Starker Zuwachs für Rechtspopulisten
Starker Zuwachs für Rechtspopulisten
Berlin (dpa) - Unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise haben die Landtagswahlen vom Sonntag die Parteienlandschaft gehörig durcheinandergewirbelt. Der triumphale Durchmarsch der AfD in die Parlamente von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt macht die Regierungsbildung schwierig. In allen drei Ländern sind die bisherigen Koalitionen abgewählt - die Ministerpräsidenten selbst können dennoch hoffen, in anderer Konstellation weiterzuregieren. Die einstigen Volksparteien CDU und SPD erlebten historische Niederlagen, die Grünen in Baden-Württemberg einen historischen Sieg. Der wichtigste Wahltermin seit der Bundestagswahl galt als Abstimmung auch über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
In Baden-Württemberg sind die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann erstmals in der deutschen Geschichte stärkste Partei. Allerdings reicht es nicht für eine Fortsetzung der bundesweit ersten grün-roten Koalition.
Im Duell der Frauen in Rheinland-Pfalz verweist die SPD von Regierungschefin Malu Dreyer die CDU von Herausforderin Julia Klöckner nach dramatischem Wahlkampfendspurt doch noch auf Platz zwei - Rot-Grün ist aber passé.
In Sachsen-Anhalt erhält die im Zuge der Flüchtlingskrise aufgestiegene AfD, die nunmehr in 8 der 16 Landtage sitzt, ein Rekordergebnis: Mit 24,2 bis 24,4 Prozent ist sie dort zweitstärkste Partei. Nach Angaben der ARD-Wahlforscher hat eine außerparlamentarische Partei dies noch nie geschafft. Zu verdanken haben sie das demnach vor allem früheren Nichtwählern. Allerdings will mit den Rechtspopulisten, die auch in den beiden anderen Ländern zweistellig sind, niemand koalieren.
Die erst 2013 gegründete AfD wurde in Sachsen-Anhalt mit weit über 20 Prozent zweitstärkste Partei. Auch in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz kam sie auf zweistellige Ergebnisse. Die Wahlen galten als ein Stimmungstest für Merkel mitten in der Flüchtlingskrise. Angesichts der umstrittenen Öffnung der Grenzen für Schutzsuchende im vorigen Herbst war mit Verlusten für die Christdemokraten gerechnet worden.
Zu den Verlierern zählen auch die auf Bundesebene mitregierenden Sozialdemokraten sowie die Grünen. In Baden-Württemberg verlor die mit Kretschmann verbündete SPD weit mehr Stimmen als die Grünen gewannen. In Sachsen-Anhalt, wo sie Juniorpartner der Christdemokraten ist, wurde die SPD nur viertstärkste Partei.
Die Grünen schnitten außerhalb von Baden-Württemberg ebenfalls schwach ab. In Rheinland-Pfalz, wo sie Regierungspartei sind, lagen sie nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Die in den vergangenen Jahren in ganz Deutschland schwächelnden Liberalen (FDP) schafften den Einzug in die beiden westdeutschen Parlamente. In Sachsen-Anhalt lagen sie nahe an der Fünf-Prozent-Hürde.
Kretschmann zeigte sich am Abend in Siegerlaune. „Das Ergebnis ist hervorragend, furios, die Baden-Württemberger haben noch einmal Geschichte geschrieben“, sagte der grüne Landesvater und erhob Anspruch auf die Regierungsbildung. Dreyer sagte, sie wolle nun Gespräche mit Grünen und FDP führen. Auch Haseloff bekräftigte den Anspruch auf Führung der Landesregierung. „Wir werden in Sachsen-Anhalt eine stabile Regierung der Mitte bilden“, sagte er.
Die AfD ist nach Angaben ihrer Co-Vorsitzenden Frauke Petry auf die Arbeit in der Opposition vorbereitet. „Wir haben uns bereits lange vor diesem Wahlkampf darauf eingerichtet, in der Opposition zu arbeiten“, sagte Petry am Sonntagabend in der ARD nach den Erfolgen ihrer Partei bei drei Landtagswahlen. „Das ist für eine junge politische Kraft auch ganz normal, dass man in der Opposition beginnt. Auch da kann man Dinge bewegen.“
Vorläufiges Endergebnis
Baden-Württemberg. Die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben die Landtagswahl im deutschen Bundesland Baden-Württemberg gewonnen und die Christdemokraten als stärkste Partei klar abgelöst.
Für eine Neuauflage der grün-roten Regierung reicht es wegen des schlechten Abschneidens der SPD allerdings nicht. Möglich wäre stattdessen ein grün-schwarzes Bündnis oder eine Dreier-Koalition.
Nach Auszählung aller Wahlkreise kommen die Grünen auf 30,3 Prozent - ein Plus von 6,1 Punkten im Vergleich zur Wahl 2011. Die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel erreicht nur noch 27,0 Prozent, das sind 12 Punkte weniger als 2011. Die Sozialdemokraten verloren 10,4 Punkte und landen mit 12,7 Prozent noch hinter der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), die aus dem Stand 15,1 Prozent erreicht. Die FDP (Liberale) erreicht 8,3 Prozent, 3,0 Punkte mehr als bei der Wahl im Jahr 2011. Die Linke schafft den Sprung in den Landtag mit 2,9 Prozent auch diesmal nicht. Für die Sitzverteilung bedeutet das: Die Grünen sind künftig mit 47 Abgeordneten im Landtag vertreten, die CDU mit 42, die AfD mit 23, die SPD mit 19 und die FDP mit 12. Die Wahlbeteiligung liegt den Angaben zufolge bei 70,4 Prozent, das sind 4,1 Punkte mehr als 2011.
In Rheinland-Pfalz wurde die seit 25 Jahren regierende SPD nach jahrelanger Umfrageschwäche mit 36,2 Prozent (2011: 35,7) doch wieder stärkste Partei. Die CDU erreichte 31,8 Prozent, die AfD 12,6 Prozent, die FDP 6,2 und die Grünen 5,3 Prozent.
Hochrechnung
In Sachsen-Anhalt verliert die seit 2002 regierende CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff nach den Hochrechnungen (ca. 22.00 Uhr) etwas. Mit 29,8 Prozent (2011: 32,5) verteidigt sie aber ihre Position als stärkste Partei. Allerdings wird ihr Juniorpartner SPD wie in Baden-Württemberg halbiert: 10,6 bis 10,7 Prozent (21,5) sind zum Weiterregieren zu wenig. Die Linke fällt mit nur noch 16,2 bis 16,3 Prozent (23,7) hinter die AfD als neue Nummer zwei zurück. Die Grünen bangten am Abend mit 5,1 bis 5,2 Prozent (7,1) um den Verbleib im Landtag. Die FDP scheitert mit 4,8 bis 4,9 Prozent (3,8) erneut.
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