Wieso Thüringens CDU Hans-Georg Maaßen für ihren Retter hält
Wieso Thüringens CDU Hans-Georg Maaßen für ihren Retter hält
Von Cornelie Barthelme (Berlin)
Der 1. April ist in diesem Jahr 2021 keiner wie sonst. Erstens Pandemie. Zweitens Gründonnerstag. Da reißen sich selbst Agnostiker und Atheisten ein bisschen zusammen mit dem Foppen und Nasführen. Erst recht Menschen, die Mitglied in einer Partei sind, die sich christlich nennt. Aber als am Vormittag in Südthüringen in diversen Büros erst Telefone klingeln und dann ein Name genannt wird - da glauben viele der Angerufenen dann doch an einen Jux.
Es geht um die Kandidatur für den Bundestagswahlkreis 196. Der liegt mitten in Deutschland und ist, rein landschaftlich, ein Juwel. Schöner als der Thüringer Wald kann Mittelgebirge kaum sein. Unbekannter erst recht nicht. Sonneberg, Hildburghausen, Suhl sind touristische Geheimtipps, Schmalkalden kennen allenfalls historisch Bewanderte durch das dort 1531 geschlossene Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten und Städte, Meiningen nur Kulturfans, weil dort das moderne Regietheater erfunden wurde, vor 150 Jahren.
Jetzt erfinden sie hier, über Nacht, die Rettung der CDU.
Eine angeschlagene Partei
Die Partei ist angeschlagen. Und unsortiert, unübersehbar. Und noch weiß niemand, wie sehr sie sich kaum zwei Wochen später blamieren wird mit der Suche nach ihrem Kanzlerkandidaten. Jetzt, am 1. April, präsentieren drei der vier CDU-Kreisverbände im Wahlkreis 196 ihren Wunschkandidaten für die Bundeswahl im September. Er heißt Hans-Georg Maaßen.
Der Maaßen. Ex-Präsident des Inlandsgeheimdienstes. Ende 2018 in den Ruhstand versetzt, weil er bezweifelte, dass bei den rassistischen Unruhen in Chemnitz Ausländer gejagt wurden. Seitdem Stachel im christdemokratischen Fleisch. In Berlin sorgt diese Personalie für Erstaunen. In Südthüringen wiederum sorgt für Erstaunen, dass in Berlin gestaunt wird. Noch mehr aber findet man, dass sich die Hauptstädter aus ihrer Kandidatenkür herauszuhalten haben. Und überhaupt alle „Uhiesigen“. Also auch der Landesverband, verkörpert durch Landesvorsitzenden Christian Hirte.
In Berlin sorgt diese Personalie für Erstaunen. In Südthüringen wiederum sorgt für Erstaunen, dass in Berlin gestaunt wird.
Der ist im Amt, weil sein Vorgänger Mike Mohring über die Erfurter Ministerpräsidentenwahl-Affäre im Februar 2020 fiel. Da hob die CDU gemeinsam mit der AfD den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich ins Amt. Ein Verstoß gegen den CDU-Bundesparteitagsbeschluss, der Kooperation mit AfD wie Linken verbietet. „Unverzeihlich“ fand Bundeskanzlerin Angela Merkel das und forderte, die Wahl müsse „rückgängig gemacht“ werden. Die Thüringer CDU hielt das für Einmischung. Und die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer trat zurück, weil sie die Thüringer nicht auf Bundesparteilinie bekam.
Nun also Maaßen. Vor der Kemmerich-Wahl hatte er in Nordthüringen erklärt: „Wer uns wählt, sollte uns schnurz sein.“ Und danach von einem „Riesenerfolg“ geredet.
Das fand der jetzige CDU-Landeschef Hirte auch. Wegen seiner Gratulation - „Kandidat der Mitte“ twitterte Hirte erfreut - feuerte Merkel ihn als Ostbeauftragten. Jetzt würde Hirte Maaßen vielleicht gerne verhindern. Vielleicht aber auch nicht. Am 1. April und noch ein paar Tage lang hat er versucht, einen anderen zu finden, einen „von hier“, wie das im Osten gerne heißt. Inzwischen sagt Hirte überregionalen Zeitungen, die Thüringer CDU sei „basisdemokratisch aufgestellt“ - und das habe „gute Gründe“.
Er ist mit seiner Autorität mindestens so in Nöten wie sein Vorgänger. Und wie die CDU im Wahlreis 196 mit ihren Erfolgsaussichten. Die AfD ist hier stark, bei der Landtagswahl 2019 hat sie zwei der sieben Direktmandate geholt. Dazu kommt, dass 196 frei ist, weil CDU-Inhaber Mark Hauptmann als Masken-Dealer und Aserbeidschan-Lobbyist entlarvt wurde. Für die Südthüringer eine Hiobsbotschaft. So wie später die Nachricht, dass Armin Laschet Kanzlerkandidat wird. Und nicht Markus Söder aus dem angrenzenden Bayern.
Wenig Berührungsängste mit rechts
Am liebsten hätten sie Friedrich Merz gehabt. Die CDU hier hat nämlich ein besonderes Faible für Tradition und für Schneidigkeit. Dafür - wie auch anderswo im Osten - wenig Berührungsängste mit weiter rechts. Der Schmalkalder Landtagsabgeordnete Michael Heym etwa konnte sich schon nach der Landtagswahl eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen - mit der die CDU eine „bürgerliche Mehrheit rechts“ hätte.
Jetzt hat Heym Maaßen. Mit ziemlicher Sicherheit wird er am Freitagabend von den Delegierten gewählt. Der Lokalzeitung „Freies Wort“ hat Maaßen gesagt: „Ich nehme mich nicht als rechts wahr.“
Ob das eine Garantie für den Bundestag ist? Oder gerade nicht? Vielleicht kommt der härteste Konkurrent ja von links. Die SPD hat Frank Ullrich nominiert. Biathlon-Olympiasieger. Und - kein Scherz - ein ganz Hiesiger.
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