Trump gerät wegen Familientrennung an der Grenze unter Druck
Trump gerät wegen Familientrennung an der Grenze unter Druck
Von LW-Korrespondent Thomas Spang (Washington)
John Moore hat in seinem Leben als Kriegsreporter und Begleiter von Flüchtlingstrecks schon einiges gesehen. Was er kürzlich in der Nacht am Rio Grande erlebte, lässt ihn nicht mehr los. Es ist das Bild eines zweijährigen Mädchens, das sich die Augen aus dem Kopf weint, während ihre Mutter von US-Grenzern durchsucht wird.
Die beiden waren kurz zuvor an Bord eines Schlauchboots mit anderen Flüchtlingen von der mexikanischen Seite übergesetzt. Drüben warteten schon die Beamten der „Border Patrol“, um die Menschen festzunehmen. Seit dem 7. Mai ist der Grenzübertritt ohne Papiere nach der neuen Null- Toleranz-Politik Donald Trumps eine Straftat – egal aus welchem Grund.
Instinktive Angst
Seitdem werden Familien, die vor Gewalt in Zentralamerika fliehen, wie Kriminelle behandelt. Dazu gehört auch, dass die US-Grenzer Eltern die Kinder wegnehmen und in Lager stecken. Getty-Fotograf Moore sagt, das kleine Mädchen habe instinktiv geahnt, dass Gefahr droht. „Diese Situation zeigt, was Trennungsangst bedeutet“. Das Bild des weinenden Mädchens verbreitete sich in Windeseile in den sozialen Medien und ist nun das Symbol der Null-Toleranz-Politik des Präsidenten.
Verstärkt wird es durch ein Tondokument, das dem Journalistennetzwerk „Pro Publica“ aus einem der Übergangslager an der Grenze zu Mexiko zugespielt wurde. Zu hören sind verzweifelte Stimmen von Kindern, die nach Mama und Papa rufen. „Wir haben ein Orchester hier“, witzelt ein US-Grenzer über die Angst der Kleinkinder, die oft nicht mehr als diese beiden Worte sagen können. „Es fehlt nur noch ein Dirigent.“
Binnen der wenigen Wochen seit Bekanntgabe der harschen Maßnahmen von Justizminister Jeff Session schnellte die Zahl der „entführten Kinder“ auf über 2 300 an. Mit jedem neuen Detail, das ins öffentliche Bewusstsein dringt, gerät die Regierung stärker unter Druck.
Der lautstarke Widerspruch reicht von der säkularen Bürgerrechtsorganisation ACLU über die katholische Bischofskonferenz bis hin zu erzkonservativen Republikanern, wie der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Senator Ted Cruz. Alle noch lebenden First Ladies äußerten indessen ihre Abscheu über die „grausame“ Praxis. Und alle 49 demokratischen Senatoren brachten inzwischen ein Gesetz ein, das die Zwangstrennung an der Grenze explizit verbietet.
Bei den Republikanern bleibt es vorerst bei Lippenbekenntnissen. Den scharfen Worten einiger Abgeordneter in den sozialen Medien, folgen wie so oft in der Vergangenheit keine Taten. Sie fürchten den langen Arm Präsident Trumps mehr als eine Bestrafung bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November.
Fake News
Zumal bereits eine Kampagne in den Trump-nahen Medien unterwegs ist, die das humanitäre Drama an der Grenze als Erfindung der Linken abtut. Fox-Moderatorin Laura Ingraham spielte die Unterbringung hinter Maschendraht als „Sommer-Lager“ herunter, während Ann Coulter den Präsidenten sogar davor warnt, die verzweifelten Kinder seien „Krisenschauspieler“. Trump schickte derweil First Lady Melania vor, Sympathien zu bekunden. Ganz wie der Präsident tat sie so, als sei die Zwangstrennung unvermeidbar, weil sich „beide Seiten“ im Kongress nicht auf eine Reform der Einwanderung verständigen könnten.
Trump selbst zeigte mit dem Finger direkt auf die Demokraten und behauptete fälschlich, ein Gesetz Barack Obamas sei für die Zwangstrennung der Familien verantwortlich. Allerdings gibt es nachweislich kein Gesetz, dass die Familientrennung vorschreibt.
Heimatschutzministerin Kirsten Nielsen, die für die Umsetzung von Trumps Einwanderungspolitik verantwortlich ist, nimmt es mit der Wahrheit auch nicht so genau: „Wir haben keine Politik, die Familien an der Grenze trennt. Punkt“, twitterte sie eine glatte Lüge. Vor Reportern im Weißen Haus stritt sie die unmenschliche Situation an der Grenze wahlweise ab oder beschuldigte den Kongress.
„Selbst Schuld“
Justizminister Jeff Sessions schob bei einer Konferenz der „National Sheriffs Association“ den Flüchtlingen selbst die Schuld in die Schuhe. Personen, die ohne Papiere in die USA kämen, seien nun einmal Kriminelle. „Wenn wir eine Mauer bauen, Gesetzgebung beschließen, die die Gesetzlosigkeit beendet, blieben uns so schreckliche Entscheidungen erspart.“
Für den ehemaligen CIA-Direktor unter US-Präsident George W. Bush, Michael Hayden, stehen die Vereinigten Staaten vor einer Nagelprobe der Zivilgesellschaft. Bushs ehemaliger Spionagechef twitterte ein Bild des Konzentrationslagers in Birkenau. Darunter schrieb er den Satz: „Andere Regierungen haben Mütter von ihren Kindern getrennt.“
Auf CNN verteidigte Hayden den Vergleich mit dem erratischen Verhalten des Präsidenten. „Wir sind die am stärksten destabilisierende Kraft in der Welt.“
