Mehrere EU-Staaten wollen Grenzkontrollen verlängern
Mehrere EU-Staaten wollen Grenzkontrollen verlängern
(dpa) - Der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa verstärkt den Druck, Binnen- wie Außengrenzen der EU besser zu schützen und die Kontrollen auszuweiten. Mehrere EU-Staaten wollen womöglich wie Deutschland die Grenzkontrollen im Schengen-Raum deutlich verlängern. Länder wie Österreich, Belgien, Schweden und Dänemark seien für eine Ausweitung der vorübergehenden Personenkontrollen über die derzeit vorgesehen Fristen hinaus, berichtete die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf EU-Diplomaten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat bereits angekündigt, dass er die Kontrollen sogar auf unbestimmte Zeit verlängern will.
An diesem Montag werden sich die Innen- und Justizminister bei einem informellen Treffen in Amsterdam nicht nur mit dieser Frage befassen. Sie wollen auch über den Vorschlag der EU-Kommission beraten, den Schutz der Außengrenzen stärker auf die EU-Grenzschutzagentur Frontex zu übertragen. Die Kommission hatte bereits im Dezember klargemacht, dass sie Mitgliedstaaten notfalls Grenzschützer aus anderen Ländern aufzwingen will. Frontex-Beamte sollten die Außengrenzen kontrollieren, „selbst wenn ein Staat unfähig oder unwillig ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“. Frontex soll damit zu einer echten Küsten- und Grenzschutzbehörde ausgebaut werden.
Die EU hatte der Türkei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise drei Milliarden Euro zugesagt und verlangt im Gegenzug, dass das Land syrische Bürgerkriegsflüchtlinge stärker am Zug in die EU hindert.
Athen wegen unzureichender Grenzkontrollen kritisiert
Der Regierung in Athen wird vorgeworfen, die EU-Außengrenze zur Türkei nicht ausreichend zu schützen. Nach wie vor kommen Tausende Flüchtlinge aus der Türkei über die Ägäis nach Griechenland. Die meisten reisen dann über die Balkanroute weiter Richtung Österreich und Deutschland. Allein am Wochenende wurden mehr als 6000 Menschen - die meisten aus Syrien - mit Fähren von der Ostägäisinseln nach Piräus gebracht. Erst am Freitag waren in der Ägäis mindestens 45 Menschen - darunter 17 Kinder - umgekommen. Dutzende werden vermisst.
Aus Ärger über Griechenland wollen mehrere EU-Staaten nun ihre Grenzen bis zu zwei Jahre lang kontrollieren: Anfang Dezember hatten sich die EU-Innenminister in Brüssel darauf verständigt, dass es möglich sein müsse, „bei erheblichen Mängeln beim Schutz der Außengrenzen (...) auch über die sechs Monate hinaus an bestimmten Abschnitten die Grenzen zu kontrollieren“. Für solche längerfristigen Kontrollen ist jedoch eine Empfehlung der EU-Kommission nötig.
EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos sagte, es gebe keinen Plan, Griechenland aus dem Schengen-Raum auszuschließen. Zuvor hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die österreichische Regierung für ihre Drohung kritisiert, Griechenland zumindest vorübergehend aus dem europäischen System der Freizügigkeit und Reisefreiheit zu verbannen.
Das Schengener Abkommen garantiert seit 1985 Reisefreiheit zwischen den Mitgliedstaaten in Europa. Nationale Grenzkontrollen sind zwischen den 26 Schengen-Staaten nur bei besonderen Anlässen erlaubt - in der Regel allerdings höchstens für ein halbes Jahr.
Deutschland verlängert Kontrollen auf "unbestimmte Zeit"
Deutschland hat nach Angaben der EU-Kommission bislang nach Artikel 24 des Schengen-Kodexes vorübergehende Grenzkontrollen bis zum 13. Februar beantragt. Diese Kontrollen könnten zunächst nur bis höchstens Mai verlängert werden, sagte eine Kommissionssprecherin. Für längerfristigen Kontrollen müsste zunächst festgestellt werden, dass es „dauerhafte“ Defizite beim Schutz der EU-Außengrenze gibt.
De Maizière hatte bereits vor einigen Tagen erklärt, er halte eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit für notwendig: „Ich sehe keinen Zeitpunkt voraus, wo wir das beenden können.“
Eine Ausweitung von Kontrollen innerhalb der EU bedroht nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die deutsche Wirtschaft. „Das kann böse enden - politisch und wirtschaftlich“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Vieles, was wir produzieren, wird vorher in Einzelteilen aus dem Ausland angeliefert. Wenn es nun wieder kilometerlange Staus an den Grenzen geben sollte, wenn Lkw wieder tagelang stehen, bis sie abgefertigt werden, dann ist das auch ökonomisch ein GAU.“
Top-Manager äußerten zugleich Verständnis für Grenzkontrollen. Sicher begrüße jedes Unternehmen offene Grenzen, sagte Airbus-Chef Tom Enders der „Welt am Sonntag“. Doch die derzeitige Lage nähmen die Menschen als einen Kontrollverlust wahr, „das ist hoch gefährlich für die Stimmungslage“. Siemens-Chef Joe Kaeser sagte der Zeitung: „Auch ich bin für mehr Kontrolle in dieser Situation.“
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