Wie vorbereitet ist Lateinamerika auf Corona?
Wie vorbereitet ist Lateinamerika auf Corona?
Von LW-Korrespondent Klaus Ehringfeld (Mexiko)
Am Dienstag machte Nicolás Maduro den Gang nach Canossa. Der venezolanische Präsident schrieb einen Brief an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und erbat fünf Milliarden Dollar Soforthilfe, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie in seinem Land zu mildern.
„Ehrenhafte Organisation“ begann Maduro sein Schreiben an den IWF, den er viele Jahre als „Handlanger des Imperialismus“ geißelte. Anfang März hatte der IWF den Mitgliedsländern sofortige Corona-Notkredite in Aussicht gestellt. Aber der Währungsfonds reagierte umgehend und lehnte den Antrag Maduros ab, da es Zweifel daran gebe, ob er der von der internationalen Gemeinschaft anerkannte Staatschef sei. Dies sei aber eine Voraussetzung für die Zuerkennung der IWF-Hilfen.
Maduro in Panik
Offensichtlich gerät der linksnationalistische Staatschef angesichts der möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und dem Absturz der Ölpreise in Panik. Dabei hat sein Land gerade erst 36 Fälle zu verzeichnen. Aber vermutlich wäre kein venezolanisches Krankenhaus auf einen massiven Ausbruch der Lungenkrankheit vorbereitet. In 90 Prozent der Hospitäler gibt es nicht mal fließendes Wasser. Auch daher hat Maduro sein ganzes Land an sofort unter Quarantäne gestellt. „Wenn wir die Ausbreitung der Pandemie nicht rasch stoppen, dann kann sie uns zu Fall bringen“.
Maduro fürchtet sicher auch, dass das Corona-Virus das schaffen könnte, was die Opposition und jahrelange Proteste nicht vermochten – die chavistische Regierung zu stürzen.
Aber die Frage, die sich dieser Tage nicht nur in Venezuela, sondern überall zwischen Argentinien und Mexiko stellt, ist: Wie gut sind die Staaten und ihre Gesundheitssysteme auf einen massiven Ausbruch der Pandemie vorbereitet? Zumal die öffentlichen Gesundheitssysteme chronisch unterfinanziert sind.
Notstand in Kolumbien
Glücklicherweise halten sich die Infektions-Zahlen in der Region noch immer in Grenzen. Brasilien meldete bis Dienstagabend 340 Fälle, Mexiko 93, Chile 201, Argentinien 79 und Kolumbien 75. Dort verhängte Staatschef Iván Duque den nationalen Notstand und ordnete die Isolierung von Menschen älter als 70 Jahre an. Außer El Salvador und Nicaragua verzeichnen inzwischen alle Länder Infektionen mit dem Lungen-Virus gemeldet.
Bis auf Brasilien und Mexiko haben die Länder ihre Grenzen geschlossen, haben auch den Unterricht an Schulen und Universitäten suspendiert, manche Staaten haben sogar Ausganssperren verhängt. Alle Länder versuchen, ihre Lehren aus dem zu ziehen, was sie in Europa und China beobachtet haben beim Umgang mit Corona. Aber man könne nur bedingt Lehren aus Europa nach Lateinamerika übertragen, sagt Deisy Ventura, Professorin an der Fakultät für Öffentliche Gesundheit an der Universität von São Paulo. Die Bedingungen in einem Riesenland wie Brasilien mit großen sozialen Unterschieden seien anders und die Ausbreitung „unvorhersehbar“.
Unterschiede zwischen Europa und Lateinamerika
Aber es gebe Unterschiede zwischen Europa und Lateinamerika, die helfen könnten, einen vergleichbaren Ausbruch auf dem Subkontinent zu verhindern. Das Klima ist in den meisten Regionen deutlich wärmer, die Bevölkerungen sind jünger. Brasilien hat ein Durchschnittsalter von 30, Kolumbien von 27,4 Jahren, während die Italiener im Schnitt 44 Jahre alt sind. Zudem seien gegenseitige Ansteckungen weniger wahrscheinlich als in Europa. Zwar gebe es in Lateinamerika riesige Metropolen, aber insgesamt seien die Länder weniger dicht besiedelt, sagt der kolumbianische Immunologe Manuel Elkin Patarroyo.
Der Vize-Chef der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO), Jarbas Barbosa, warnt jedoch: „Wir können uns nicht auf günstigere klimatische Bedingungen verlassen. Wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein.“
Zumal gerade die beiden größten Länder Brasilien und Mexiko Staatschefs haben, die mit schlechtem Beispiel vorangehen. Der rechtsradikale Präsident Jair Bolsonaro und Mexikos Linkspräsident Andrés Manuel López Obrador nahmen am Wochenende noch Bäder in der Menge ihrer Anhänger und führten damit die Präventionsvorschriften ihrer Gesundheitsbehörden ad absurdum.
Bolsonaro spricht von „Hysterie“
Bolsonaro spricht noch immer von „Hysterie“ im Zusammenhang mit dem Virus. López Obrador glaubt, ihm könne die Krankheit nichts anhaben und man bekomme das Virus in den Griff, wenn man nur den Kampf gegen Korruption und Neoliberalismus gewinne. Immerhin am kommenden Wochenende will López Obrador bei seiner Reise in den Bundesstaat Oaxaca auf Massenveranstaltungen verzichten.
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