Wählen Sie Ihre Nachrichten​

Warum Joe Biden faktisch eine Bewerbungsrede hielt
International 3 Min. 08.02.2023
USA

Warum Joe Biden faktisch eine Bewerbungsrede hielt

Vizepräsidentin Kamala Harris und Speaker Kevin McCarthy (rechts) hören der Rede Joe Bidens zu.
USA

Warum Joe Biden faktisch eine Bewerbungsrede hielt

Vizepräsidentin Kamala Harris und Speaker Kevin McCarthy (rechts) hören der Rede Joe Bidens zu.
Foto: AFP
International 3 Min. 08.02.2023
USA

Warum Joe Biden faktisch eine Bewerbungsrede hielt

Der US-Präsident hat mit einer kämpferischen „State of the Union“-Rede vor dem Kongress die Weichen für die Kandidatur zu einer zweiten Amtszeit gestellt.

Von Thomas Spang (Washington)

Gebrechlich wirkte Joe Biden nicht, als der 80-Jährige mit festem Tritt das Spalier der Abgeordneten abschritt, die ihm nach der traditionellen Ansage „Mr. Speaker, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika“ im Kongress die Hände schüttelten. Der notorische Schulterklopfer genoss es sichtbar, sich auf dem Weg zum Rednerpult von den Demokraten feiern zu lassen, die bei den Zwischenwahlen im November alle Erwartungen übertroffen hatten.


Former US President Donald Trump speaks at a 2024 election campaign event in Columbia, South Carolina, on January 28, 2023. - Trump hits the campaign trail Saturday for the first time in a third bid for the US presidency overshadowed by intensifying criminal investigations and a firestorm of political controversy. The twice-impeached Republican, whose party lost the White House and both chambers of Congress during his term, makes his case for another four years with appearances in New Hampshire and South Carolina. (Photo by Logan Cyrus / AFP)
Trump bringt sich für Wahlkampf in Stellung
Bis zur Wahl des nächsten US-Präsidenten ist es noch eine ganze Weile hin. Trump bringt sich mit Wahlkampfauftritten aber jetzt schon in Stellung.

Dass die Einladung zur traditionellen „State of the Union“ in diesem Jahr nicht von Nancy Pelosi kam, sondern dem neuen Speaker Kevin McCarthy, schien den Präsidenten dabei eher zu motivieren. „Mr. Speaker, ich freue mich auf die Zusammenarbeit“, gab Biden den Versöhner. Doch der warme Händedruck für den Republikaner vor Beginn der Rede konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Angebot der Zusammenarbeit Grenzen hat.

US-Präsident Joe Biden schüttelt die Hand von Speaker Kevin McCarthy (rechts).
US-Präsident Joe Biden schüttelt die Hand von Speaker Kevin McCarthy (rechts).
Foto: Getty Images via AFP

Wie auch das sichtbare Kopfschütteln des Speakers im Kameraausschnitt rechts hinter dem Präsidenten keinen Zweifel daran ließ, dass so ziemlich nichts in dem über 70 Minuten vorgestellten Regierungsprogramm Aussicht hat, über die kommenden beiden Jahre vom Kongress beschlossen zu werden. Seien es ein nationales Abtreibungsrecht, das Verkaufsverbot für kriegstaugliche Waffen oder eine Milliardärssteuer.

Schlagabtausch mit rechten Abgeordneten

Einen realistischeren Eindruck von der Lage der Nation lieferte der eher ungewöhnliche Schlagabtausch Bidens mit ein paar Zwischenrufern des rechten Flügels der Republikaner. Marjorie Taylor Greene etwa brüllte „Lügner“, als Biden der neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus vorhielt, sie wollte die populäre Alterssicherung „Medicare“ und „Social Security“ kürzen. Der Präsident parierte mit Witz. „Dann wird das wohl kein Problem werden“.

Biden richtete sich in seiner „State of the Union“ nicht in erster Linie an den Kongress, sondern eine Öffentlichkeit, die Politiker in den USA nur selten erreichen. Im vergangenen Jahr schalteten mehr als 38 Millionen Amerikaner ihre Fernseher ein, um die Rede live zu verfolgen. Die Botschaft an dieses Publikum machte klar, dass es Biden trotz schwacher Umfragewerte und Bedenken in der eigenen Partei 2024 noch einmal wissen will. „Lasst uns den Job zu Ende bringen“, lautet der Schlüsselsatz dieser Rede.

Lasst uns den Job zu Ende bringen.  

US-Präsident Joe Biden

Biden nutzt die Gelegenheit, seine Leistungsbilanz der vergangenen beiden Jahre hervorzuheben. Eine, für die ihm die Wähler bisher wenig Anerkennung geben. Umfragen sehen den Amtsinhaber bei mageren 41 Prozent an Zustimmung.

America First

Kein Präsident vor ihm habe in vier Jahren so viele Jobs geschaffen wie er in zwei, rühmte Biden die historisch niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent. Diese sei eine Konsequenz der drei Gesetzespakete zu Infrastruktur, Halbleiterproduktion und Klimaschutz, die mit vielen hundert Milliarden Dollar die Konjunktur ankurbelten. „Wir haben bereits 800.000 anständig bezahlte Arbeitsplätze in der Fertigung geschaffen, das schnellste Wachstum seit 40 Jahren.“

Streckenweise klang Biden so protektionistisch wie sein Vorgänger, als er versprach, sich in seiner „Made in America“-Politik nicht beirren zu lassen. „Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt“, sagte der Präsident mit Blick auf die lautstarke Kritik aus Europa an den US-Subventionen für den Klimaschutz. „Ich werde mich dafür nicht entschuldigen.“

Viele US-Analysten interpretierten den Schwerpunkt auf die Innen- und Wirtschaftspolitik als Indikator, dass der Präsident in den kommenden Wochen offiziell seinen Hut für eine zweite Amtszeit in den Ring werfen wird. Biden ist lange genug in der Politik, um zu verstehen, dass sich mit Außenpolitik bei seinen Landsleuten kaum punkten lässt.


US President Joe Biden speaks to the media about Tyre Nichols as he walks to Marine One prior to departure from the South Lawn of the White House in Washington, DC, January 27, 2023, as he heads to Camp David for the weekend. - Police officers,were charged with second-degree murder in the beating of 29-year-old Tyre Nichols, who died in hospital on January 10, three days after being stopped on suspicion of reckless driving. (Photo by SAUL LOEB / AFP)
Die Misere mit Geheimdokumenten in den USA
Bei immer mehr US-Spitzenpolitikern tauchen geheime Regierungsdokumente auf. Einiges spricht dafür, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist.

Wenn auch nur knapp, findet er klare Worte an die Adresse des Kreml. „Putins Invasion war ein Test für die Ewigkeit“, sagt Biden. „Ein Test für Amerika. Ein Test für die Welt.“ Die USA würden die Ukraine unterstützen, „solange es notwendig ist“. An China gerichtet betonte der Präsident, er wolle keinen Konflikt mit dem Rivalen in Asien, sondern „Wettbewerb“. Den Abschuss des chinesischen Spionageballons nahm Biden zum Anlass, eine rote Linie zu ziehen. Wie die USA in der vergangenen Woche klargemacht hätten, „handeln wir, unser Land zu schützen, wenn unsere Souveränität bedroht wird“.

Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.


Lesen Sie mehr zu diesem Thema

Chinesische Spionageballons sind in den vergangenen Jahren mindestens fünfmal unbemerkt in amerikanischen Luftraum eingedrungen.
In this handout image courtesy of the US Navy, Seaman Rafael Mendez stands watch aboard the dock landing ship USS Carter Hall (LSD 50) while the guided-missile destroyer USS Oscar Austin (DDG 79) and the guided-missile cruiser USS Philippine Sea (CG 58) transit alongside debris from a high-altitude surveillance balloon in the Atlantic ocean on February 4, 2023. - The United States is recovering debris from the downed Chinese balloon in the Atlantic for analysis by intelligence experts and there is no plan to give the remains back to Beijing, officials said February 6, 2023. Carter Hall is the lead ship in debris recovery efforts led by the Navy, in joint partnership with the US Coast Guard. (Photo by Lt. j.g. Jerry Ireland / US NAVY / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO /  HANDOUT / US NAVY  Lt. j.g. Jerry Ireland" - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
Der Blick in die Geschichte zeigt, dass Recht und Freiheit heute wie damals nicht durch Beschwichtigungspolitik verteidigt werden können.
In Jalta auf der Halbinsel Krim treffen sich im Februar 1945 der britische Premierminister Winston Churchill (v.l.n.r.), US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der sowjetische Diktator Josef Stalin zu einer Konferenz über die Neugestaltung Europas.