Warum sich der frühere US-Präsident wohl verkalkuliert hat
Warum sich der frühere US-Präsident wohl verkalkuliert hat
Von Thomas Spang (Washington)
Nach außen hin tut der Ex-Präsident weiterhin so, als könne ihm nichts etwas anhaben. Schon gar nicht die Empfehlung eines Komitees im Repräsentantenhaus, das mehrheitlich von sieben Demokraten und zwei „Never-Trump“-Republikanern besetzt ist. „Diese Leute verstehen nicht, dass die Jagd auf mich dazu führt, dass freiheitsliebende Menschen sich hinter mich scharen. Es stärkt mich“, verkündete er auf seinem eigenen Netzwerk „Truth Social“. Um dann einen Satz hinzuzufügen, der wie ein Banner über seiner geschäftlichen und politischen Karriere prangen könnte. „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.“
Das mag bis vor sechs Monaten gestimmt haben. Erfolgreich hatte Trump dafür gesorgt, dass die Republikaner zunächst die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums nach dem Vorbild der „9/11“-Kommission verhinderten. Und anschließend die Mitarbeit in einem zu gleichen Teilen besetzten Kongressausschuss verweigerten.
Am Ende erklärten sich in der republikanischen Fraktion nur Liz Cheney und Adam Kinzinger bereit, ihre Karriere für die Suche nach der Wahrheit zu opfern. Und zahlten dafür den Preis, von der Trump-hörigen Basis der Republikaner abgestraft zu werden.
Ein Jahr akribischer Ermittlungen
Nach einem Jahr akribischer Ermittlungen hinter verschlossenen Türen begann im Sommer die erste von zehn öffentlichen Anhörungen, in denen das Komitee die Ergebnisse präsentierte. Genau zwei Jahre auf den Tag, an dem der Ex-Präsident seine Anhänger in einem Tweet mit dem Versprechen nach Washington bestellte, es werde „wild“ werden, trat das Komitee ein letztes Mal an die Öffentlichkeit. Und es war Cheney, die die Stoßrichtung der einstimmig beschlossenen Empfehlungen erklärte: „Niemand, der sich so verhält, darf je wieder ein öffentliches Amt bekleiden.“
Erstmals in der Geschichte der USA empfiehlt der Kongress dem zuständigen Justizministerium die Strafverfolgung eines ehemaligen Präsidenten. Das Komitee sah nach der Auswertung von rund einer Million Dokumenten und der Befragung von mehr als tausend Zeugen genügend Beweise für eine Anklage Trumps in vier Punkten: Behinderung offizieller Amtsgeschäfte des US-Kongresses, Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, gesetzwidrige, falsche oder vorsätzlich falsche Aussagen gegenüber der Regierung sowie Hilfe oder Mitwirkung an einer Rebellion gegen die Vereinigten Staaten.
„In unserem System geht es nicht, dass die Fußsoldaten im Gefängnis landen, während die Drahtzieher und Anführer davonkommen“, erklärte der Demokrat Jamie Raskin, der am Ende der elften und vermutlich letzten öffentlichen Anhörung die Empfehlung erläuterte. Trump habe einen Plan ausgeheckt, der ein einziges Ziel verfolgt habe, so der Staatsrechtler: „Den rechtmäßigen Übergang der Macht zu verhindern“.
In unserem System geht es nicht, dass die Fußsoldaten im Gefängnis landen, während die Drahtzieher und Anführer davonkommen.
Der Demokrat Jamie Raskin
Neben Trump empfiehlt das Komitee, auch Trumps ehemaligen Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, seinen Hausanwalt Rudolph Giuliani, den Rechtsberater John Eastman sowie die Juristen Jeffrey Clark und Kenneth Chesebro vor Gericht zu stellen.
Jetzt liegt der Ball beim Justizministerium. Genauer gesagt bei Jack Smith, den Justizminister Merrick Garland als Sonderermittler einsetzte, nachdem Trump im November seine erneute Kandidatur für die Aufstellung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner angekündigt hatte. Der Ex-Präsident erhoffte sich mit der Ankündigung seiner erneuten Bewerbung Schutz vor einer Strafverfolgung.
Ein unbestechlicher Sonderermittler
Doch Smith gilt als unbestechlich. Bei Amtsantritt versprach er, die längst anhängigen Parallel-Ermittlungen der Justiz gründlich, unabhängig und zügig durchzuführen. Die Empfehlung des Komitees spielt weniger eine Rolle bei der Frage, ob es zu einer Anklage kommt; hieb- und stichfeste Beweise der Staatsanwaltschaft sind wichtiger. Während Trump und andere Zeugen ihre Kooperation mit dem Kongress verweigerten, können Vorladungen durch die Justiz nicht ignoriert werden.
Während viele „Make-America-Great-Again“-Republikaner, wie Marjorie Taylor Green, Trump zur Seite sprangen und dem Komitee vorhielten, „die Staatsgewalt als Waffe gegen politische Feinde und deren Unterstützer“ einzusetzen, gibt es Anzeichen, dass es Skepsis gibt, ob die Partei den Ex-Präsidenten noch einmal als Kandidaten auf den Schild heben sollte. Nicht wenige machen ihn für das überraschend schwache Abschneiden der Republikaner bei den Midterms verantwortlich. Zudem gibt es mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, eine beliebte Alternative. Er lag in Umfragen zuletzt vor Trump.
Ich denke, nichts kann Donald Trump mehr retten.
Der Republikaner Carlos Curbelo
„Ich denke, nichts kann Donald Trump mehr retten“, meint etwa der Republikaner Carlos Curbelo. „Er befindet sich auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.“ Sollte er vor einem Gericht in Washington enden, dürfte Trump die Schlagzeilen wieder dominieren. Aber nicht unbedingt in einer guten Weise für ihn. Bei einer Verurteilung drohen ihm Gefängnis und ein lebenslanger Bann von öffentlichen Ämtern.
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