„Rechts um!“ wirkt im Osten besonders gut
„Rechts um!“ wirkt im Osten besonders gut
Von Cornelie Barthelme (Berlin)
Wenn man es genau nimmt, verdankt die Alternative für Deutschland nicht bloß ihre Existenz und ihr zwischenzeitlich durchaus stark gefährdetes Überleben Angela Merkel, die 16 Jahre lang die Republik regierte. Auch zum Namen der Partei, die am Montagabend ihren zehnten Geburtstag gefeiert hat, lieferte die Ex-Kanzlerin die Inspiration. Denn Merkel erfand für sich das Prädikat „alternativlos“. Erstmals klebte sie dieses eitle Etikett an ihre Politik zur Bewältigung von Finanz- und Eurokrise.
Zwar dauerte es dann von deren Beginn bis zur Gründung der AfD noch ein paar Jahre. Aber als Entstehungsgrund gilt bis heute die Angst vieler Deutscher um ihr Erspartes und die gerade bei den Deutschen besonders große Furcht vor Inflation - und das Ziel der jungen Partei war der Austritt Deutschlands aus der Euro-Währungsunion und die Rückkehr zur geliebten alten starken D-Mark.
Die Flüchtlingskrise, der Auslöser für elektorale Erfolge
Nach einem Jahrzehnt ist das so gut wie vergessen; auch, weil die Partei es im Herbst 2013 mit dem Euro-Thema nicht in den Bundestag schaffte. Der Erfolg für die AfD kam mit den Flüchtlingen, für die Merkel exakt zwei Jahre später die Grenzen geöffnet hielt; und mit Merkels patzig geäußertem, wenn auch nicht so gemeinten Satz, wenn sie sich für diese Hilfe in der Not entschuldigen solle, „dann ist das nicht mein Land“.
Vor allem in den jungen Bundesländern sahen viele das ganz anders. Und die wegen ihres ersten Vorsitzenden, dem Hamburger Volkswirtschaftler Bernd Lucke, sogenannte „Professorenpartei“, in die Akademiker eingetreten waren und wirtschaftliches Spitzenpersonal wie der Industrie-Lobbyist Hans-Olaf Henkel, verwandelte sich in das, was sie heute ist: eine ungeniert rechtsextreme Bewegung. Was alle wissen mussten, seit ihr geistiger Anführer, ihre graue Eminenz Alexander Gauland am Abend des Einzugs der AfD in den Bundestag im Herbst 2017 öffentlich zur politischen Hatz blies. „Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen.“
Das Gros der Ex-Vorsitzenden der Partei - und sie hat einige, von Lucke und dem einstigen „FAZ“-Journalisten Konrad Adam über Gauland und die ebenso schnell zum Star aufgestiegene wie an ihrer Eitelkeit verglühte Sächsin Frauke Petry bis zu Jörg Meuthen - will mit dem Abdriften zum Fall für den Bundesverfassungsschutz nichts zu tun haben und schon gar nicht irgendeine Schuld eingestehen. Und offiziell leugnen auch alle, die überhaupt noch auf diesbezügliche Fragen antworten, dass sie dem Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke - längst heimlicher Chef der AfD - geholfen haben, die Partei zu dem zu machen, was sie nun ist: Hort und parlamentarischer Arm von Rassisten und Fremdenfeinden, von Antisemiten, Nazi-Verharmlosern und Demokratieverächtern.
Es gibt Belege zuhauf, man kann sie nachlesen und -hören. In Bundestagsprotokollen steht die pauschale Herabwürdigung von Zuwanderinnen und Asylbewerbern als „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ der amtierenden Co-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Im Internet findet sich Höckes Theorie, dass der „lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp“ nach Deutschland komme, um den „selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“ auszurotten.
Wie die NS-Nachfolgepartei NPD inszenieren sich Höcke & Co. als Kümmerer, als Verteidiger gegen die angebliche Berliner Diktatur, die dem Osten Flüchtlinge aufzwinge und Freiheiten nehme.
Im Osten laut Umfragen stärkste Partei
Im alten Westen des vereinten Deutschland stößt das alles mindestens auf Skepsis; in Schleswig-Holstein sind die Ultra-Rechten vergangenen Mai erstmals aus einem Landtag wieder hinausgeflogen. In Thüringen aber, im alten Osten, ist die Höcke-AfD in den Umfragen schon seit August stärkste Partei; jetzt, Anfang Februar, kommt sie auf 26 Prozent. In Sachsen liegt sie gleichauf mit der CDU an der Spitze bei 29. Politologen vermuten, das sei nicht trotz der zunehmenden Rechtsradikalisierung so - sondern gerade deswegen.
Und genau dort, in den jungen Ländern, scheint die Zukunft der AfD zu liegen. Momentan ist sie, einerseits, die erfolgreichste Parteigründung seit den Grünen Anfang der 1980er-Jahre und, andererseits, die immer radikalere Zentrale des dumpf-offenen ebenso wie des bürgerlich lackierten Völkisch-Nationalen. Wie die NS-Nachfolgepartei NPD inszenieren sich Höcke & Co. als Kümmerer, als Verteidiger gegen die angebliche Berliner Diktatur, die dem Osten Flüchtlinge aufzwinge und Freiheiten nehme. Wenn man es genau nimmt, verdankt die AfD ihr komfortables Überleben dieser Strategie aus Lügen und Angstmacherei - und mindestens ebenso sehr der Unfähigkeit der Demokraten in Politik und Gesellschaft, zu einem reizvolleren und, das vor allem, überzeugenderen Gegenangebot.
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
