US-Gesundheitssystem ächzt unter Corona-Krise
US-Gesundheitssystem ächzt unter Corona-Krise
Von LW-Korrespondent Thomas Spang (Washington)
Die Hilferufe kommen direkt von der Front im Kampf gegen den Erreger. Von Krankenhäusern, die fürchten, nicht genügend Betten und Ventilatoren für Covid-19-Patienten zu haben, von Ärzten, die Verdachtsfälle noch immer nicht zeitnah testen können und Pflegepersonal, das über fehlende Schutzmasken klagt. “Der Himmel bricht über uns zusammen”, schlägt die New Yorker Ärztin Cornelia Griggs Alarm.
“Wenn wir Infektionen in der Größenordnungen von Italien bekommen, dann werden wir nicht genügend Ventilatoren haben.” In dem 4.000 Betten großen “New York City”-Hospital stünden genau 500 Beatmungsgeräte zur Verfügung mit 250, die noch aktiviert werden könnten. Es seien nicht genügend Handschuhe, Masken und Augenschutz vorhanden. “Wir brauchen dringend mehr Ausrüstung.”
In San Francisco, einem anderen Zentrum der Corona-Krise, ist die Situation genauso dramatisch. “Das bringt mich um den Schlaf”, sagt Dr. Jeanne Noble, die für die Covid-19-Strategie des Universitätskrankenhauses von San Francisco zuständig ist. Mangels Testkapazitäten habe die Klinik “innerhalb von 24 Stunden einen Drei-Monats-Vorrat an Masken durchgebracht.”
Engpässe in den Laboren
Engpässe gibt es auch für die Substanzen, die in den Laboren benötigt werden, die entnommenen Proben zu untersuchen. Die “American Society for Microbiology” äußerte sich darüber “tief besorgt”. In der Praxis bedeutet das für Patienten wie Tim Herrera stundenlanges Herumirren.
Der Mitarbeiter der “New York Times” berichtet von zwölf Telefonaten, zwei Stunden im Krankenhaus und vier ängstlichen Tage des Wartens bis auf einem Portal im Internet ein Testergebnis vorliegt. Da Herrera nicht zur Risikogruppe gehört und von zu Hause aus arbeiten kann, findet er sich in einer besseren Situation wieder wie Millionen Amerikaner.
Bevor der Kongress im Rahmen der “Corona”-Gesetzgebung die Übernahme der Test- und Behandlungskosten beschloss, drohte den 28 Millionen Unversicherten eine satte Rechnung. Experten befürchten, dass viele Betroffene aus dieser Gruppe erst dann Hilfe suchen, wenn es nicht mehr anders geht. Und damit zur Verbreitung des Virus beitragen.
“Das ist ein einzigartiges Problem in den USA”, sagt Larry Levitt von der auf Gesundheitsfragen spezialisierten “Kaiser Family Foundation”. Hinzu kommt die geringe Verbreitung von bezahlten Krankheitstagen. Rund ein Viertel der Beschäftigten in den USA werden nicht bezahlt, wenn sie sich unwohl fühlen und zuhause bleiben.
Ein “Flickenteppich”
Während der Kongress auch hierfür eine Kurzzeitmaßnahme beschlossen hat, kommen davon Millionen Kleinst-Unternehmer wie Taxifahrer, Bedienungen in Restaurants oder Reinigungspersonal nicht in den Genuss. Experten beschreiben das amerikanische Gesundheitssystem als einen “Flickenteppich”. Es fängt damit an, dass es kaum mehr Hausärzte gibt - nur noch drei für zehntausend Menschen.
Das hat unter anderem mit den hohen Kosten der Ausbildung zu tun, die fertige Mediziner in die Spezialisierung treibt. Das Gewinn-Streben der privaten Krankenhäuser führt nach Ansicht von Experten wie Eric Toner vom “Johns Hopkins Center for Health Security” auch dazu, dass es nur die absolut notwendige Zahl an Betten gibt. “Intensiv-Stationen sind unglaublich teuer.”
Langsam dämmert es auch US-Präsident Donald Trump, dass angesichts der rasant steigenden Fallzahlen schnell etwas geschehen muss. Er befahl den beiden Krankenhausschiffen USS Comfort und USS Mercy nach New York und Kalifornien aufzubrechen. Das Pentagon gab aus seiner Reserve kurzfristig fünf Millionen Schutzmasken frei, öffnete 16 zusätzliche Labore für Tests und stellt 2.000 Ventilatoren bereit.
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