ÖVP-Debakel und FPÖ-Triumph in Niederösterreich
ÖVP-Debakel und FPÖ-Triumph in Niederösterreich
Von Andreas Schwarz (Wien)
Das angesagte politische Beben bei der Landtagswahl in Österreichs größtem Bundesland hat nicht nur stattgefunden, die Erschütterung war auch so heftig, wie von allen Umfragen vorhergesagt: Die ÖVP verlor in Niederösterreich am Sonntag nicht nur die absolute Mehrheit, sie stürzte mit 39,9 Prozent der Stimmen (- 9,7 Prozentpunkte) auch auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis ab. Dafür dürfen sich die rechtspopulistischen Freiheitlichen über einen Stimmenzuwachs von 9,4 Prozentpunkten auf 24,2 Prozent freuen. Während die traditionell schwache niederösterreichische SPÖ auf 20,7 Prozent (- 3,2) taumelte.
Das Ergebnis wird landes- wie bundespolitische Auswirkungen in ungeahntem Maße haben. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner muss um ihre Wiederwahl zittern – FPÖ und SPÖ hatten ja ihre Abwahl und ein Ende des schwarz regierten Niederösterreichs zu ihrem Ziel erklärt. Allerdings schaffen es die beiden Parteien im Landtag alleine nicht, da müssten Grüne und Neos noch mitspielen, was eher unwahrscheinlich ist; und die Genetik von FPÖ und SPÖ ist zu unterschiedlich – es ist also eher undenkbar, dass die Roten einen Rechtspopulisten zum Landeshauptmann küren würden oder die FPÖ einen Sozialdemokraten.
Aber auch wenn die bisher allmächtige „Hanni“ Mikl-Leitner Landeshauptfrau bleibt, hat sie beim Regieren mit Gegenwind zu rechnen: In Niederösterreich gibt es keine Koalitionsregierung, die Parteien stellen nach Proporzsystem die Regierungsmitglieder. Und da sah es am Sonntagabend danach aus, dass die ÖVP mit vier Regierungssitzen einer Mehrheit von SPÖ (2) und FPÖ (3) gegenübersteht. Und im Landtag auch auf die Stimmen anderer angewiesen ist.
Für die ohnedies eher in den Seilen hängende Kanzlerpartei ÖVP auf Bundesebene bedeutet das niederösterreichische Ergebnis auch nicht unbedingt Rückenwind. Sie kann nur froh sein, dass ihr Regierungspartner, die Grünen, in Niederösterreich mit 7,6 Prozent (+1,2) auch keine Bäume ausgerissen hat.
Bedeutung für Bundespolitik
Rückenwind, was heißt Wind? Sturm erfährt dafür die FPÖ des Herbert Kickl. Was sein rechter Recke Udo Landbauer in Niederösterreich eingefahren hat, zementiert Kickls Rolle als Parteichef mit Kanzleranspruch. Die FPÖ liegt in Umfragen für die Nationalratswahl im Herbst 2024 konstant vor SPÖ und ÖVP an der Spitze, und dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ehemals grüner Parteichef, kürzlich vor seiner Angelobung zur zweiten Amtszeit ohne Not verkündet hat, dieser FPÖ keinen Regierungsbildungsauftrag geben zu wollen, hat ihr nur noch genützt.
Die Rechtspopulisten sammeln von Impfgegnern, Krisen-Verlierern bis hin zu Gegnern einer Ukraine-Unterstützung zurzeit alles ein, was es an Proteststimmen gibt.
Mit dem Ergebnis in Niederösterreich sind auch die parteiinternen Skeptiker, ob mit dem politischen Radikalrabauken Kickl ein Staat zu machen wäre, wohl verstummt. Die Rechtspopulisten sammeln von Impfgegnern, Krisen-Verlierern bis hin zu Gegnern einer Ukraine-Unterstützung zurzeit alles ein, was es an Proteststimmen gibt. Und werden die Regierungsparteien ÖVP und Grüne und die frühere Kanzlerpartei SPÖ in den kommenden Monaten noch mehr vor sich hertreiben als bisher.
Nicht verstummen wird in der Bundes-SPÖ das Geräusch des Sägens am Parteichefinnen-Sessel. Zwar war die niederösterreichische SPÖ, wie erwähnt, immer schon schwach. Aber dass Bundesobfrau Pamela Rendi-Wagner schon wieder eine SPÖ-Schlappe mitzuverantworten hat, wird ihren innerparteilichen Rivalen, den burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, erneut motivieren. Seine Landespartei war es ja, die vor einiger Zeit eine Umfrage in Auftrag gab, die ergab, dass die SPÖ unter Doskozil-Führung bei einer Nationalratswahl weit besser abschneiden würde als unter Rendi-Wagner. Die Führungsdebatte in der SPÖ ist also wiedereröffnet.
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