Krise in der AfD: Umfragetief und Flügelkämpfe
Krise in der AfD: Umfragetief und Flügelkämpfe
(dpa) - Corona-Zeiten sind keine guten Zeiten für die deutsche Opposition. Das gilt auch für die rechtspopulistische AfD. Während die Christdemokraten von Kanzlerin Angela Merkel im Höhenflug sind, ist die Alternative für Deutschland in vielen Umfragen unter die Zehn-Prozent-Marke abgesackt. Das ist aber nicht das einzige Problem der noch jungen Partei.
Der schwelende innere Konflikt zwischen gemäßigt Rechten und Extremisten hat sich zuletzt verschärft und könnte die Partei spalten. Mitte Mai hatte der Bundesvorstand auf Betreiben von Co-Parteichef Jörg Meuthen mit knapper Mehrheit entschieden, die Mitgliedschaft des Brandenburger Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz für nichtig zu erklären. Hintergrund sind frühere Kontakte des Politikers im rechtsextremen Milieu.
Kalbitz will den Rauswurf aber nicht hinnehmen und geht juristisch dagegen vor. Er hat seinen eigenen Landesverband sowie etliche prominente AfD-Politiker vor allem im Osten Deutschlands hinter sich. Sollte das Bundesschiedsgericht der Partei zu seinen Gunsten entscheiden, wäre das eine schwere Schlappe für den Meuthen-Flügel.
Die 2013 entstandene AfD ist eine der erfolgreichsten Parteigründungen in Deutschland der vergangenen Jahrzehnte. Sie sitzt in allen Landesparlamenten und zog 2017 mit 12,6 Prozent der Stimmen in den Bundestag ein. In Ostdeutschland holte sie bei den letzten Landtagswahlen durchgehend über 20 Prozent.
Seit ihrer Gründung hat sich die AfD aber radikalisiert. Gaben am Anfang wirtschaftsliberale Kritiker der Euro-Rettungspolitik den Ton an, so wurden mit den Jahren nationalistische und rechtsextreme Kräfte immer lauter. Prominente Figuren der Anfangszeit wie Bernd Lucke oder Frauke Petry haben der AfD längst Lebewohl gesagt.
Im März erklärte der deutsche Verfassungsschutz den von Kalbitz und dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke dominierten „Flügel“ offiziell zum Beobachtungsfall. Der Inlandsgeheimdienst sah seinen Verdacht bestätigt, dass es sich bei diesem parteiinternen Zusammenschluss um eine rechtsextreme Bestrebung handelt. Daraufhin erklärte sich der „Flügel“ Ende April für aufgelöst. Seine Wortführer wirken aber in der Partei weiter.
So geht in der AfD nun auch die Furcht um, die gesamte Partei könnte vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden. Sie würde dann zu einer Art Paria-Partei. Polizisten, Lehrer oder andere Beamte müssten berufliche Konsequenzen fürchten, wenn sie Mitglied blieben.
Meuthen geht fest davon aus, dass der Ausschluss von Kalbitz Bestand haben wird. Dagegen halten sein Co-Vorsitzender Tino Chrupalla sowie die beiden Chefs der Bundestagsfraktion, Alexander Gauland und Alice Weidel, die Mehrheitsentscheidung des Bundesvorstands für falsch.
In der AfD sei jetzt ein „entfesselter Machtkampf“ zu beobachten, sagte der Berliner Politologe und Rechtsextremismusexperte Hajo Funke. Meuthens Position sei mitnichten gefestigt. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sprach von der „vermutlich schwersten Krise“ in der noch jungen Geschichte der Partei, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von einer „besonders spannenden Staffel in der Serie "House of AfD"“.
Landtagswahlen stehen in Deutschland erst im nächsten Frühjahr wieder an. Wohl im September 2021 wird der nächste Bundestag gewählt, Merkel will nach dann 16 Jahren als Kanzlerin nicht noch einmal antreten. Ob es die AfD in der heutigen Form dann noch gibt, ist die Frage.
Der Jenaer Extremismusforscher Matthias Quent schließt eine Spaltung der AfD nicht aus. Es sei denkbar, dass sich die Partei „in eine deutlich rechtsextremistische Ost-AfD und in eine immer noch Rechtsaußen gelagerte, aber nicht extremistische West-AfD unter der Leitung von Leuten wie Meuthen“ aufspalte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Es würde allerdings das Lager erheblich fragmentieren, und ich denke, es würde auch das rechte Lager sehr schwächen“, fügte er hinzu.
Die politischen Gegner reiben sich schon die Hände. „Es bleibt auf jeden Fall ein Wrack übrig von dieser Partei, eine Ruine“, sagte der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder, den manche Medien als einen möglichen Kanzlerkandidaten für 2021 handeln.
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