Spanien: Nach dem Schnee kommt Rekordkälte
Spanien: Nach dem Schnee kommt Rekordkälte
(dpa) - Dem Wintersturm „Filomena“ mit ungewöhnlich tiefen Temperaturen sind in Spanien zwei weitere Menschen zum Opfer gefallen. Die beiden aus Marokko stammenden Männer im Alter von 32 und 37 Jahren hätten auf der Straße in Barcelona gelebt und seien vermutlich durch Unterkühlung gestorben, berichtete die Zeitung „La Vanguardia“. In der Hafenstadt am Mittelmeer ist es zwar lange nicht so kalt wie etwa in Madrid, aber die Temperaturen liegen derzeit nachts auch nur knapp über dem Gefrierpunkt. Eine Obduktion solle am Dienstag die genaue Todesursache feststellen. Damit stieg die Zahl der Menschen, die nach ersten Erkenntnissen durch den seit Donnerstag über Spanien hinweggezogenen Wintersturm starben, auf sechs.
Am späten Freitagabend waren zwei Menschen bei Málaga im Süden des Landes ums Leben gekommen, als ihr Fahrzeug von Wassermassen fortgerissen wurde. In der Stadt Zarzalejo im Nordwesten der Region Madrid wurde am Samstag ein Toter unter Schneemassen gefunden. In Madrid wurde am Sonntag ein weiterer Mann tot auf einer Bank gefunden.
Vor allem in der Millionenmetropole Madrid war die Lage nach einer bitterkalten Nacht mit Temperaturen bis zu minus 8 Grad auch am Dienstag weiter schwierig.
„Ich komme mir vor wie in einem Iglu“
Während die weiße Pracht am Wochenende noch für ausgelassene Schneeballschlachten wie etwa an der berühmten Puerta del Sol im Herzen Madrids sorgte, wurden die Schneemassen am Beginn der Arbeitswoche für viele auch zu einem echten Ärgernis. Schulen mussten schließen, der Nachschub an Gemüse, Obst und Fleisch in Geschäften stockte. Auch die Impfungen gegen Corona wurden behindert.
Kein Spaß in nur mäßig isolierten Wohnungen mit zugigen Fenstern. „Wir haben die Heizung voll aufgedreht, aber es ist trotzdem kalt“, beklagte ein Madrilene. Ein Nachbar hat sogar nur Heizlüfter und eine Wärmflasche. „Ich komme mir vor wie in einem Iglu“, erzählt er.
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In einem Supermarkt des Stadtteils Vallecas wurde am Morgen plötzlich das gesamte Personal per Lautsprecherdurchsage auf die Straße beordert. „Der Lastwagen kam wegen des Schnees nicht an die Laderampe und die Obstladung musste per Hand entladen werden“, erzählte eine Anwohnerin. Aber immerhin: Das sonst bei Krisen schnell ausverkaufte Toilettenpapier gab es noch in Hülle und Fülle.
Seit drei Monaten ohne Strom
Besonders schlimm blieb die Lage im Armenviertel Cañada Real südöstlich von Madrid. In der illegalen Slum-Siedlung haben die rund 4.500 Bewohner schon seit drei Monaten keinen Strom.
Der linke Vize-Regierungschef Pablo Iglesias forderte das zuständige Stromversorgungsunternehmen wegen der Kälte auf, die Siedlung sofort wieder an das Stromnetz anzuschließen. Die Stadt Madrid betonte hingegen, der Strom sei gar nicht abgestellt, sondern das Netz breche dort immer wieder wegen des hohen Stromverbrauchs von Marihuana-Pflanzungen in Innenräumen zusammen. Die Behörden begannen mit der Verteilung von Gasflaschen und Heizstrahlern, wie das staatliche Fernsehen RTVE weiter berichtete.
Der Jahrhundertwinter trifft Spanien mitten in der Corona-Krise. Schnee und Eis behinderten dabei auch die gerade erst mit Schwierigkeiten angelaufene Impfkampagne. In sozialen Medien machten sich manche einen Spaß: „In Madrid machen sie wirklich ernst mit der Kühlkette für den Impfstoff“, scherzte etwa einer auf Twitter. Andere meinten, der Wintereinbruch könne auch seine gute Seite haben, weil die Menschen nun endlich mal wirklich zu Hause blieben.
Relativ kalte Winter sind in Madrid nicht ungewöhnlich. Die Stadt liegt rund 650 Meter über dem Meeresspiegel und mehr als 300 Kilometer vom Meer entfernt, hat also ein eher kontinentales Klima.
Aber auf solche Schneemassen wie am Wochenende und für die angekündigte Kältewelle sind weder die Behörden noch die Menschen vorbereitet. Bisher starben landesweit vier Menschen.
Schnee in Spanien - „trotz“ Klimawandel
Der Klimaforscher Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte, dass extreme Wintereinbrüche auch im Klimawandel nicht ausgeschlossen seien. „Wetterlagen, die im Sommerhalbjahr mit Starkregen in dieser Region verbunden sind, können im Winter bei um die Null Grad zu Starkschneefall führen“, sagte Hoffmann der deutschen Presse-Agentur.
Der Deutsche Wetterdienst führt den Wintereinbruch vor allem auf die besondere Wetterlage zurück. Es gebe derzeit eine Umdrehung der normalen Strömungsverhältnisse in Europa, sagte DWD-Sprecher Andreas Friedrich. „Mit Klimawandel hat das absolut nichts zu tun“, so Friedrich.
Die Räumdienste arbeiteten seit dem Ende der Schneefälle am Samstagabend gegen die Uhr, um zumindest die wichtigsten Straßen passierbar zu machen. Am Montag wurden sogar Spitzhacken eingesetzt, um das Eis zu entfernen. Eine erhebliche Gefahr stellten auch von Dächern herabfallende große Eisbrocken dar.
Sich in Madrid fortzubewegen, war deshalb auch am Montag noch schwierig. Selbst auf Hauptstraßen wie etwa der Atochastraße im Stadtzentrum war meist nur eine Fahrspur geräumt, während Gehwege gefährlichen Eispisten glichen.
Die wenigen Menschen, die ihr Haus etwa für Einkäufe verließen, gingen auf den Fahrbahnen, auf denen ohnehin kaum Autos unterwegs waren. Stadtbusse verkehrten weiterhin nicht, nur die U-Bahn stand zur Verfügung. Fernzüge hatten ihren Betrieb schon am Sonntagnachmittag wieder aufgenommen, Vorortzüge sollten ab Montagnachmittag wieder rollen. Auch der internationale Flughafen Barajas von Madrid war wieder geöffnet.
