SPD liegt bei Bundestagswahl auf Platz eins - Union gibt nicht auf
SPD liegt bei Bundestagswahl auf Platz eins - Union gibt nicht auf
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(dpa/jt/jwi) - Die deutschen Sozialdemokraten haben die Bundestagswahl knapp vor den Konservativen von CDU/CSU gewonnen.
Die Christdemokraten der scheidenden Regierungschefin erlitten empfindliche Verluste und erzielten ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949. Dagegen konnten die Sozialdemokraten im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren kräftig zulegen. Zu den Gewinnern des Abends gehören auch die Grünen, wenngleich sie mit dem Griff nach der Kanzlerschaft scheiterten.
In der Nacht auf Montag kam die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf 25,7 Prozent (2017: 20,5). Die CDU/CSU mit Spitzenmann Armin Laschet büßte rund 8,8 Punkte ein und landete bei 24,1 Prozent (2017: 32,9).
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Grüne verdoppeln Stimmenanteil
Auf dem dritten Platz rangieren die Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit 14,8 (2017: 8,9), ihr bisher bestes Bundestagswahlergebnis.
Die rechtspopulistische AfD erreichte 10,3 Prozent (2017: 12,6), die FDP (Liberale) 11,5 Prozent (2017: 10,7). Die Partei die Linke kam auf 4,9 Prozent (2017: 9,2).
Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung im neuen Bundestag: Die SPD holt 206 Mandate, die Union 196. Die Grünen kommen auf 118 Sitze. Die FDP zieht mit 92 Abgeordneten in den Bundestag ein, die AfD mit 83 und die Linke mit 39 Abgeordneten.
Gut 60 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, über die politischen Kräfteverhältnisse in Europas größter Volkswirtschaft für die kommenden vier Jahre zu entscheiden. Die Wahlbeteiligung lag bei 79 Prozent (2017: 76,2).
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Jamaika oder Ampel
Danach könnte Scholz mit einer „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regieren. Für ein rot-grün-rotes Linksbündnis mit Grünen und Linkspartei würde es nicht reichen. SPD und CDU/CSU könnten ihre schwarz-rote Koalition nach den Zahlen vom Sonntagabend theoretisch fortsetzen, doch wird dies von keiner Seite gewünscht.
Laschet könnte seinerseits versuchen, eine „Jamaika-Koalition“ (Schwarz-Gelb-Grün) mit FDP und Grünen zu bilden. „Ampel“ und „Jamaika“ hat es in Deutschland bisher nur auf Länderebene gegeben.
„Wir werden alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden“, sagte Laschet in einer ersten Reaktion. Eine Stimme für die Union sei eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat am Morgen nach der deutschen Bundestagswahl den Anspruch der Sozialdemokraten zur Regierungsbildung bekräftigt. Die SPD habe den Auftrag bekommen, die Regierung zu bilden - im Bund, und bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, sagte Scholz am Montag im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Die Wählerinnen und Wähler hätten drei Parteien gestärkt, sagte er mit Blick auf SPD, Grüne und FDP. Dies sei ein „sichtbarer Auftrag“ für eine Regierung. Die Union hingegen solle nicht mehr regieren. „Sie sollen jetzt nicht mehr in der Regierung sein“, sagte Scholz, „sondern in die Opposition gehen“. Scholz sagte: „Jetzt ist Pragmatismus und Führungskunst gefragt.“ Die SPD wolle „in Ruhe“ zustande bringen, was nun gefragt sei. „Wir werden das, was uns die Bürgerinnen und Bürger als Aufgabe gegeben haben, umsetzen.“
FDP-Chef Christian Lindner schlug noch am Wahlabend vor, dass sich Liberalen und Grüne vorab zusammensetzen, um Schnittmengen und Streitpunkte zunächst untereinander auszuloten, bevor es in Sondierungen geht. Sein Vize Wolfgang Kubicki unterstützte das in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Lindner würde lieber mit Laschet koalieren, die Grünen lieber mit Scholz. Wann grün-gelbe Gespräche beginnen, war zunächst nicht bekannt.
Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock räumte ein, dass die Grünen ihr „kühnes Wahlziel“, führende Kraft zu werden, verfehlt haben. Das sei offensichtlich nicht gelungen, die Partei sei weit darunter geblieben, sagte Baerbock am Sonntagabend in der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF. Es sei aber absolut richtig gewesen, die Union herauszufordern und deutlich zu machen, dass Deutschland eine Erneuerung benötige.
„Demokratie lebt von Alternativen.“ Die nächste Bundesregierung müsse eine Klimaregierung sein. „Das ist der klare Auftrag nach dieser Wahl.“ Die Grünen hätten einen klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler, für Erneuerung in Deutschland zu sorgen. Das werde sie mit Robert Habeck gemeinsam als Team in der Sondierung machen, sagte Baerbock.
SPD, Grüne und Linke wollen die Einkommenssteuern für Spitzenverdiener erhöhen, die Vermögenssteuer in Deutschland wieder einführen und den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,60 pro Stunde auf 12 Euro beziehungsweise 13 Euro (Linke) erhöhen.
Christdemokraten und Liberale lehnen Steuererhöhungen ab und wollen weiterhin eine Tarifkommission über den Mindestlohn entscheiden lassen. Die Linke fordert auch eine Auflösung der Nato und den Verzicht auf Auslandseinsätze der Bundeswehr, will eine Koalition mit SPD und Grünen daran aber nicht scheitern lassen.
Die AfD kommt für keine der übrigen im Bundestag vertretenen Parteien als Koalitionspartner in Frage. Ihre Präsenz im Parlament erschwert aber die Mehrheitsbildung. Die AfD fordert unter anderem eine strenge Begrenzung der Zuwanderung sowie den Austritt Deutschlands aus der EU und aus dem „Euro-System“.
Merkel bleibt vorerst im Amt
Der neue Bundestag wird sich voraussichtlich am 26. Oktober konstituieren. Er wählt auch den neuen Bundeskanzler. Die Kanzlerwahl kann aber erst nach Abschluss von Koalitionsverhandlungen stattfinden. So lange bleibt Merkel geschäftsführend im Amt. Die 67-Jährige regiert Deutschland seit November 2005. Sie hatte schon Ende 2018 erklärt, bei dieser Wahl nicht mehr kandidieren und sich danach aus der aktiven Politik zurückziehen zu wollen.
In Deutschland wird der Kandidat der stärksten Partei nicht automatisch Bundeskanzler. Nötig ist, dass der Bewerber die sogenannte „Kanzlermehrheit“, also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, hinter sich bekommt. Bisher wurde Deutschland von einer schwarz-roten Koalition aus CDU/CSU und SPD regiert.
Zeitgleich mit der Bundestagswahl wurden am Sonntag in den Bundesländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neue Regionalparlamente gewählt (siehe unten).
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