als neues Publikum zu gewinnen, unterschiedliche Formen von Shows ausgelotet, oder den Versuch gestartet, mehrere Events gleichzeitig auszurichten. Die Rockhal ist ein lebensgroßes Laboratorium und zwar nicht nur wegen seines „Rocklabs“! Unsere Arbeit ist dabei ein Forschen und Experimentieren im Umgang mit allen möglichen Formen musikalischer Kreativität.
Ist die Erweiterung auf unterschiedliche Genres dabei ein von Ihnen oder eher vom Publikum ausgehendes Anliegen?
Nun, ich denke von beiden: Wir treiben es, in einer publikumsorientierten Überlegung, aktiv voran, um neue Zuschauerschaften zu erschließen; ebenso entspricht es den breit gefächerten Erwartungen eines verschiedenartigen Publikums.
Läuft man da nicht auf Dauer Gefahr, nur im Erfolg versprechenden Mainstreambereich tätig zu sein?
Am Ende macht es die gesunde Mischung aus: Denn an Mainstream-Konzerten mit 6500 Zuschauern ist ja nichts Schlechtes, zumal sie uns ermöglicht Veranstaltungen auszurichten, die nur 50 Zuschauer anziehen – auch wenn diese Band auf der Bühne hervorragend ist und viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätten ... Wie gesagt, die Mischung macht's!
Oft wird hierzulande beklagt, dass im Großherzogtum gerne in Gebäude, dafür umso widerstrebender in Inhalte investiert wird ...
Auch hier könnte das Publikum wohl eine bessere Antwort geben. Unanfechtbar aber ist, dass wir sehr wohl viel in unsere Inhalte investieren – und dies mit einem gewissen Stolz hervorheben können.
In Krisenzeiten ist nicht nur Sparen, sondern auch Geld verdienen angesagt: Wie stemmen Sie beides?
Ich denke, vor allem geht es darum, das ausgegebene Geld bestmöglich auszugeben. Wenn einem dies gelingt, kommen auch manchmal mehr Mittel rein als man ausgegeben hat – und genau das ist unsere Philosophie, die wir konkret zu leben versuchen. Es liegt in unserer Natur, die unwichtigen Dinge sowieso einzusparen, und wir haben dies noch bevor der Begriff „Krise“ aktuell war schon getan: Deshalb ist „Sparen“ für uns eher kein Thema. Im Gegenteil, es gibt Dinge, an denen wir nie sparen würden, und zwar die, die einerseits unsere kulturelle Mission betreffen und andererseits die, die direkten Einfluss auf das Konzerterlebnis des Zuschauers hätten.
Welche Argumente überzeugen dann internationale Stars, im kleinen Luxemburg aufzutreten?
Finanzielle Mittel sind es sicherlich nicht gewesen – denn überhöhte Gagen können einem weder mittel- noch langfristig wirklich helfen! Unsere Philosophie ist, dass ebenso wie der Zuschauer auch der Künstler, der zu uns kommt, bestmöglich empfangen und betreut werden muss, damit sein Erlebnis in der Rockhal das Positivst- und Produktivstmögliche wird. Dazu muss man ein seriöser und verlässlicher Geschäftspartner für die Musiker sein und auch wenn es etwas Zeit bedurfte, hat die Mundpropaganda in Künstlerkreisen uns dabei ebenfalls zugearbeitet. Dass diese Arbeit sich auszahlt, wird dokumentiert durch zwei Nominierungen als eine der fünf besten Live Venues in Europa bei den Arthur Awards der International Live Music Conference in 2013 und 2015.
Sie sind nicht einziger Konzertorganisator in den eigenen vier Wänden: eher Vor- oder Nachteil?
Es ist eher ein Vorteil, denn in puncto „Angebot“ bringt es eine andere Inspiration und Bandbreite und so einen zusätzlichen Reichtum für die Rockhal. Aus der Sicht des Veranstalters verteilt es das mögliche Risiko zudem auf mehrere Schultern, was diese Last reduziert. Was zählt, ist, dass am Ende das Publikum davon profitiert.
Zuweilen ernteten Sie auch Kritik von wegen unlauterer Konkurrenz, gar offizielle Beschwerden beim „Conseil de la concurrence“...
Es liegt auf der Hand, dass mal Situationen auftauchen, in denen zwei Veranstalter mit dem selben Künstler zusammenarbeiten wollen – aber nur einer den Zuschlag bekommt – das ist aber keine unlautere Konkurrenz sondern normal. Unser Wissen, wie man so ein großes „Venue“ führt, stellen wir gerne jedem zu Verfügung. Denn wir denken, dass es zum Abhalten eines erfolgreichen Events beiträgt. Auch wenn man sich zuweilen in einer Konkurrenzposition befindet, versuchen wir stets korrekt zu handeln, wie man es in einem professionellen, kommerziellen Umfeld auch erwarten könnte. Laufende Verfahren will ich an dieser Stelle verständlicherweise aber nicht kommentieren.
Es gab die Jahre des Aufbaus, der Etablierung und der internationalen Verknüpfung – welche Etappe steht Ihnen nun bevor?
Gute Frage ... Nun noch mehr große Künstler anziehen und die Position Luxemburgs auf der musikalischen Landkarte weiterhin zu stärken. Zudem sich der Herausforderung zu stellen, die Entwicklung des digitalen Musik-„Konsums“ der Fans zu verfolgen und bestenfalls an der Diskussion teilzunehmen, welchen direkten Einfluss das auf unser Metier hat. Und nicht zuletzt auch den Aufbau neuer, aufstrebender europäischer Talente – auch aus Luxemburg – aktiv weiterzutreiben.
Ziehen Sie andere Geschäftsbereiche, bzw. -modelle zur besseren Auslastung der Säle in Betracht?
Das tun wir bereits mit der Vermietung der Säle für „corporate events“ und – verständlicherweise ohne viel Werbung dafür zu machen – für internationale Tourproben wie u. a. bei Depeche Mode oder den Chemical Brothers. Dazu kommt der Genreausbau in Richtung Familien- und Comedy-Veranstaltungen.
Die Mission Ihres Hauses ist nicht nur die Ausrichtung von Konzerten, sondern ebenfalls die Unterstützung der nationalen Musikszene. Was hat sich hier getan?
Unser „Rocklab“ bietet erst mal einen Ort, wo diese nicht nur proben können, sondern auch noch eine Anlaufstelle für alle möglichen Fragen, die angehende und bereits etablierte Künstler sich im Laufe ihrer Karriere stellen – sei es nun mit Ratschlägen, Panels, Rundtischgesprächen oder Workshops stehen wir ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Unser praktisches Know-how ist für jeden zugänglich – und auch wenn wir weder Manager und Coach noch Musikschule und Popakademie sind, können wir ihnen sozusagen als Katalysator helfen.
Was ist da konkret die Aufgabe des Direktors, der ein Team wie das der Rockhal unter sich hat?
Dem Team alle verfügbaren Mittel zu geben, seinen Job bestmöglich zu machen; Brücken zu bauen und Türen aufzustoßen, die neue Möglichkeiten eröffnen und eine Vision bezüglich der Richtung zu haben, in die es gehen soll.
Wie ist es denn um Ihr eigenes „Verfallsdatum“ bestellt?
(lacht) Solange ich begeistert bei der Sache bin, spüre ich das nicht – und das ist noch immer der Fall!
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