Wahlkrimi mit Happy End
Wahlkrimi mit Happy End
Von Helmut Steuer
Dänemark hat einen der aufregendsten Wahlkrimis seit Jahrzehnten erlebt. Doch weit nach Mitternacht stand fest, dass die Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zusammen mit anderen eher linksgerichteten Parteien bei den Parlamentswahlen eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat erlangen konnten. Trotz des äußerst knappen Sieges reichte Frederiksen am Vormittag den Rücktritt ihrer bisherigen Minderheitsregierung ein. Sie will damit die Grundlage für ein möglichst breites Regierungsbündnis mit Parteien aus beiden politischen Lagern schaffen.
Bis tief in die Nacht war unklar, ob das gelingen könnte. Doch nach Auszählung der Stimmen aus den zu Dänemark gehörenden Regionen Grönland und den Färöer Inseln war klar, dass die eher linksgerichteten Parteien des roten Lagers eine knappe Mehrheit erreicht hatten. Es wird erwartet, dass Frederiksen den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung bekommen wird, zumal ihre Sozialdemokraten mit 27,5 Prozent der Stimmen wieder zur stärksten politischen Kraft wurden.
Unklar ist hingegen, mit welchen Parteien die 44-Jährige zusammenarbeiten will. Frederiksen hatte während des kurzen Wahlkampfs betont, dass sie wegen der unsicheren geopolitischen Lage ein breites, über die Lagergrenzen hinausgehendes Bündnis anstrebe. Bislang hatte sie eine Minderheitsregierung geführt, die sich in einzelnen Fragen die Unterstützung in beiden politischen Lagern suchte. Dafür ist die Sozialdemokratin auch immer wieder kritisiert worden, da sie sich die Unterstützung durch die Rechtsaußen-Parteien durch einen extrem restriktiven Kurs in der Asylpolitik sicherte. Sollte es tatsächlich zu einer breiten Regierungskoalition kommen, wäre das ein Novum in der dänischen Nachkriegsgeschichte. Die meisten dänischen Regierungen hatten keine eigene Mehrheit.
Kopenhagen vor spannenden Wochen
Lange hatte es so ausgesehen, als käme dem früheren Regierungschef Lars Løkke Rasmussen die Rolle des Königsmachers zu. Er hatte vor einem Jahr die von ihm geführte liberal-konservative Partei Venstre verlassen und eine neue Partei, die Moderaten, gegründet. Aus dem Stand erzielte die Partei über neun Prozent der Stimmen. Seine Partei gehöre keinem der beiden politischen Blöcke an, hatte Rasmussen immer wieder betont und sich in der Rolle des Züngleins an der Waage sichtlich wohl gefühlt. Nun fällt vermutlich diese Rolle der linksliberalen Partei Radikale Venstre zu, jener Partei, die die Neuwahlen erzwungen hatte. Die sozialliberale Partei hatte bereits im Sommer mit dem Entzug der Unterstützung von Frederiksens Regierung und einem Misstrauensvotum gedroht, sollten nicht bis zum 6. Oktober Neuwahlen ausgerufen werden. Frederiksen hatte also die Wahl zwischen Misstrauensvotum und Neuwahlen. Sie entschied sich für den frühen Wahltermin.
Der Ärger der kleinen Radikale Venstre mit der sozialdemokratischen Minderheitsregierung begann während der Corona-Pandemie. Im Spätherbst 2020 hatte Frederiksen aus Furcht vor gefährlichen Virus-Mutationen entschieden, rund 15 Millionen Nerze töten zu lassen. Bei den Tieren war eine auch für Menschen gefährliche Mutation entdeckt worden. Das Problem war, dass es für die Tötung keine Rechtsgrundlage gab. Die Regierungschefin wurde von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gerügt, mehrere Staatssekretäre mussten zurücktreten. Und die Radikale Venstre stellte Frederiksen vor die Alternativen: Neuwahlen oder Misstrauensvotum. Wie sich die Partei jetzt positionieren wird, ist noch nicht ganz klar. Beide politischen Blöcke buhlten noch in der Wahlnacht um die Unterstützung der Partei.
Nach Meinung der meisten Beobachter hat Frederiksen die größten Chancen, eine Regierung zu bilden. Denn selbst, wenn die Verhandlungen mit Parteien des bürgerlichen Lagers scheitern sollten, könnte sie sich wie bislang die Mehrheit bei ihren linken Stützparteien suchen. Der Wahlkampf war von innenpolitischen Themen dominiert. Defizite im Gesundheitssystem, zu niedrige Löhne im Pflegebereich und die hohe Inflation waren die zentralen Themen. Die Bildung der neuen dänischen Regierung wird voraussichtlich einige Wochen dauern.
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