Von der Leyen zum Sofagate: "Ich fühlte mich verletzt"
Von der Leyen zum Sofagate: "Ich fühlte mich verletzt"
Selten war die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen so kühn und klar wie am Montagabend. „Ich fühlte mich verletzt und alleingelassen, als Frau und als Europäerin“, sagte sie im Plenum des EU-Parlaments in Brüssel. Dort debattierten die Abgeordneten das sogenannte „Sofagate“ mit von der Leyen und dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel.
Zur Erinnerung: Bei einem Besuch von Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel Anfang April beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte die Sitzordnung und das Benehmen der EU-Spitzen für Kontroversen gesorgt: Während Michel neben Erdogan auf einem Chefstuhl sitzen durfte, musste von der Leyen – etwas im Abseits – auf einem Sofa Platz nehmen, das für untergeordnete Politiker oder Berater gedacht war. Die Bilder der Sitzszene, in denen von der Leyen sichtbar irritiert ist und Michel in einer ersten Phase genüsslich die Füße unter dem Stuhl streckt – sorgten für heftige Kritik in Brüssel und jenseits: Das „Sofagate“ war geboren.
Erdogan wurde dabei unterstellt, die EU vorzuführen und protzig-frauenfeindlich aufzutreten. Michel warf man vor, sich auf Kosten von Ursula von der Leyen wichtig zu machen und Erdogans Sexismus dafür in Kauf zu nehmen. Und über von der Leyen wurde gesagt, dass sie forscher hätte auftreten müssen und auf ihren eigenen Stuhl pochen. Kurz: Auf Augenhöhe mit einem Autokraten in der unmittelbaren Nachbarschaft gab die EU ein gespaltenes und schwaches Bild ab. Und am Montag wollte das EU-Parlament nun wissen: Was ist schiefgelaufen?
Von der Leyen hält starke Rede für Gleichberechtigung
Von der Leyen nutzte die Gelegenheit aber für ein politisches Plädoyer in Namen der Gleichberechtigung. „Dies zeigt, wie weit der Weg noch ist, bis Frauen als Gleiche behandelt werden“, sagte sie. „Ich wurde so behandelt, nur weil ich eine Frau bin“.
Sie selbst sei privilegiert, weil sie sich wehren könne, fuhr von der Leyen fort: Millionen Frauen, die täglich verletzt würden, könnten dies jedoch nicht – Tausende viel schlimmere Zwischenfälle würden nie bekannt.
Von der Leyen kritisierte dabei nicht nur Erdogan, sondern auch einzelne EU-Staaten. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz der Frauen gegen Gewalt sei ein furchtbares Signal. Doch sei es auch nicht akzeptabel, das einige EU-Staaten das Abkommen noch nicht ratifiziert hätten und andere über eine Abkehr nachdächten. „Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein Verbrechen“. Die Kommissionspräsidentin versprach auch weitere Schritte in Richtung Gendergleichheit in der EU-Kommission – und forderte EU-Rat und Parlament auf, das Gleiche zu tun.
Michel unter Beschuss
Am Montag wurde demnach klar, dass von der Leyen das „Sofagate“ nicht ruhen lassen will – anders als Charles Michel. Er habe mehrmals öffentlich sein Bedauern ausgedrückt und mit von der Leyen vereinbart, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe, sagte er. Er rechtfertigte seine Reaktion in Ankara, indem er sagte, er hätte keine diplomatische Krise auslösen wollen.
Eine Mehrheit der Abgeordneten stärkte von der Leyen dabei den Rücken, allerdings gab es auch ausreichend Kritik gegenüber der Substanz der Gespräche mit Erdogan. Der Türkei gegenüber sei die EU „sehr schwach“, sagte etwa Ska Keller, die Chefin der EU-Grünen. Die EU ignoriere dabei Menschenrechte. Und den EU-Türkeil-Deal zur Eindämmung der Flüchtlingsströme nannte Keller ein „geopolitisches Desaster“, weil er die Union von Erdogan abhängig mache.
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