Wählen Sie Ihre Nachrichten​

Präsident Erdogan kündigt "Säuberung" an
International 3 Min. 16.07.2016 Aus unserem online-Archiv
Nach dem Putschversuch in der Türkei

Präsident Erdogan kündigt "Säuberung" an

Unterstützer von Präsident Erdogan harren am Samstag vor dem Parlamentsgebäude in Ankara aus.
Nach dem Putschversuch in der Türkei

Präsident Erdogan kündigt "Säuberung" an

Unterstützer von Präsident Erdogan harren am Samstag vor dem Parlamentsgebäude in Ankara aus.
Foto: Reuters
International 3 Min. 16.07.2016 Aus unserem online-Archiv
Nach dem Putschversuch in der Türkei

Präsident Erdogan kündigt "Säuberung" an

Christoph BUMB
Christoph BUMB
Der Putsch ist gescheitert, es gab mehr als 200 Tote und 1.000 Verletzte: Nun beginnt der türkische Präsident Erdogan laut eigener Aussage mit der "Säuberung" und geht massiv gegen mutmaßliche Unterstützer vor.

(dpa) - Nach dem gescheiterten blutigen Putschversuch türkischer Militäreinheiten geht der Staatsapparat von Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv gegen mutmaßliche Unterstützer vor. Offiziellen Angaben zufolge wurden in einer ersten Aktion mehr als 2.800 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte, zehn Mitglieder des türkischen Staatsrats - eines der obersten Gerichte - festgenommen.

Ferner wurden fünf Mitglieder des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte und mehr als 2.700 Richter abgesetzt. Erdogan kündigte eine "vollständige Säuberung" des Militärs an. Er bezeichnete den Freitagnacht gestarteten Putschversuch dafür als einen "Segen Gottes".

265 Tote, viele Verletzte nach dem "Segen Gottes"

Bei dem versuchten Umsturz wurden offiziellen Angaben zufolge in der Nacht mindestens 265 Menschen getötet und mehr als 1.000 verletzt. Das Ziel der Putschisten nach eigenen Angaben war, unter anderem die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederherzustellen.

Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Samstag, die Lage sei weitgehend unter Kontrolle. Der Chef des Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, teilte mit, der Einsatz gegen die Putschisten sei weitgehend abgeschlossen. In der letzten Bastion, dem Armeehauptquartier in Ankara ergaben sich Putschisten. Acht türkische Soldaten setzten sich mit einem Militärhubschrauber nach Griechenland ab und beantragten dort politisches Asyl. Sie sollten möglicherweise ausgeliefert werden.

Laut Yildirim handelt es sich bei 161 der Toten um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Hinzu kämen 104 getötete Putschisten. Zudem seien 1.140 Menschen verletzt und 2.839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden.

Debatte um Wiedereinführung der Todesstrafe

Erdogan bekräftigte nach einer chaotischen Nacht am Samstagmorgen in Istanbul: "Die Türkei wird nicht vom Militär regiert." Bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit im Militär. Fünf Generäle und 29 Oberste sollen nach Angaben aus Regierungskreisen ihrer Posten enthoben worden sein. Amnesty International warnte vor Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Yildirim sagte, die Todesstrafe sei aus dem türkischen Gesetz gestrichen worden. Es werde jedoch über "zusätzliche Maßnahmen" diskutiert, die solche "Verrücktheiten" in Zukunft verhindern sollen.

Präsident Tayyip Erdogan gemeinsam mit seiner Familie und Sicherheitskräften am Samstag in der Nähe des Flughafens von Istanbul.
Präsident Tayyip Erdogan gemeinsam mit seiner Familie und Sicherheitskräften am Samstag in der Nähe des Flughafens von Istanbul.
Foto: Reuters

Erdogan hatte seine Anhänger in der Nacht dazu aufgerufen, auf die Straße zu gehen und gegen den Putsch zu protestieren. Der Präsident machte die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich und kündigte Vergeltung an: "Sie werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen." Gülen, nach einem schweren Zerwürfnis 2013 einer von Erdogans Erzfeinden, lebt in den USA und bestritt die Vorwürfe. Er verurteilte die Aktionen in einer Mitteilung scharf.

Sicherheitslage in der Türkei wieder unter Kontrolle

Die USA würden Außenminister John Kerry zufolge einen türkischen Antrag auf Auslieferung Gülens prüfen. Kerry sagte nach Angaben der "Washington Post", die USA seien dazu bereit, Ermittlungen zu unterstützen, um herauszufinden, wer den Putschversuch in der Türkei angezettelt hat und woher die Unterstützung kam.

Zunächst hatte es in der Nacht geheißen, die Streitkräfte hätten die Macht in der Türkei übernommen. Das Präsidialamt bestritt dies: Erdogan sei nicht abgesetzt. Unter anderem in der Hauptstadt Ankara und in Istanbul hatte es Kämpfe und schwere Explosionen gegeben. Bei Luftangriffen der Putschisten wurde das Parlament in Ankara stark beschädigt. Einem Bericht des Senders CNN Türk zufolge gab es Gefechte zwischen Polizei und Militär. Die Armee habe die Polizeidirektion beschossen. Augenzeugen berichteten von Panzern in den Straßen der Hauptstadt.

Yildirim hatte das Militär in der Nacht angewiesen, von den Putschisten gekaperte Flugzeuge abzuschießen. Sowohl Erdogans islamisch-konservative Partei AKP als auch die drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien - CHP, MHP und die kurdische HDP - hatten sich gegen den Putschversuch gestellt. Die AKP hat seit 2002 jede Wahl in der Türkei gewonnen.

Erdogan ist ein wichtiger, aber umstrittener Partner der EU in der Flüchtlingskrise. Die Vereinten Nationen, die USA und die EU riefen zu Gewaltverzicht auf. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte Zurückhaltung und Respekt vor den demokratischen Institutionen des Nato-Partners Türkei.

Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.


Lesen Sie mehr zu diesem Thema

Bei dem Putschversuch in der Türkei sind nach aktuellen Angaben 265 Menschen ums Leben gekommen, darunter viele regierungstreue Sicherheitskräfte und Zivilisten. Die Regierung geht unterdessen bereits gegen Oppositionelle vor.
Die Regierung hat die Lage in Istanbul offenbar wieder im Griff.
In der türkischen Touristenstadt Antalya ist die Lage ruhig. Nach Beratungen mit dem Außenministerium entschied Luxair, ihre Flüge nach Antalya wie geplant stattfinden zu lassen.
Die Unruhen in der Türkei haben keine Auswirkungen auf die Luxair-Flugpläne nach Antalya.
Putschversuch in der Türkei
Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn verurteilt den Putschversuch des Militärs und ruft die Türkei dazu auf, auf Gewalt zu verzichten.
Außenminister Jean Asselborn ruft die türkischen Autoritäten dazu auf, zur Normalität zurückzukehren.
Putschversuch des Militärs
In der Türkei überschlagen sich die Ereignisse: Das Militär hat einen Putschversuch gestartet. Präsident Erdogan ist nach Angaben aus Kreisen seines Amtes dennoch nicht abgesetzt. Das Luxemburger Außenministerium hat einen Krisenstab eingesetzt.
People demonstrate in front of the Republic Monument at the Taksim Square in Istanbul, Turkey, July 16, 2016.   REUTERS/Murad Sezer
Leere Hotels, leere Strände
Ein Saisonstart ohne Urlauber, verzweifelte Händler: An der türkischen Riviera ist die Krise der Tourismus-Industrie deutlich zu spüren. Die Einheimischen geben vor allem der Regierung die Schuld.
Auf türkischen Stränden machen sich die Urlauber rar.