Merkel deutlich vorn
Merkel deutlich vorn
(ham/dpa) Knapp ein Drittel der 62 Millionen Wahlberechtigten wollten am Sonntagabend beim TV-Duell des Jahres einschalten. Die vier Sender, die das einzige Aufeinandertreffen der beiden Kanzlerkandidaten Merkel (CDU/CSU) und Schulz (SPD) im TV gemeinsam ausrichteten – ARD, ZDF, RTL und Sat.1 – rechneten im Vorfeld nämlich mit etwas mehr als 20 Millionen Zuschauern.
Eine stattliche Kulisse für eine Politdebatte, vor allem da Umfragen zufolge vor dem Duell noch knapp die Hälfte der Wähler unentschlossen war. Das Aufeinandertreffen der beiden Kanzlerkandidaten avancierte gleich von Beginn an zum versprochenen Höhepunkt eines bisher eher mau verlaufenden Wahlkampfs.
Der Herausforderer startete forsch und ließ kaum nach mit seinen Spitzen in Richtung Bundeskanzlerin, die besonnen reagierte und ihre bisherige Politik mit klaren Argumenten verteidigte.
Merkel deutlich besser
In den ersten Umfragen nach der Debatte sahen die meisten Zuschauer denn auch Merkel deutlich vorne. Laut ZDF fanden rund 33 Prozent Merkel besser, 24 Prozent Schulz. Bei Merkel meinten 79 Prozent, sie habe sich wie erwartet geschlagen, Schulz hingegen fanden 48 Prozent besser als erwartet. Auch bei der Glaubwürdigkeit lag Merkel mit 31 Prozent vorne. Schulz erhielt 17 Prozent.
Die Halbzeitbilanz im Ersten sah Schulz nur bei der Angriffslust klar vorn (78 Prozent), während die Dimap-Umfrage Merkel die besseren Argumente zusprach. 44 Prozent sagten, die CDU-Chefin sei überzeugender gewesen, nur 32 Prozent sagten dies über den SPD-Chef. Bei den unentschiedenen Wählern lag Merkel mit 36 zu 31 Prozent vorne.
Bei den Fragen nach Argumentation (44 zu 36), Kompetenz (59 zu 18), Glaubwürdigkeit (47 zu 26) und Sympathie (46 zu 26) lag dagegen Merkel teils deutlich vor dem SPD-Kanzlerkandidaten. Diese Werte wurden alle in der Mitte der Sendung erhoben.
Ähnliche Ergebnisse lieferten auch die Umfragen nach der Debatte: Nach ARD-Zahlen lag die CDU-Vorsitzende mit 55 zu 35 Prozent vorne. Im ZDF kam sie auf 32 Prozent Zustimmung, Schulz auf 29 Prozent. 39 Prozent der Befragten waren hier unentschieden.
Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt
Wie erwartet, dominierte von Beginn an die Flüchtlings- und Integrationspolitik der Kanzlerin. Schulz, klar auf Angriff gepolt, warf der Kanzlerin grobe Fehler in der Flüchtlingspolitik vor, relativierte jedoch seinen Vorwurf, dass sie mit ihrer inhaltsarmen Politik einen „Anschlag auf die Demokratie“ unternommen habe.
Dies sei eine „harte und zugespitzte Formulierung“ gewesen, die er so nicht noch einmal sagen würde, so Schulz gleich zu Beginn. Peter Klöppels Frage, ob er Schwierigkeiten in den Umfragen habe, konterte Schulz mit der Feststellung, dass noch nichts entschieden sei. „Unser Duell heute Abend dient sicher dazu, die Fragen der Bürger zu beantworten“, so Schulz.
Merkel verteidigte in dem live übertragenen Schlagabtausch ihre Entscheidung von vor zwei Jahren, in Ungarn festsitzenden Migranten und Flüchtlingen den Weg nach Deutschland zu ebnen. Sie habe damals nicht anders handeln können. „Es musste entschieden werden.“ Auf die Frage, ob sie eine „All-inclusive-Kanzlerin“ sei, die bei Themen wie Migration oder der Diesel-Affäre ganz unterschiedliche Meinungen vertrete, sagte sie, die Herausforderungen seien immer andere.
Keine Verhandlungen mit der Türkei
Im Konflikt mit der Türkei sprach sich Schulz für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara aus. Merkel verwies indessen darauf, dass der Abbruch der Beitrittsverhandlungen einstimmig von allen EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden müsse.
Beim Thema Innere Sicherheit, meinte Schulz, dass er als Kanzler alles tun werde, um die Sicherheitsbehörden so fit zu machen, dass es einen Fall wie den des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri nicht mehr geben werde. Auf die Frage, ob künftig niemand ohne Papier ins Land gelassen werde, sagte Merkel, dass das generell nicht möglich sei. In Deutschland könne jemand, der um Asyl bitte, nicht einfach nicht reingelassen werden. Es müsse aber alles getan werden, um aus Fehlern wie bei Amri zu lernen.
Auf eine mögliche Koalitionsaussage angesprochen, wollte Schulz nicht ausdrücklich ausschließen, dass die SPD nach der Bundestagswahl erneut als Juniorpartner in eine große Koalition mit der Union gehen könnte. Auch auf Nachfrage sagte er lediglich, dass er die Kanzlerschaft in der Bundesrepublik anstrebe.
Merkel schloss erwartungsgemäß eine Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD kategorisch aus. In ihrem Schlusswort warb sie für beide Stimmen für die Union. Sie glaube, „dass ich mit der Mischung aus Erfahrung der vergangenen Jahre, in denen wir einiges erreicht haben, und der Neugier auf das Neue“ Deutschland so gestalten könne, dass das Land auch in zehn Jahren ein starkes und sozial gerechtes Land sei.
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