Shit-Sturm
Shit-Sturm
Von LW-Korrespondent Gerd Braune (Ottawa)
Schon am Abend hatten sich in St. John´s, der Hauptstadt der Provinz Neufundland-Labrador, vor dem Laden des kanadischen Cannabis-Produzenten Tweed, Tochterunternehmen des größten Produzenten Canopy Growth, Kunden versammelt und harrten trotz der Kälte aus.
Schlangestehen für Gras
Als um 23.30 Uhr die Türen des Geschäfts geöffnet wurden, füllte sich der Laden sehr schnell. Und während sich der Sekundenzeiger Mitternacht näherte, stimmten die Anwesenden wie beim Jahreswechsel in den Countdown ein.
Um 0:01 Uhr überreichte Canopy-CEO Bruce Linton, der aus Ottawa nach Neufundland gekommen war, das erste Päckchen legal verkauften Freizeit-Marihuanas an Ian Power und Nikki Rose. „Es war mein Traum, der Allererste zu sein, der das erste legale Gramm Cannabis in Kanada kauft“, sagte Powers.
Ende eines hundertjährigen Verbots
Dies ist ihm gelungen: Neufundland hat eine eigene Zeitzone, eineinhalb Stunden vor Zentralkanada mit Ontario und Quebec. Als in St. John´s der 17. Oktober begann, mit dem das fast hundertjährige strafrechtliche Verbot von Cannabiskonsum endete, war es in Montreal, Ottawa und Toronto erst 22.30 Uhr.
Als letzte Provinz folgte British Columbia – viereinhalb Stunden später als Neufundland. In British Columbia lief es aber anders: Dort begann der Verkauf um Mitternacht über das von der Provinzregierung eingerichtete Online-Portal von „BC Cannabis Stores“. Jede Provinz und jedes Territorium Kanadas hat seine eigenen Bestimmungen, die den Cannabisverkauf regulieren.
Kanada ist das erste große Industrieland, das Cannabis und das Cannabisprodukt Marihuana als Freizeitdroge legalisiert; bisher ist nur Uruguay diesen Schritt gegangen. In den USA haben mehrere Bundesstaaten Marihuana legalisiert, nach dem Bundesgesetz aber ist die Droge weiter illegal.
Der Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen war in Kanada bereits 2001 legalisiert worden. Nun gilt dies – mit Alters- und Mengeneinschränkungen – auch für Marihuana als Freizeitdroge, das sogenannte „recreational marihuana“.
Neuausrichtung der Drogenpolitik
Die liberale Partei hatte dies im Wahlkampf 2015 versprochen, nun hat die Regierung von Premierminister Justin Trudeau dieses Versprechen umgesetzt. Begründet wird die Neuausrichtung der Drogenpolitik mit Gesundheitsschutz und öffentlicher Sicherheit.
Kriminellen und organisiertem Verbrechen den Gewinn entziehen.
Die Regulierung von Anbau und Verkauf soll einerseits bewirken, dass Cannabis nicht in die Hände von Jugendlichen kommt, andererseits soll der illegale Markt ausgetrocknet werden. Die Legalisierung und der vom Staat kontrollierte Verkauf soll „Kriminellen und organisiertem Verbrechen den Gewinn entziehen“, betont die Regierung.
Jugendliche aufklären
Die Legalisierung geht mit intensiven Aufklärungskapagnen einher, die vor den Gesundheitsgefahren vor allem für Jugendliche warnen. Nach Angaben der Regierung hat Kanada weltweit eine der höchsten Raten an Cannabis-Konsum junger Menschen.
2015 konsumierten 21 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren sowie 30 Prozent der 20- bis 24-jährigen Marihuana. Auf ihrer Website informiert die Regierung über die Gesundheitsgefahren. Früh einsetzender, häufiger Cannabis-Konsum könne die Entwicklung des jungen Gehirns beeinträchtigen, und: Cannabisrauch könne, ähnlich dem Tabak, Lungen schädigen.
Zudem drohen mentale Problemen wie Depression und Abhängigkeit. Auf die Gesundheitsgefahren wiesen am Vorabend der Legalisierung auch Mediziner erneut hin.
