Xi stärkt Kim
Xi stärkt Kim
Von LW-Korrespondent Daniel Kestenholz (Peking)
Es war ein Coup für Chinas starken Mann, Präsident Xi Jinping. Während sich Südkoreas Präsident Moon Jae In um ein erstes Treffen mit Nordkoreas Führer Kim Jong Un bemüht und Vorbereitungen für einen historischen Gipfel im Mai zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump laufen, hat Xi seinen enigmatischen Nachbarn zu einem Geheimbesuch in Peking empfangen.
Es war Kims erste Reise außerhalb Nordkoreas und sein erstes Treffen mit einem ausländischen Staatsoberhaupt seit seiner Machtübernahme im Dezember 2011. Peking ließ die Weltgemeinschaft erst wild spekulieren, bevor das Rätselraten um den hohen Gast aus Nordkorea gelüftet wurde. Am Sonntag waren Kim, seine Frau und Delegation an Bord jener museumsreifen, grün-gelben, gepanzerten Zugskomposition in Peking eingetroffen, die schon Kims Vater für Auslandsreisen nach China und Russland benutzt hatte. Am Dienstagnachmittag verließ der Zug Peking wieder. Bestätigt wurde der Besuch am frühen Mittwoch, als sich Kim bereits wieder auf dem Rückweg in Nordkorea befand.
Xi gab dem ungeprüften Kim mit dem Überraschungsbesuch die Gelegenheit, sich erstmals als Staatsmann zu profilieren und ihn der Unterstützung des traditionsreichen Wohltäters Nordkoreas zu versichern. Denn Kims Absicht, den USA die Hand zu reichen, ist ein so ehrgeiziges wie riskantes, hochkomplexes Unterfangen, das nie begangenes Territorium beschreiten wird. Xi machte deutlich, an China führt kein Weg vorbei, wenn es um die Zukunft der koreanischen Halbinsel geht. Die ansonsten paranoide Führung Nordkoreas gab mit der Reise zu verstehen, dass Kim über genügend Selbstvertrauen verfügt, das Land zu verlassen, ohne dass das Regime zuhause einen Coup fürchten muss.
Mit dem geheimen Besuch haben China und Nordkorea an ihre engen Beziehungen erinnert und sich absprechen können, noch bevor die Gipfeltreffen Kims mit Südkorea und den USA folgen. Wie Kim wird voraussichtlich auch Xi bis ans Lebensende herrschen, und persönliche Beziehungen sind von Bedeutung in so einem Spannungsfeld. Peking will bei der globalen Diplomatie um Nordkoreas Atomwaffenprogramm ein Mitreden haben, dient das widerspenstige Eremitenreich an der Nordostflanke den Chinesen doch auch als stabiler Puffer zu Südkorea, das über modernste Kriegstechnologie seiner Schutzmacht Amerika verfügt.
Der Besuch suggeriert überdies, dass Kim die Zustimmung Chinas - und möglicherweise auch seinen Rat - schätzt oder braucht. Obwohl China den Besuch als inoffiziellen bezeichnete, scheute es keine Mühe, den Gast mit allen Ehren zu empfangen. Auf Gespräche in der Großen Halle des Volkes folgte ein Bankett mit Gemahlinnen der Führer. Xi wie auch Kim schienen dabei aufrichtig bemüht, die angespannten Beziehungen zwischen den traditionellen Verbündeten zu reparieren, während Kim neue Beziehungen zu seinem Feind Südkorea sucht.
Trotz Geheimhaltung der Reise hatte Peking keine außerordentlichen Vorkehrungen getroffen, um Kim völlig inkognito zu empfangen. Eine Ehrengarde empfing den hohen Besuch beim Hauptbahnhof von Peking, Sicherheitspräsenz war erhöht und Straßen wurden für die motorisierte Eskorte abgesperrt, als wollte Peking der Welt zeigen, dass es bei der Diskussion um die Zukunft der koreanischen Halbinsel miteinbezogen gehört.
Kim, so berichtete das staatliche nordkoreanische Zentralfernsehen am Mittwoch, sei mit der Reise einer Einladung von Xi gefolgt. Dem chinesischen Führer habe Ki gesagt, er sei offen für einen Dialog mit den Vereinigten Staaten, einschließlich eines möglichen Gipfeltreffens mit US-Präsident Trump, und habe sich für die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel eingesetzt. Das berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, die Fotos von Kim und Xi bei Verhandlungen und beim Händedruck vor ihren Nationalflaggen veröffentlichte.
"Wenn Südkorea und die Vereinigten Staaten mit gutem Willen auf unsere Bemühungen reagieren", wurde Kim von Xinhua zitiert, "und eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität schaffen und schrittweise, synchronisierte Maßnahmen ergreifen, um Frieden zu erreichen, kann die Frage der Entnuklearisierung der Halbinsel eine Lösung erreichen."
Xi seinerseits lobte Kims Bemühungen zur Entschärfung der Spannungen: "Dieses Jahr gab es vielversprechende Veränderungen in der Situation auf der koreanischen Halbinsel, und wir drücken unsere Anerkennung für die großen Anstrengungen aus, die Nordkorea in dieser Hinsicht unternommen hat."
Kims Charmeoffensive beschränkt sich damit nicht bloss auf Südkorea und die USA. Seine Beziehungen mit China waren seit Jahren angeschlagen. Kim ignorierte Gesprächsversuche des mächtigen Nachbars und liquidierte hohe Beamte, einschließlich seines Onkels, die über gute Beziehungen mit Peking verfügten.
Doch die große Frage, um die sich alles drehen wird, bleibt unangesprochen. Es ist unklar, welche Zugeständnisse Kim bei der Entnuklearisierung zu machen gewillt ist. Die USA erachten einen Präventivschlag gegen ein Nordkorea als legitim, das mittels ballistischer Trägerraketen US-Festland zu erreichen droht, und Kim machte verschiedentlich deutlich, dass das nukleare Abschreckungspotential die Souveränität seiner Nation sichert.
Kims Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In findet im April in Panmunjom an der innerkoreanischen Grenze statt. Ort und Zeitpunkt von Kims Treffen mit Trump sind noch nicht festgelegt.
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