SPD verteidigt Absage an Koalitionsgespräche
SPD verteidigt Absage an Koalitionsgespräche
(dpa) - Die SPD wird nach ihrem Fiasko bei der Bundestagswahl gedrängt, ihre Absage an jegliche Koalitionsbeteiligung zu überdenken - sträubt sich aber.
„Wenn Jamaika-Sondierungen kein Ergebnis bringen, das ist ja durchaus auch möglich, dann muss die SPD bereitstehen“, sagte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Angesichts der Differenzen zwischen FDP und Grünen wird nicht ausgeschlossen, dass ein Dreierbündnis mit der Union nicht zustande kommt. Es könne nicht sein, dann vorschnell über Neuwahlen zu reden, erklärte Peter. „Die SPD ist gefordert, hier im demokratischen Gefüge mit allen anderen zu überlegen, wie es weitergehen kann.“
Absage bekräftigt
Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig verteidigte die Absage ihrer Partei und wies auf die Notwendigkeit einer starken Opposition jenseits der AfD hin. „Diese starke AfD, das ist so, wird nicht nur den Deutschen Bundestag, sondern auch unser Land verändern“, sagte sie in der ARD-Sendung „Anne Will“. „Und deshalb braucht es eine lebendige Opposition. Und da übernehmen wir als stärkste Oppositionskraft diese Rolle und überlassen sie eben nicht der AfD.“
SPD-Chef Martin Schulz hatte angekündigt, seine Partei werde angesichts ihres Rekordtiefs in die Opposition gehen und stehe nicht für Gespräche über eine neue große Koalition zur Verfügung. Auch Union und FDP hatten die SPD gedrängt, sich nicht zu verweigern.
Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer kritisierte die Absage der Sozialdemokraten als vorschnell. „Das sollte man vielleicht nicht direkt am Wahlabend eine halbe Stunde nach den ersten Hochrechnungen sagen“, erklärte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Niedermayer rief die Sozialdemokraten auf, zumindest abzuwarten, wie die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen laufen.
Am Montag wollen die Gremien der Parteien über die Konsequenzen aus dem Wahlausgang beraten. Die Bildung einer schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition ist außer einer großen Koalition die einzig denkbare Regierungsvariante. Allerdings gibt es gegen ein solches Bündnis bei FDP und Grünen Vorbehalte.
Der CDU-Wirtschaftsrat verlangte von den Grünen, sich von „realitätsfernen Forderungen“ in möglichen Gesprächen zu verabschieden. „Die Grünen müssen endlich ihren Frieden mit dem Industriestandort Deutschland machen“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der dpa. Forderungen nach einem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor 2030 seien beispielsweise „fern der Realität“.
Die Union hatte am Sonntag den größten Verlust ihrer Geschichte hinnehmen müssen. Zusätzliche Brisanz birgt für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass auch die Schwesterpartei CSU in Bayern massiv abgestraft wurde. Der unionsinterne Streit über Merkels Flüchtlingskurs könnte nun erneut entflammen.
Niederlage für Union - Aufschwung für Rechts
Der Erfolg der AfD reiht sich ein in den seit Jahren zu beobachtenden Aufschwung von Rechtspopulisten in Europa. Die Vorsitzende der Jungsozialisten, Johanna Uekermann, wertete den Wahlausgang als „historische Niederlage“ für die Volksparteien sowie die Demokratie insgesamt. Wenn es keine Polarisierung zwischen den Volksparteien gebe, stärke das undemokratische Parteien wie die AfD, sagte sie der dpa. „Das muss die zentrale Lehre aus diesem Wahlabend sein.“
Saar-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) rief die etablierten Parteien zur sachlichen Auseinandersetzung mit der AfD auf. „Auf die demokratischen Kräfte wird die Aufgabe zukommen, eine schmale Gratwanderung zu gehen und die AfD in der Sache anzunehmen und nicht ihr Spiel der gezielten Provokationen mitzugehen“, sagt sie der dpa. In Deutschland seien „rechtspopulistische Kräfte nach linkspopulistischen Kräften eingezogen, so wie das in vielen anderen Staaten Europas und in der Welt auch der Fall ist“. Sie fügte hinzu: „Wir sind mittlerweile als Demokratie so gefestigt, dass wir damit umgehen können.“
Vorläufiges Endergebnis
Nach dem vorläufigen Endergebnis fiel die Union auf ihr schwächstes Ergebnis seit 1949: 33 Prozent (2013: 41,5). Die SPD stürzte auf ein Rekordtief von 20,5 Prozent (25,7). Die AfD, 2013 noch knapp gescheitert, legt mit 12,6 Prozent auf knapp das Dreifache zu (4,7). Die FDP kehrt mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurück (4,8). Die Linken verbuchen 9,2 Prozent (8,6), die Grünen 8,9 (8,4).
Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag in der neuen Wahlperiode so groß wie nie zuvor. Die Sitzverteilung sieht nach Angaben des Bundeswahlleiters so aus: CDU/CSU: 246 Mandate, SPD: 153, AfD: 94, FDP: 80, Linke: 69, Grüne: 67.
Die Wahlbeteiligung betrug 76,2 Prozent (2013: 71,5).
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