Zwischen Munition, Atomkraft und einer Beruhigungspille für die Finanzmärkte
Zwischen Munition, Atomkraft und einer Beruhigungspille für die Finanzmärkte
Von Steve Bissen (Brüssel)
Der Ukraine-Krieg war auch beim vergangenen EU-Gipfel wieder eins der beherrschenden Themen. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs besiegelten dabei unter anderem den Entschluss, innerhalb von zwölf Monaten eine Million Artilleriegeschosse an die Ukraine zu liefern und die Russland-Sanktionen nachzuschärfen, um deren Umgehen zu verhindern. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reicht das aber nicht aus. Er drängte die EU zur Lieferung westlicher Kampfjets zur Verteidigung gegen den russischen Aggressor. „Wir brauchen moderne Flugzeuge“, so Selenskyj, der per Video zugeschaltet war. Zugleich dankte er Polen und der Slowakei für die Entscheidung, Kampfjets des sowjetischen Typs MiG-29 bereitzustellen.
Beim EU-Gipfel selbst spielten mögliche Kampfjet-Lieferungen allerdings keine größere Rolle. Über das Thema wurde nicht im Detail gesprochen. EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten lediglich, dass die Entscheidung über die Lieferung solcher Kampfjets von den einzelnen Mitgliedstaaten getroffen werden müsse.
In ihrer Abschlusserklärung versprachen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs aber weitere politische, wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe für die Ukraine - solange dies nötig ist. Und wenn die Ukraine darum bittet, sollen zudem weitere Raketen geliefert werden. Kampfjets finden dort aber keine Erwähnung.
Streit um Verbrenner-Aus und Atomkraft
Beim Gipfel spielte auch die Blockade der deutschen Regierung im Streit über Autos mit Verbrennungsmotor eine zentrale Rolle, obwohl sie nicht auf der Tagesordnung stand. Und nicht nur Xavier Bettel zeigte sich in Brüssel genervt von der anhaltenden Debatte. Dass Deutschland nun seine Wünsche offenbar doch durchsetzen kann, sei „kein guter Präzedenzfall“ für die EU. Scholz verteidigte dagegen das deutsche Vorgehen gegen Kritik europäischer Partner. Und sowohl Scholz als auch EU-Kommissionschefin von der Leyen zeigten sich zuversichtlich, dass bald eine gute Lösung gefunden werde.
Zur Erinnerung: Bei der Verbrenner-Grundsatzeinigung im Herbst hatte Deutschland einen Zusatz in das Abkommen verhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die nur mit E-Fuels fahren. In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde daher von Deutschland zunächst verhindert.
Eine endgültige Entscheidung zum Streit über das Verbrenner-Aus wurde beim EU-Gipfel zwar nicht getroffen. Unter EU-Diplomaten geht aber nun die Befürchtung um, dass die beiden großen Länder Deutschland und Frankreich am Ende eine Art Deal eingehen werden. Sprich: Frankreich akzeptiert die Änderungswünsche der deutschen Regierung in Bezug auf das Aus des Verbrennermotors in der EU ab 2035. Und Deutschland akzeptiert im Gegenzug Frankreichs Wunsch einer klimafreundlichen Einstufung der Atomkraft.
Atomkraft, eine klimafreundliche Technologie?
Denn Frankreich drängte beim Gipfel darauf, dass in der EU ein für alle Mal klargestellt wird, dass Atomenergie eine Rolle bei der Reduzierung von CO₂-Emissionen spielt und deswegen nicht diskriminiert werden darf. Unter anderem die luxemburgische und die österreichische Regierung sehen das allerdings anders. Sie vertreten den Standpunkt, dass es keine Subventionierung der Atomenergie durch die EU geben sollte.
Es (die Atomkraft) ist nicht sicher, es ist nicht schnell und es ist nicht günstig und es ist auch nicht klimafreundlich.
Premierminister Xavier Bettel
Xavier Bettel hatte sich bereits zu Beginn des Gipfels mit aller Deutlichkeit gegen Atomkraft ausgesprochen. „Es ist nicht sicher, es ist nicht schnell und es ist nicht günstig und es ist auch nicht klimafreundlich“, so Bettel. Jedes Land könne seinen Energiemix selbst gestalten. „Aber mit europäischen Fahnen drauf wäre das ein Schwindel“. Man solle nicht behaupten, dass mit Atomkraft eine nachhaltige Energieproduktion möglich sei. Bettel zeigte sich indes zufrieden, dass die Atomkraft keine Erwähnung in der Abschlusserklärung des Gipfels findet.
EU bemüht um Beruhigung der Finanzmärkte
Außerdem bemühte sich die EU nach dem Bankenbeben in den USA und der Schweiz um eine Beruhigung der Finanzmärkte. „Ich bin sehr zuversichtlich, was die Liquidität und die Widerstandsfähigkeit angeht, die unser Bankensystem aufgebaut hat“, sagte etwa Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe am Freitag beim EU-Gipfel. Die Eurozone verfüge über die nötigen Reserven, um die Stabilität des Bankensystems zu gewährleisten.
Das europäische Bankensystem ist robust.
Premierminister Xavier Bettel
Ähnlich optimistisch äußerte sich auch Xavier Bettel nach dem Treffen mit Donohoe, zu dem auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, eingeladen war: „Das europäische Bankensystem ist robust“, so Bettels Botschaft. Zu noch mehr Stabilität soll nach Ansicht der 27 EU-Staats- und Regierungschefs die angestrebte Kapitalmarkt- und Bankenunion beitragen.
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