Lübcke-Mord: Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld
Lübcke-Mord: Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld
(dpa) - Im Prozess um den Mord an dem deutschen Spitzenpolitiker Walter Lübcke ist der Hauptangeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt stellte am Donnerstag zudem die besondere Schwere der Schuld von Stephan Ernst fest.
Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Eine anschließende Sicherungsverwahrung behielt sich das Gericht vor. Die Sicherungsverwahrung ist eine Maßregel im deutschen Strafrecht, die die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern schützen soll.
Stephan Ernst hatte in der Nacht zum 2. Juni 2019 den deutschen CDU-Politiker und Regierungspräsidenten des hessischen Bezirks Kassel auf dessen Terrasse erschossen. Der 47-Jährige hatte laut Bundesanwalt ein rechtsextremistisches, fremdenfeindliches Motiv. „Er projizierte Fremdenhass auf Dr. Lübcke“, so die Richter in ihrer Einschätzung. Auslöser sollen Äußerungen Lübckes gewesen sein, der 2015 die Aufnahme von Flüchtlingen verteidigte.
Ernst hatte die Tat wiederholt gestanden - jedoch in drei unterschiedlichen Versionen. Dabei belastete er zuletzt den Mitangeklagten Markus H., der mit am Tatort gewesen sei. Doch an dieser Version habe man angesichts von Widersprüchen und situativ angepassten Aussagen „erhebliche Zweifel“, erklärte das Gericht. Ernsts Schilderungen seien nur im Bezug auf den eigenen Tatanteil glaubwürdig. H. selbst hatte sich nicht geäußert. Seine Anwälte hatten eine Tatbeteiligung des als Rechtsextremist bekannten Mannes bestritten und Freispruch gefordert.
Das OLG in Frankfurt verurteilte H. am Donnerstag zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ursprünglich war er wegen Beihilfe zum Mord angeklagt gewesen.
Die Geständnisse wirkten sich trotz der Widersprüche zugunsten Ernsts aus. Zwar habe das Gericht keinen Spielraum bei der Verurteilung zu lebenslanger Haft und der Festellung der besonderen Schwere der Schuld gehabt. Aber Ernst habe nun die Möglichkeit, mit einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme zusammenzuarbeiten, Einfluss auf die mindestens zu verbüßende Strafe zu nehmen und Sicherheitsverwahrung zu vermeiden.
Nebenkläger in dem 44 Tage dauernden Prozess war unter anderem die Familie Lübckes - seine Ehefrau und zwei Söhne.
Freigesprochen wurde Ernst vom Vorwurf, einen irakischen Flüchtling 2016 hinterrücks niedergestochen und schwer verletzt zu haben. „Es gibt zwar Umstände, die auf die Täterschaft hindeuten, aber keine tragfähigen Beweismittel“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.
Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Prozess fand wegen der Corona-Pandemie unter strengen Hygieneauflagen statt.
Vor dem Gerichtsgebäude erinnerten Demonstranten an Lübckes Schicksal und an die Mordserie der Terrorgruppe NSU.
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