Trump mobilisiert mit Angst vor Flüchtlingstreck aus Zentralamerika
Trump mobilisiert mit Angst vor Flüchtlingstreck aus Zentralamerika
Von LW-Korrespondent Thomas Spang (Washington)
Besser hätten es sich die Wahlkampfplaner der Republikaner nicht ausdenken können. Knapp drei Wochen vor den Kongresswahlen flimmern Bilder von einem langen Flüchtlingstreck aus Honduras, El Salvador und Guatemala über die Mattscheibe. Nachdem tausende Menschen auf der Flucht vor Gewalt in ihrer Heimat die Grenze zu Mexiko überquert haben, bewegt sich der Marsch nun Richtung USA.
Ein gefundenes Fressen für Trump, der versucht, für seine bedrängten Senats-Kandidaten in den Grenzstaaten Arizona und Texas, Martha McSally und Ted Cruz, die rechten Stammwähler zu mobilisieren. Beide liegen in eigentlich verlässlich republikanischen Staaten Kopf an Kopf mit ihren demokratischen Herausforderern Kyrsten Sinema und Beto O'Rourke.
Am Montag wollte Trump auf einer Kundgebung in Texas für Cruz mobilisieren, am Freitag trat er in Arizona auf. In dem Flüchtlingszug aus Zentralamerika befänden sich "einige schlechte Leute", peitschte der Präsident tausende Anhänger in Mesa auf. "Die Demokraten denken, unser Land sollte ein gigantischer 'sicherer Hafen' für kriminelle Ausländer sein." Das werde er nicht zulassen. "Dieses Land will sie nicht haben."
US-Militär könnte Flüchtlinge stoppen
Bereits seit Tagen versucht Trump mit immer extremeren Botschaften, die für ihn äußerst unangenehme "Khashoggi-Affäre" aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Erst drohte er Mexiko damit, den NAFTA-Kompromiss platzen zu lassen, wenn das Nachbarland die Flüchtlinge nicht stoppe. Dann dachte er laut über die Entsendung des Militärs an die Grenze nach.
Mit viel Mühe redeten Berater dem Präsidenten aus, alle Grenzübergänge zu Mexiko zu schließen. Ihm liege das Thema "Einwanderung" mehr am Herzen als mögliche Konsequenzen für Handel und bilaterale Beziehungen, ventilierte Trump anschließend.
So sehr der Präsident die Flüchtlinge benutzt, die Basis in den für die Mehrheit im Senat wichtigen Grenzstaaten Arizona und Texas zu mobilisieren, so wenig löst das die tatsächliche Krise. Nie zuvor nahmen die Grenzbeamten der "Border Patrol" so viele Familien fest wie im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr der Regierung. Erstmals in der Geschichte überstieg die Zahl die 100.000-Marke.
Flucht vor Gewalt und Korruption
Angetrieben wird der Flüchtlingsstrom von Drogenkartellen und Gangs in den urbanen Zentren Zentralamerikas, die Familien aus Sorge um Zwangsrekrutierungen ihrer Kinder, Erpressung und Gewalt fliehen lassen. Verschärft wird das Problem durch die Deportation von Gangmitgliedern und Kriminellen aus den USA, überforderten Sicherheitskräften vor Ort und Korruption.
Die Washington Post berichtet über einen lautstarken Streit zwischen Sicherheitsberater John Bolton und Stabschef John Kelly, der in dem wutschnaubenden Abmarsch Kellys aus dem Weißen Haus mündete. Bolton hatte sich, wie viele andere Hardliner in der Regierung, über die Amtsführung von Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen beklagt, die für die Grenzsicherung zuständig ist.
Das Weiße Haus räumte den Konflikt ein und erklärte, der Streit sei inzwischen beigelegt. Auf eine konkrete Maßnahmenliste konnte sich die von Nielsen geleitete Arbeitsgruppe bisher nicht verständigen.
Umstrittene "Wahl"
Erwogen wird unter anderem die Rückkehr der gerichtlich gestoppten Zwangstrennung von Flüchtlingsfamilien an der Grenze. Dafür sollen die Eltern dann vor die "binäre Wahl" gestellt werden, ihre Kinder "freiwillig" zur Heimunterbringung abzugeben oder diese mit den Flüchtlingen in Lager zu sperren.
Die Verstärkung der bereits im Sommer ohne großen Effekt an die Grenze geschickten Nationalgardisten, eine Verschärfung der Asylkriterien und Schnellverfahren an der Grenze gehören zu den anderen Optionen.
Von der neuen "schönen, großen Mauer" entlang der 2.000 Meilen langen Grenze gibt es bislang übrigens nur Modelle, weil der Kongress das Geld für das Milliardenprojekt nicht bereitstellen will.
Analysten sagen, die Krise in Mittelamerika helfe Trump im Wahlkampf. Je näher der Flüchtlingszug der inzwischen mehr als 5.000 Menschen an die Grenze kommt, desto mehr könne er das Thema benutzen, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Dem Shootingstar der Demokraten in Texas, O'Rourke, hält er vor, mit seiner Nachgiebigkeit den Wohlstand des Bundesstaates zu gefährden. "Ihm wird niemals erlaubt, Texas in ein Venezuela verwandeln zu dürfen."
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