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Warnungen und Mahnungen zur Gedenkfeier in Auschwitz
International 7 6 Min. 27.01.2020 Aus unserem online-Archiv

Warnungen und Mahnungen zur Gedenkfeier in Auschwitz

Eine Überlebende wird während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz getröstet.

Warnungen und Mahnungen zur Gedenkfeier in Auschwitz

Eine Überlebende wird während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz getröstet.
Damian Klamka/ZUMA Wire/dpa
International 7 6 Min. 27.01.2020 Aus unserem online-Archiv

Warnungen und Mahnungen zur Gedenkfeier in Auschwitz

Vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das deutsche Konzentrationslager. Bei der internationalen Feier wendet sich Polens Präsident gegen eine Umdeutung der Geschichte und mahnt den Schutz der Wahrheit an.

(dpa) - 75 Jahre nach der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau hat Polens Präsident Andrzej Duda bei einer Feierstunde vor einem Verzerren der Geschichte gewarnt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte am Montag, bereits gegen Ansätze von Antisemitismus entschieden vorzugehen. Bei einer Gedenkveranstaltung im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer weltweiten Ausbreitung des Antisemitismus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einer „unerträglichen Wiederbelebung des Antisemitismus“ und kündigte einen unnachgiebigen Kampf dagegen an.

Die zentrale Zeremonie mit zahlreichen Ehrengästen, darunter Großherzog Henri und Premierminister Xavier Bettel, fand am Nachmittag in Polen in der Gedenkstätte am Standort des ehemaligen Konzentrationslagers statt.

Premier Xavier Bettel und Großherzog Henri vertreten Luxemburg in Auschwitz.
Premier Xavier Bettel und Großherzog Henri vertreten Luxemburg in Auschwitz.
Foto: AFP

Am 27. Januar 1945 hatten Einheiten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau erreicht und rund 7500 noch lebende Häftlinge befreit. Zum Gedenken fand am Montag in dem ehemaligen Konzentrationslager eine Feierstunde mit Delegationen aus rund 60 Ländern und Organisationen sowie 200 Überlebenden statt. In Berlin wurde ebenfalls an die Befreiung des Konzentrationslagers erinnert. Feierstunden gab es zudem in Paris und in Estlands Hauptstadt Tallinn.

Duda sagte, im Namen der Republik Polen erneuere er die Verpflichtung, die Erinnerung zu pflegen und die Wahrheit darüber zu schützen, was in Auschwitz passiert sei. Er forderte die Gäste dazu auf, vor den letzten Überlebenden und Augenzeugen die gemeinsame Verpflichtung einzugehen, „die Botschaft und die Warnung für die Menschheit, die von diesem Ort ausgehen, in die Zukunft zu tragen.“ 

Der Name Auschwitz hat sich als Synonym für den Holocaust und Inbegriff des Bösen weltweit ins Bewusstsein eingebrannt. Allein dort brachten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen um, zumeist Juden. In ganz Europa ermordeten sie während der Schoah etwa sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens.

Duda warnte zudem vor einer Umdeutung der Geschichte. „Das Verzerren der Geschichte, das Leugnen des Genozids und des Holocausts sowie eine Instrumentalisierung von Auschwitz zu jedwedem Ziel sind gleichbedeutend mit einer Entehrung des Gedenkens an die Opfer.“ Die Wahrheit über den Holocaust dürfe nicht sterben.

Duda spielte damit auch auf den Streit zwischen Warschau und Moskau über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs an. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vor Weihnachten Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gegeben. Duda hatte am Donnerstag nicht am internationalen Holocaust-Forum in Yad Vashem teilgenommen, weil er dort im Gegensatz zu Putin keine Rede halten durfte.    

Der polnische Präsident Andrzej Duda spricht bei der zentralen Gedenkfeier.
Der polnische Präsident Andrzej Duda spricht bei der zentralen Gedenkfeier.
AFP

 Dudas Absage hatte zu Verstimmungen zwischen Polen und Israel geführt. Vor der Gedenkfeier setzte Israels Präsident Reuven Rivlin auf eine versöhnliche Geste: Er lud Duda zu einem Besuch in seinem Land ein. Man wolle der polnischen Nation die Hand reichen und wieder zurück auf den gemeinsamen Weg finden, sagte Rivlin. Per Twitter schrieb er, man erinnere sich an den mutigen Kampf der Polen gegen Nazi-Deutschland. „Wir erinnern uns aber auch, dass viele Polen daneben standen und den Nazis sogar bei der Ermordung der Juden halfen.“  

Für den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender war es der erste Besuch in Auschwitz-Birkenau. Sie machten vor der Gedenkfeier einen Rundgang im ehemaligen Stammlager Auschwitz I, bei dem sie von drei Holocaust-Überlebenden begleitet, darunter Mano Höllenreiner. Im Alter von neun Jahren wurde er gemeinsam mit seiner Familie von den Nazis nach Auschwitz verschleppt. "So etwas darf nie mehr wiederkommen", sagte Höllenreiner vor dem Abflug zu Journalisten. Es sei ganz schlimm, "dass es schon wieder so viele Nazis gibt". Er könne deswegen manchmal nachts schon nicht mehr schlafen. "Das ist eine Schande für Deutschland", sagte Höllenreiner.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender besuchen das Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender besuchen das Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz.
Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/

Steinmeier sagte, man dürfe nicht nur über die Vergangenheit reden, sondern müsse es als bleibende Verantwortung begreifen, "den Anfängen zu wehren, auch in unserem Lande". Dies sei auch die Bitte der Überlebenden. "Die Zeiten sind andere heute, die Worte sind andere, die Taten sind andere, aber manchmal, wenn wir in diese Zeit schauen, haben wir den Eindruck, dass das Böse noch vorhanden ist."

Am Vormittag hatte Steinmeier im Berliner Schloss Bellevue drei Holocaust-Überlebende empfangen. Im Mittelpunkt des Gedenkprogramms in der deutschen Hauptstadt steht ein Konzert in der Staatsoper Unter den Linden, zu dem am Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erwartet werden. 


Auschwitz Oswiciem ©Christophe Olinger 17-20 janvier 2020
Auschwitz-Birkenau: Eindrücke aus der Hölle
75 Jahre nach seiner Befreiung hat das "Luxemburger Wort" den Ort, an dem sich das Unvollstellbare zugetragen hat, besucht.

In Paris sprach Präsident Emmanuel Macron am Vormittag vor 200 Menschen, darunter 50 Überlebende der Konzentrationslager, am Shoah Memorial. Macron würdigte die 76.000 Juden, die aus Frankreich deportiert worden waren, und geißelte ein "unerträgliches Wiederaufleben des Antisemitismus". Erst kürzlich hatte das französische Innenministerium einen Anstieg der Zahl antisemitischer Handlungen vermeldet. "Wir werden den Antisemitismus, den Rassismus in all seinen Formen, den Hass, der am helllichten Tag auftaucht, wie der, der sich im Schatten und in der Anonymität verbirgt, verfolgen", sagte das Staatsoberhaupt.

Dov Landau, Holocaust-Überlebender aus dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, zeigt während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz seine Häftlingsnummer.
Dov Landau, Holocaust-Überlebender aus dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, zeigt während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz seine Häftlingsnummer.
Emmi Korhonen/Lehtikuva/dpa

In Rom regte Papst Franziskus am Holocaust-Gedenktag die Menschen zu einem Moment der Stille an. Das Gedenken helfe, "nicht gleichgültig zu werden", schreibt das Kirchenoberhaupt auf Twitter. Und weiter: "Wenn wir die Erinnerung verlieren, machen wir die Zukunft zunichte." Bereits bei seinem Mittagsgebet am Sonntag hatte der Papst Katholiken in aller Welt für den 27. Januar zu Innehalten und Gebet aufgerufen. Angesichts der "ungeheuren Tragödie" der Schoah sei "Gleichgültigkeit nicht statthaft und Erinnerung eine Pflicht". Jeder müsse im eigenen Herzen sagen: "Nie wieder!", so der Papst.

In New York warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Ausbreitung des Antisemitismus weltweit. „Wir müssen dieses Phänomen als das benennen, was es ist“, sagte Guterres am Montag bei einer Gedenkveranstaltung im Hauptquartier der Vereinten Nationen. Der wachsende antisemitische Hass löse eine globale Krise aus. Der UN-Chef führte Verbrechen gegen Juden in den vergangenen Wochen in den USA an, betonte aber vor allem den signifikanten Anstieg antisemitischer Taten in Europa. In Frankreich und Großbritannien hätten die durch Judenhass motivierten Verbrechen deutlich zugenommen. Guterres erwähnte auch den Anschlag auf eine Synagoge in Halle im vergangenen Oktober.

Einen besonderen Schwerpunkt setzte am Montag der rheinland-pfälzische Landtag, indem er erstmals am Holocaust-Gedenktag die Verfolgung Homosexueller in den Mittelpunkt seiner Sitzung stellte. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bat im Rahmen des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur um Entschuldigung für die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller nach 1945. Zudem kritisierte sie die neue Rechte. "Die fortgesetzte Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer auch in Rheinland-Pfalz war bitteres Unrecht", so Dreyer am Montag während der Gedenksitzung des Landtags in der rheinhessischen Gedenkstätte KZ Osthofen.

Am Abend findet in Esch-Alzette eine Gedenkzeremonie die Opfer der Shoah statt. Sie beginnt um 19 Uhr auf der Place de la Synagogue. Um 20 Uhr folgt ein Konzert im Escher Theater. Ausrichter ist MemoShoah Luxemburg, eine Vereinigung geschichtsinteressierter Bürger. 


Auschwitz Oswiciem ©Christophe Olinger 17-20 janvier 2020
Dossier: 75 Jahre KZ-Befreiung
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit.

Am 27. Januar jährt sich zum 75. Mal die Befreiung der Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz im besetzten Polen. Allein dort brachten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen um. Einheiten der sowjetischen Roten Armee befreiten damals rund 7000 noch lebende Häftlinge. Viele von ihnen starben jedoch innerhalb kurzer Zeit an den Folgen von Hunger, Krankheiten und Erschöpfung.  (dpa/AFP/KNA)




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