Renzi zieht Konsequenzen aus Wahl-Schlappe
Renzi zieht Konsequenzen aus Wahl-Schlappe
(dpa) - „Wir sind die absoluten Gewinner“, sagte Fünf-Sterne- Spitzenkandidat Luigi Di Maio am Montag in Rom. Seine Partei repräsentiere das gesamte Land, den „ganzen Stiefel“. Die Fünf Sterne waren bei der Wahl auf rund 32 Prozent gekommen und sind damit die stärkste Einzelkraft geworden. Allerdings kommen sie nicht auf eine Regierungsmehrheit.
Auch die rechtspopulistische Lega beanspruchte die Führung für sich. Millionen Italiener hätten seine Partei beauftragt, das Land „von der Unsicherheit und Instabilität zu befreien“, die Ex-Regierungschef Matteo Renzi und Brüssel zu verantworten hätten, sagte Matteo Salvini in Mailand. „Über Italien entscheiden die Italiener“, so Salvini. „Nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel“ und auch nicht die Finanzmärkte.
Die ausländerfeindliche Lega war bei der Wahl im Bündnis mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi angetreten und schaffte es auf rund 18 Prozent. Allerdings verpasste die Allianz mit etwa 37 Prozent nach Auszählung fast aller Stimmen die Regierungsmehrheit im Parlament.
Rücktritt von Matteo Renzi
Nach der historischen Schlappe der Sozialdemokraten in Italien hat Matteo Renzi seinen Rücktritt vom Parteivorsitz der PD angekündigt. Die Niederlage zwinge die Partei, eine neue Seite aufzuschlagen, sagte Renzi am Montag in Rom.
Die PD, der auch Ministerpräsident Paolo Gentiloni angehört, verlor unter anderem wichtige Direktmandate in Hochburgen wie der Toskana oder in Umbrien. Bei der Wahl 2013 hatte die Partei noch bei 25,4 Prozent gelegen.
Die Schlappe geht vor allem auf das Konto des 43-jährigen Renzi. Die Popularität des einstigen Hoffnungsträgers begann zu schwinden, als er das Verfassungsreferendum im Dezember 2016 zur Abstimmung über seine eigene politische Zukunft erklärte und nach dem Scheitern als Regierungschef zurücktreten musste. Im Mai vergangenen Jahres kehrte er als Parteichef zurück und versprach einen Neuanfang. Ihm gelang es aber nicht, seine zerstrittene Partei zusammenzuhalten.
Schwierige Regierungsbildung
Für eine Regierungsmehrheit in Italien wären etwa 40 bis 42 Prozent der Stimmen notwendig, was kein Bündnis erreicht. Das entspricht mindestens 316 von insgesamt 630 Sitzen in der Abgeordnetenkammer und mindestens 158 von 315 Sitzen im Senat.
Ob es eine Koalition zwischen der Lega und der ebenfalls europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung geben könnte, war zunächst unklar. Laut Lega-Chef Salvini werde es keine „seltsamen Bündnisse“ geben. „Mitte-Rechts hat gewonnen und kann regieren.“ Der 31-jährige Di Maio sagte dagegen: „Wir sind offen für alle politischen Kräfte.“ Er hatte in der Vergangenheit die Rechte aber als „prinzipiellen politischen Gegner“ bezeichnet.
Rechtspopulisten in Europa triumphierten über das Ergebnis in Italien. Der Niederländer Geert Wilders gratulierte Lega-Chef Salvini auf Twitter zum Wahlerfolg. Die Chefin der rechtsextremen französischen Front National, Marine Le Pen, sieht im Wahlausgang in Italien schlechte Nachrichten für Europa. Der AfD-Parteichef Alexander Gauland äußerte sich eher verhalten: „Was die Italiener gewählt haben, ist deren Sache. Es wird sich zeigen, welche Politik diese Parteien für Italien machen werden.“ Der prominente Brexit-Befürworter Nigel Farage sprach von einem „enormen Sprung für die euroskeptischen und Anti-Establishment-Parteien in Italien.“
Ungewisse Zukunft
Es bleibt völlig unklar, wer nun das wirtschaftlich angeschlagene Italien führen wird. Am 23. März kommen die beiden Kammern des Parlaments zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Mit dem unklaren Wahlausgang zeichnet sich dabei eine Hängepartie ab - und es wird wahrscheinlicher, dass Gentiloni bis auf Weiteres regieren wird. Falls sich die Parteien nicht auf ein Regierungsbündnis einigen können, muss Staatspräsident Sergio Mattarella Neuwahlen ausrufen.
Nach den Gewinnen für die rechten und europakritischen Kräfte erwarten Ökonomen mehr Unsicherheit an den Märkten und schlechte Aussichten für eine wirtschaftliche Erholung des Landes.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
