Lukaschenko und Xi, zwei Autokraten unter sich
Lukaschenko und Xi, zwei Autokraten unter sich
Von Fabian Kretschmer (Peking)
Bereits vor seiner Anreise hat Alexander Lukaschenko nicht daran gespart, seinen Gastgeber mit rhetorischen Lobhudeleien zu umgarnen. „Kein einziges Problem auf der Welt“ könne mittlerweile noch „ohne China gelöst werden“, sagte der belarussische Machthaber der Nachrichtenagentur Xinhua. Den chinesischen Staatschef Xi Jinping bezeichnete er als „alten Freund“, der eine „sehr schlaue, weise, kreative und moderne Person“ sei.
Am Mittwochmorgen trafen die beiden schließlich in der großen Halle des Volkes zusammen. Der Zeitpunkt von Lukaschenkos Besuchs hat aus europäischer Sicht eine katastrophale Optik, hatte doch Chinas Staatsführung erst am Freitag einen 12-Punkte-Plan zum Krieg in der Ukraine hingelegt. Und nur wenige Tage später rollt die Volksrepublik nun also einem der engsten Verbündeten des Kreml den roten Teppich aus; einem Verbündeten, der den russischen Streitkräften sein Territorium als Aufmarschgebiet für die Invasion bereitstellte.
Insbesondere die USA dürften erneut ihre Warnungen vor möglichen Waffenlieferungen aus China bekräftigen: Der Verdacht steht im Raum, dass Peking Belarus als Mittelsmann nützen könne, um Russland quasi über Bande aufzurüsten.
Doch Lukaschenko kommt keineswegs als Gesandter Putins, wie vielfach in der internationalen Presse geschrieben wurde. Die Beziehungen zwischen Minsk und Moskau sind durchaus komplizierter als gemeinhin angenommen. Denn mit steigender Angst, dass sich Russland den kleineren Nachbarn im Westen einverleiben könnte, dürfte Lukaschenko in der Dreiecksbeziehung mit China eine Art ausgleichende Macht sehen, um die überbordende Abhängigkeit von Russland ein wenig zu verringern. Anders ausgedrückt: Sein Peking-Besuch dürfte im Kreml durchaus mit Argusaugen beobachtet werden.
Lukaschenko hofft auf chinesische Investitionen
Der Ukraine-Krieg dürfte hinter den Kulissen im Detail debattiert werden. Doch wird es China weniger um Lukaschenkos Unterstützung für seine „Friedensinitiative“ gehen, schließlich handelt es sich dabei vor allem um eine vage PR-Aktion ohne konkrete Folgemaßnahmen. Sehr wohl allerdings dürfte Xi Jinping den belarussischen Gast nach seinen Einblicken über den aktuellen Kriegsverlauf ausfragen.
Lukaschenko hingegen erhofft sich von seinem Staatsbesuch allen voran wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen aus China. Das Reich der Mitte hat seit den EU-Sanktionen gegen Belarus massiv an Bedeutung gewonnen. Der gemeinsame Handel ist im Vorjahr um stolze 33 Prozent gestiegen, doch entwickelt sich gemessen an den Erwartungen der Osteuropäer dennoch enttäuschend: Chinesische Unternehmen agieren auf dem belarussischen Markt bislang aus Angst, selbst zur Zielscheibe westlicher Sanktionen zu werden, eher zaghaft.
Damit sich das ändert, gibt sich Lukaschenko in allen politischen Kernanliegen der Chinesen loyal: Man schätze die Unterstützung aus Belarus bezüglich „Taiwan, Xinjiang, Hongkong und den Menschenrechten“, heißt es von der chinesischen Seite.
Erst im September hievte Peking die Beziehungen mit Minsk beim Treffen der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) in Usbekistan auf den Status einer „umfassenden, strategischen Allwetter-Partnerschaft“. Den Terminus haben die Chinesen in den Nullerjahren kreiert, um der damals ausgebauten Beziehung zu Pakistan einen politischen Rahmen zu geben. Das Präfix „Allwetter“ beinhaltet im diplomatischen Sprachgebrauch der Pekinger Staatsführung vor allem eine Verpflichtung: Man werde die Beziehungen konsequent fortführen - ganz unabhängig davon, wie sich das externe Umfeld ändert.
Die Volksrepublik baut seinen Einfluss in jenen Weltregionen aus, die von Europa und den USA oft stiefmütterlich behandelt werden.
Von Werten befreite Außenpolitik
Wie massiv sich die geopolitische Landschaft verändert hat, ist offensichtlich: Lukaschenkos Besuch vom Mittwoch reiht sich ein in eine illustre Liste an Autokraten, denen Peking in diesem noch jungen Jahr bereits den roten Teppich ausgerollt hat. Zuvor waren bereits der iranische Präsident Ebrahim Raisi zu Gast, der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen sowie der turkmenische Präsident Serdar Berdimuhamedow.
All dies zeigt nicht nur, wie pragmatisch und von Werten befreit die Außenpolitik der Chinesen ist, sondern ist auch eine aktive Botschaft an den Westen: Die Volksrepublik baut ihren Einfluss in jenen Weltregionen aus, die von Europa und den USA oft stiefmütterlich behandelt werden.
Doch Chinas lange Liste an diktatorischen Freunden legt vor allem offen, mit wem Xi Jinping dieser Tage nicht gewillt ist zu sprechen: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mehrfach und höchst offensiv um einen Gesprächstermin bei dem chinesischen Staatschef gebeten, doch wurde bislang stets abgewiesen.
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