Wählen Sie Ihre Nachrichten​

Aus Junckers Sicht zerstört Putin das Erbe von Gorbatschow
International 3 Min. 31.08.2022 Aus unserem online-Archiv
Zum Tod von Michail Gorbatschow

Aus Junckers Sicht zerstört Putin das Erbe von Gorbatschow

Im Rahmen des Arbeitsbesuchs im Jahr 2004 gewährte das großherzogliche Paar Gorbatschow eine Audienz.
Zum Tod von Michail Gorbatschow

Aus Junckers Sicht zerstört Putin das Erbe von Gorbatschow

Im Rahmen des Arbeitsbesuchs im Jahr 2004 gewährte das großherzogliche Paar Gorbatschow eine Audienz.
Foto: Anouk Antony/ Archiv Luxemburger Wort
International 3 Min. 31.08.2022 Aus unserem online-Archiv
Zum Tod von Michail Gorbatschow

Aus Junckers Sicht zerstört Putin das Erbe von Gorbatschow

Michael MERTEN
Michael MERTEN
Der verstorbene Friedensnobelpreisträger hat bei zahlreichen luxemburgischen Politikern einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Der Tod des ehemaligen Staats- und Parteichefs der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, hat auch in Luxemburg Betroffenheit ausgelöst. Politiker würdigten den am Dienstag verstorbenen Friedensnobelpreisträger von 1990. „Er war ein Politiker, der mit Überzeugung die Trennung zwischen Ost und West zum Fallen brachte“, sagte Außenminister Jean Asselborn dem „Luxemburger Wort“. Gorbatschow, den er einmal in Moskau getroffen habe, sei „ein großer russischer Staatsmann“ gewesen, „mit dem der Welt dieser barbarische Krieg in der Ukraine erspart geblieben wäre“.


ARCHIV - 09.11.2014, Berlin: Der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow steht während des Bürgerfestes vor dem Brandenburger Tor auf der Bühne. (zu "Russische Agenturen: Michail Gorbatschow tot") Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Michail Gorbatschow ist tot
Zweimal hatte der Politiker ein Rendezvous mit der Weltgeschichte. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere gestaltete er sie mit - bevor er seine Macht verlor.

Auch der frühere Premierminister Jean-Claude Juncker ist Gorbatschow einmal begegnet: 2004 empfing er ihn zu einem Besuch im Staatsministerium. „Er gehört zu den großen Veränderern der europäischen Geschichte“, sagte Juncker ebenfalls auf Anfrage des „Luxemburger Wort“. Damals habe er sich mit Gorbatschow über Lage in den späten Jahren der Sowjetunion ausgetauscht. „Er hat damals ein Plus an individueller und kollektiver Freiheit durchgesetzt und stand damit am Anfang des Umschwungs der 90er-Jahre.“

Außenminister Jean Asselborn und Michail Gorbatschow 2001.
Außenminister Jean Asselborn und Michail Gorbatschow 2001.
Foto: LW-Archiv

Anfängliches Zögern

Als sich um 1990 immer mehr Länder im Einflussbereich der damaligen Sowjetunion von Moskau loszusagen versuchten, habe er dies „nach anfänglichem Zögern“ erlaubt. „Die Slowenen, die Esten, die Letten und andere verdanken ihm eigentlich den Platz an der Sonne, den sie damals erobert haben, weil sie frei wurden“, so Juncker. 

Er betonte: „Gorbatschow war ein Mann des Friedens, er war von keinerlei Feindseligkeit gegenüber anderen Ländern beseelt.“ Dies unterscheide ihn vom jetzigen russischen Staatschef Wladimir Putin: „Wenn man sich heute anschaut, was in Russland alles passiert, muss man sagen, dass sich Putin nicht auf der Höhe des Erbes von Gorbatschow befindet, weil er doch viele Reformprozesse zurückgedrängt hat und eine aggressive Außenpolitik betreibt.“  

Michail Gorbatschow (links) wurde 2004 im Staatsministerium zu einem Arbeitsbesuch vom damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker empfangen.
Michail Gorbatschow (links) wurde 2004 im Staatsministerium zu einem Arbeitsbesuch vom damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker empfangen.
Foto: Guy Wolff/ Archiv Luxemburger Wort

Von historischer Bedeutung sei, dass der spätere Friedensnobelpreisträger den Fall der Berliner Mauer zugelassen habe, ohne militärisch zu intervenieren. „Ohne Gorbatschow und seine Rolle wäre die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich gewesen“, betonte Juncker. Der NATO habe er jedoch immer negativ gegenübergestanden; entsprechend sei er im Westen nach wie vor beliebt, in Russland aber verhasst, „weil viele ihm vorgeworfen haben, dass er die Sowjetunion verraten hätte“.


ARCHIV - 21.11.2011, Berlin: Der ehemalige Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, am Rande einer Pressekonferenz. (zu dpa: "Vater der Deutschen Einheit - Michail Gorbatschow wird 90 Jahre alt") Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Krank, alt, unbesiegt: Michail Gorbatschow wird 90 Jahre alt
Krank, alt, unbesiegt. Am Dienstag wird Michail Gorbatschow 90 Jahre alt. Ein politischer Weltstar, der in seiner Heimat als Versager und Verräter gilt. Aber auch darüber macht er inzwischen Scherze.

Bis zuletzt hatte Gorbatschow die immer stärkere Ausdehnung der NATO in Richtung der russischen Grenze angeprangert; bei den Verhandlungen um die Deutsche Einheit habe es 1990 anderslautende Absprachen mit den USA gegeben, betonte Gorbatschow mehrfach. Doch diese Kritik lässt Juncker nicht gelten: „Es gibt keine schriftliche Vereinbarung zwischen NATO-Staaten und Gorbatschow in dem Sinne, dass der Westen auf eine Ausdehnung der NATO verzichten würde, das ist eine Legende.“ Es habe lediglich eine Zusage gegeben, dass keine permanente Truppenpräsenz der NATO auf dem Gebiet früherer Warschauer Pakt-Staaten vorgesehen ist. Bis zuletzt gebe es ausschließlich eine rotierende Militärpräsenz.

Hoffnungen geweckt

Junckers Nachfolger Xavier Bettel drückte in einem Tweet die Trauer um Gorbatschow aus. „Seine Bemühungen trugen zum Fall der Berliner Mauer und zum Ende des Kalten Krieges bei und weckten die Hoffnung einer ganzen Generation“, so der amtierende Regierungschef. „Er wird als engagierter Multilateralist und Verfechter von Frieden, Offenheit und Transparenz in Erinnerung bleiben.“

Bei einem offiziellen Besuch in der damaligen UdSSR stand am 31.10.1990 eine Unterredung zwischen Premierminister Jacques Santer und dem Sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow auf dem Programm.
Bei einem offiziellen Besuch in der damaligen UdSSR stand am 31.10.1990 eine Unterredung zwischen Premierminister Jacques Santer und dem Sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow auf dem Programm.
Foto: Albert Lanners/ Archiv Luxemburger Wort

Selten habe es einen Staatsmann gegeben, der so stark in die Geschichte eingegangen ist, sagte auch der frühere Premierminister Jacques Santer. „Er war der, der den Kalten Krieg beendet hat“, so der Regierungschef von 1984 bis 1995 am Mittwoch im RTL-Interview. Auch Santer hob hervor: „Ohne Gorbatschow wäre Deutschland nie wiedervereinigt worden.“ Die Fotos von damals seien ihm heute noch stark präsent, sagte Santer, der 1990 eine Delegation nach Moskau anführte.

Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.


Lesen Sie mehr zu diesem Thema

Friedensnobelpreisträger
Zweimal hatte der Politiker ein Rendezvous mit der Weltgeschichte. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere gestaltete er sie mit - bevor er seine Macht verlor.
ARCHIV - 09.11.2014, Berlin: Der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow steht während des Bürgerfestes vor dem Brandenburger Tor auf der Bühne. (zu "Russische Agenturen: Michail Gorbatschow tot") Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Frederik Willem de Klerk
Mit der Abschaffung von Südafrikas rassistischem Apartheidregime hat sich Frederik Willem de Klerk einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert.
(FILES) In this file photo taken on July 26, 2007 Former South African President and Nobel peace prize Laureate F.W. De Klerk gives a press conference reacting to media reports that he may face prosecution after it was announced his former police minister Adriaan Vlok is to stand trial for the attempted murder of a top aide to current President Thabo Mbeki, at the Cape Peninsula Technical University in Cape Town. - FW de Klerk, South Africa's last white president, has died aged 85, his foundation announced on November 11, 2021. (Photo by GIANLUIGI GUERCIA / AFP)
Genscher war Vize unter zwei Kanzlern
Er war so lange Deutschlands Außenminister und Vizekanzler wie keiner sonst - über 18 Jahre hinweg. Manche nannten ihn sogar "Mister Bundesrepublik". Jetzt ist Hans-Dietrich Genscher mit 89 Jahren gestorben.
A condolence book and a photo of German politician Hans-Dietrich Genscher is pictured on April 4, 2016 at the FDP headquarters in Berlin.
Germany's longest-serving foreign minister, Hans-Dietrich Genscher, whose tireless Cold War diplomacy paved the way for his country's peaceful reunification, has died at age 89, his office said Friday. / AFP PHOTO / dpa / Susann Prautsch / Germany OUT
Der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher ist tot. Der FDP-Politiker starb in der Nacht zum Freitag im Alter von 89 Jahren, wie sein Büro in Bonn mitteilte.
In schlechter Verfassung
Michail Gorbatschow befindet sich derzeit in stationärer Behandlung. "Ich bin entschlossen zu kämpfen", meint der frühere Sowjetführer vom Klinikbett aus.
Gorbatschow: "Mein Gesundheitszustand war in der vergangenen Woche mäßig."