Studie belegt Gewalt und Missbrauch an Internat in der Eifel
Studie belegt Gewalt und Missbrauch an Internat in der Eifel
(KNA) - Am früheren Internat Albertinum des Bistums Trier haben viele Jungen laut einer unabhängigen Studie körperliche und psychische, manche auch sexualisierte Gewalt erlebt.
In dem am Freitag in Trier vorgestellten Abschlussbericht heißt es: „Die Ergebnisse der Aufarbeitung lassen keinen Zweifel daran, dass Gewalt während des Aufenthalts im Internat Albertinum Gerolstein zentraler Bestandteil des Alltags vieler Jungen war.“ Dazu schilderten 54 Betroffene in Interviews oder schriftlich ihre Erlebnisse, außerdem einige Beschäftigte des Internats. Bischof Stephan Ackermann sagte, die persönlichen Schilderungen hätten ihn schmerzlich berührt und beschämt.
Der Bericht nennt zwölf Beschuldigte. Dazu zählen alle drei langjährigen Direktoren, die Priester waren, außerdem neun Mitarbeiter des Internats. Sie sollen körperlich und psychisch Gewalt ausgeübt haben. Vier Mitarbeiter, darunter die drei Priester, sollen demnach sexuelle Gewalt ausgeübt haben.
Die ehemaligen Schüler berichteten den Expertinnen von Stockschlägen, vom Ziehen an den Haaren sowie vom speziellen Kneifen und Verdrehen der Wangen. Es gab Gertenschläge auf den Po und Essenszwang „bis zum Erbrechen“. Zu sexuellen Übergriffen zählten gezielte Berührungen des Penis bis zur Penetration. Psychische Gewalt habe sich bemerkt gemacht durch Einschüchterungen, Androhungen, unterlassene Hilfeleistung und Einsperren über einen längeren Zeitraum.
Eine ununterbrochene Gewaltgeschichte
Das bischöfliche Jungen-Internat im rheinland-pfälzischen Gerolstein bestand von 1946 bis 1983. Das Aufarbeitungsprojekt startete im Herbst 2019. Anlass waren Berichte ehemaliger Schüler zu Gewalterfahrungen am Albertinum.
Das Bistum Trier finanzierte das Projekt, die Leitung liegt bei der Erziehungswissenschaftlerin Claudia Bundschuh und der Rechtsanwältin Bettina Janssen.
Die Ergebnisse der Aufarbeitung lassen keinen Zweifel daran, dass Gewalt während des Aufenthalts im Internat Albertinum Gerolstein zentraler Bestandteil des Alltags vieler Jungen war.
Aus dem Abschlussbericht
Laut dem Bericht hat das Bistum als Träger das Internat vernachlässigt und unzureichend kontrolliert. Bei dem Internat habe es sich um ein geschlossenes System gehandelt, Kontakt der Jungen zu anderen sei unterbunden worden. Dadurch sei den Jungen erschwert worden, „korrigierende Erfahrungen“ zu machen. Einige erlebten in der Folge Einsamkeit, Ohnmachtsgefühle, Angst, Selbstzweifel, teilweise Suizidgedanken, Depressionen, Suchterkrankungen. Manche kämpften bis heute mit dem Erlebten.
Mangel an Aufsicht und Engagement
Bischof Ackermann sagte, der Bericht lasse keinen Zweifel, dass die Geschichte des Hauses eine "ununterbrochene Gewaltgeschichte gewesen ist". Das Bistum habe das Internat stiefmütterlich behandelt, vernachlässigt und als bischöfliches Konvikt „zweiter Klasse“ behandelt. Es habe an wirksamer Aufsicht und an Engagement gefehlt. Er griff die Forderung der Betroffenen nach einer materiellen Anerkennung der erlittenen Gewalt auf: „Hierzu würde ich gerne mit Vertretern der Betroffenen selbst ins Gespräch kommen, um darüber nachzudenken, wie eine angemessene Lösung diesbezüglich aussehen könnte.“
Er bat die ehemaligen Internatsschüler um Verzeihung, „für das, was Ihnen an Schmerz in einer Institution des Bistums zugefügt worden ist“. Es beschäme ihn, dass Kindern und Jugendlichen dies widerfahren sei. Es sei „richtig und wichtig“, dass diese dunkle Seite des Albertinums nun öffentlich sei und die Täter beim Namen genannt würden. Der letzte der drei Leiter des Internats war 2007 gestorben.
„Nachlässigkeit macht schuldig“
Ackermann sagte, am Beispiel des Albertinums könne man sehen, „dass und wie Bistumsverantwortliche sich auch dann schuldig machen, selbst wenn sie nicht aktiv vertuschen, sondern in der Führung von Bistumseinrichtungen nachlässig sind“.
Er sagte den ehemaligen Schülern wie dem Lenkungsausschuss zu, den Bericht an die bischöfliche Behörde weiterzuleiten - mit dem Auftrag zu überprüfen, ob und wo heute möglicherweise vergleichbare Lücken bestehen. Das Aufarbeitungsprojekt hatte im Oktober 2019 begonnen. Im Internat Albertinum Gerolstein im Kreis Vulkaneifel waren Schüler untergebracht, die ein benachbartes Gymnasium besuchten.
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