Warum Chile ein Partner für Europa ist
Warum Chile ein Partner für Europa ist
Auch wenn er seit nunmehr 50 Jahren tot ist, so ist er dennoch omnipräsent: Salvador Allende, der chilenische Arzt und Politiker, der 1970 Präsident wurde und mit seinem Versuch, auf demokratischem Weg eine sozialistische Gesellschaft in dem Andenstaat aufzubauen, zu einem weltweit geachteten Hoffnungsträger wurde. Doch den USA war dieser Versuch zu extrem; mit ihrer Hilfe gelang ein Militärputsch. Allende erschoss sich am 11. September 1973 und General Augusto Pinochet errichtete ein Folterregime, dem tausende Menschen zum Opfer fielen.
Vor der Moneda, dem heutigen chilenischen Präsidentenpalast, steht ein überlebensgroßes Denkmal Allendes. Und so war es bei seinem ersten Chile-Besuch seit knapp einem Jahrzehnt für Außenminister Jean Asselborn (LSAP) ein Anliegen, dort vorbeizuschauen und Allende zu würdigen. „Ich kann mich noch gut erinnern“, sagt Asselborn am Donnerstagmittag beim Telefonat von Santiago de Chile aus, an jenen 11. September vor bald 50 Jahren: „Dieses Attentat auf Allende, das war schon etwas, was nicht nur Chile und Lateinamerika, sondern die ganze Welt bewegte.“
Als erster ausländischer Minister wurde Asselborn vom neuen chilenischen Amtskollegen Alberto van Klaveren empfangen. Und auch bei einem Abstecher auf die Dachterrasse des Außenministeriums habe er an Allende denken müssen: „Da siehst du unten die Moneda, das ist, wo damals Pinochet das Palais des Präsidenten bombardiert hatte, um ihn zu töten.“
Ein wichtiger Verbündeter in der Ukrainefrage
Dass die USA damals eine unrühmliche Rolle spielten, ist Asselborn bewusst. „Nixon war Präsident und Kissinger war Außenminister, nur um das zu sagen …“, kommentiert er. Infolge des Putsches seien mehr als 100 Chilenen nach Luxemburg geflohen. „Es gibt Familien, die sind Jahrzehnte geblieben“, einige lebten noch heute dort, so der Minister.
Es gibt Familien, die sind Jahrzehnte geblieben.
Jean Asselborn über chilenische Flüchtlinge in Luxemburg
Von Dienstag bis Donnerstag weilte Asselborn zu einem Arbeitsbesuch in dem Andenstaat. Minister van Klaveren, der erst vor drei Wochen sein Amt angetreten hatte, sei ein Freund Luxemburgs, da er bis 2006 das Amt des chilenischen Botschafters in Belgien und Luxemburg innehatte, so Asselborn. Eine ermutigende Erkenntnis des Besuchs sei, dass Chile ein wichtiger Verbündeter in der Ukrainefrage sei. Als einziges Land in Südamerika bezeichne das Land Russland als Aggressor, „was ganz klar sagt: Hier wurde internationales Recht mit Füßen getreten.“ Chile betone eindeutig, dass die Souveränität der Ukraine gewährleistet bleiben müsse.
Bei seinen Gesprächen habe er die Botschaft mitbekommen, dass Chile sich ein stärkeres europäisches Engagement in Lateinamerika wünsche. Der Einfluss Chinas sei in den vergangenen Jahren stärker geworden, zulasten des amerikanischen Einflusses. Chile blicke auf Europa, bewundere Schengen und wünsche sich eine stärkere wirtschaftliche Kooperation.
Asselborn zeigt sich besorgt angesichts der innenpolitischen Lage. 2019 gab es große Unruhen in Chile aufgrund der sozialen Ungleichheit. Nun amtiert zwar seit knapp einem Jahr die Regierung des jungen und linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric. Doch das Land komme nicht wirklich zur Ruhe. „Es ist zurzeit so, dass sehr oft Demonstrationen ausarten. Es sind am Mittwoch Polizisten und Journalisten verletzt und 70 Menschen verhaftet worden.“ Hooligans würden sich unter friedliche Demonstranten mischen.
Der Versuch, die Verfassung aus Zeiten des Diktators Pinochet zu ersetzen, scheiterte im Herbst. Nun soll im Mai ein Verfassungsrat gebildet werden, um ein neues Grundgesetz auszuarbeiten. Die chilenische Regierung habe zudem bereits eine Kommission aus Experten eingesetzt, um einen Vorentwurf auszuarbeiten. Dies verdeutliche die Entschlossenheit chilenischen Regierung, die Arbeit an der neuen Verfassung besser zu betreuen und zu strukturieren, so Asselborn.
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