Mexiko: Mit Amuletten und Heiligenbildchen gegen das Corona-Virus
Mexiko: Mit Amuletten und Heiligenbildchen gegen das Corona-Virus
Von LW-Korrespondent Klaus Ehringfeld (Mexiko City)
Am Samstag wollte ich nochmal auswärts was essen gehen. Schließlich sollen ab dieser Woche auch in Mexiko Corona-Restriktionen verhängt werden. Eigentlich. Gewöhnlich brummt Mexiko-Stadt am Wochenende. Cafés, Bars und Restaurants sind immer voll. Aber als ich um 19 Uhr mein Lieblingslokal aufsuche, ist es schon dicht. Auch in meinem bevorzugten Café: Rollläden runter.
Jetzt scheint das Virus also auch in Mexiko angekommen. Seit Wochen haben uns die Gesundheitsbehörden darauf vorbereitet, dass es an diesem Wochenende soweit sein würde und die Infektionen mit dem Corona-Virus massiv zunähmen. Und dann würde eine Art Quarantäne light über Teilen von Stadt und Land verhängt. Aber bis zum Wochenende waren weder die Fälle explodiert, noch machten Regierung oder Gesundheitsbehörden eine definitive Ansage.
Laissez-faire-Politik von Präsident Obrador
Präsident Andrés Manuel López Obrador hält vielmehr an seiner Laissez-faire-Politik fest. Während Argentinien und Kolumbien rigide und fast völlige Ausgangssperren verhängt haben, sagt López Obrador: „Wir wollen doch nicht übertreiben“. Sein Land bereite sich vor, sagte er am Wochenende auf einer Reise in den Bundestaat Oaxaca, wo er noch immer die Menschen mit Umarmungen und Wangenkuss begrüßte. „Aber wenn wir eine übereilte Entscheidung treffen, schadet das nur der Wirtschaft und wir versetzen die Bevölkerung in Panik“. Man stehe doch erst am Anfang der Pandemie.
Auch die Grenzen sind zumindest von der mexikanischen Seite noch offen. Jeden Tag landen noch Flugzeuge aus anderen Ländern. Immerhin sind die Schulen geschlossen. Aber Bevölkerung und Wirtschaft sind nicht so relaxt wie der Präsident. Sie sehen die Bilder aus China und Italien und bleiben lieber zu Hause, verschieben das Ausgehen auf die Zeit nach Corona. Auch Firmen schicken ihre Mitarbeiter ins Home-Office, Volkswagen schließt sogar seine beiden mexikanischen Werke. Zunehmend sieht man Menschen mit Mundschutz und sogar mit Handschuhen auf der Straße.
Freiwillig in Quarantäne
Während in Europa die Behörden mit Ausgangssperren drohen müssen, damit die Menschen daheim bleiben, gehen die Mexikaner freiwillig in Quarantäne. Sie dimmen das Land immer weiter runter und widersprechen damit ihrem eigenen Präsidenten. Als ich endlich ein Restaurant finde, wo ich auch nach 19 Uhr noch was zu essen bekomme, bleibt jeder zweite Tisch unbesetzt - aus Gründen des Sicherheitsabstands. Und ab Montag gibt es dann nur noch Essen zum Mitnehmen. Einige der teuersten Restaurants der 24-Millionen-Metropoe Mexiko-Stadt haben sich aus „sozialer Verantwortung“ verabredet, von dieser Woche an zu schließen. Ob sie müssen oder nicht.
Bis zum Sonntag registrierten die mexikanischen Gesundheitsbehörden 251 Infizierte. Das sind noch immer relativ wenig im Vergleich zu anderen Staaten Lateinamerikas. Das verleitet den linksgerichteten Staatschef dazu, die Pandemie auf die leichte Schuler zu nehmen. Während sich die Straßen Mexiko-Stadts unter der Woche langsam leerten, küsste López Obrador noch immer die Ministerinnen in seinem Kabinett und gab den männlichen Kollegen die Hand.
Parallelen zu Brasiliens Präsident Bolsonaro
Der linke López Obrador spielte die Gefahr ähnlich herunter wie sein rechtsradikaler brasilianischer Kollege Jair Bolsonaro. Der hat allerdings inzwischen den Hebel umgelegt. Aber López Obrador reagierte fast beleidigt, als ihm sein eigener Vize-Gesundheitsminister Hugo López-Gatell dringend davon abriet, auf seinen Reisen im Land seine Anhänger zu herzen.
Der Präsident behauptet, dass ihn seine Ehrlichkeit, seine Amulette und die Heiligenbildchen schützen, die ihm seine Anhänger geschenkt haben. Manche Mexikaner nennen es naiv, andere fahrlässig, wieder andere finden, der Präsident müsse wegen Gefährdung seiner eigenen Bevölkerung umgehend zurücktreten.
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