Konfliktbeladener G20-Gipfel hat begonnen
Konfliktbeladener G20-Gipfel hat begonnen
(dpa/SC) - Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der Klimawandel und die Kriegsgefahr in der Golfregion stehen im Mittelpunkt des G20-Gipfels, der im japanischen Osaka begonnen hat. Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) kamen am Freitag zunächst zu Beratungen über die Lage der Weltwirtschaft und Handelsfragen zusammen. Noch wichtiger als die Treffen im großen Kreis dürften aber die zahlreichen Einzelgespräche sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel traf noch vor Gipfelbeginn US-Präsident Donald Trump, der sie als "fantastische Person" und "großartige Freundin" lobte. Das Verhältnis sei "grandios", sagte er.
Kurz vor dem Gipfel hatte sich das noch ganz anders angehört: Trump kritisierte Deutschland wieder einmal scharf für mangelnde Verteidigungsausgaben und zu viel Nähe zu Russland. "Sie bezahlen einen potenziellen Feind", kommentierte Trump die deutsch-russische Zusammenarbeit im Energiebereich in einem Fernsehinterview. Merkel hatte ihrerseits in einer Ansprache an der amerikanischen Elite-Uni Harward kürzlich die Politik Trumps kritisiert, ohne aber explizit seinen Namen zu nennen.
Putin kritisierte vor Gipfelbeginn die Flüchtlingspolitik Merkels scharf. Ihre Entscheidung, dass im Jahr 2015 Hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht suchen konnten, bezeichnete er in einem Interview der britischen "Financial Times" als "Kardinalfehler": "Die Idee des Liberalismus setzt voraus, dass nichts getan werden muss. Dass Migranten ungestraft töten, plündern und vergewaltigen können, weil ihre Rechte als Migranten geschützt werden müssen." Der russische Präsident lobte dagegen Trump als einen talentierten Menschen. "Er weiß sehr gut, was seine Wähler von ihm erwarten", sagte er. "Er hat seine eigene Vision der Welt."
Putin und Trump trafen sich in Osaka zum Gespräch. Dabei ging es auch um den Konflikt zwischen den USA und dem Iran, der sich in den vergangenen Wochen immer weiter hochgeschaukelt hat. Angriffe auf Handelsschiffe in der Golfregion und der Abschuss einer US-Drohne durch den Iran hatten die Krise an den Rand eines Krieges gebracht. "Hoffentlich wird es am Ende gutgehen", sagte Trump zum Auftakt des Gipfels. "Wenn es das tut - großartig. Wenn es das nicht tut, werden Sie davon hören."
Bei dem Treffen forderte Trump Putin außerdem dazu auf, "sich nicht in die (Präsidentschafts-)Wahlen einzumischen".
Die USA und Russland wollen trotz ihres angespannten Verhältnisses die Gespräche über gemeinsame Rüstungskontrolle fortsetzen.
"Beide Führungspersönlichkeiten stimmten überein, dass verbesserte Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland im gemeinsamen Interesse beider Länder sind und im Interesse der Welt", teilte das Weiße Haus am Freitag nach einem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Rande des G20-Gipfels der großen Wirtschaftsnationen im japanischen Osaka mit.
"Die Präsidenten stimmten überein, dass die beiden Länder ihre Diskussionen über ein Modell zur Waffenkontrolle für das 21. Jahrhundert fortsetzen wollen", heißt es weiter. Trump habe seiner Forderung Nachdruck verliehen, dass dabei auch China beteiligt werden müsse.
Der Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China
Sein wichtigstes Treffen bei dem Gipfel hat Trump aber erst am Samstag kurz vor Ende des Gipfels mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Dann wird sich entscheiden, ob in den seit Monaten festgefahrenen Handelsstreit zwischen beiden Ländern wirklich Bewegung kommt und die Gespräche darüber wieder aufgenommen werden.
Medienberichten zufolge soll Trump zugesagt haben, die angedrohte Ausweitung der Strafzölle auf alle Importe aus China erstmal zu verschieben. Das sei Bedingung Xi Jinpings für das Treffen in Osaka gewesen. Zumindest an dieser Stelle gibt es also ein wenig Hoffnung.
China hat die USA eindringlich vor den Folgen einer Eskalation ihres Handelskrieges gewarnt. Durch die Offensive der USA sähen beide Länder ihre Beziehungen "auf den Weg zu einer möglichen ausgewachsenen Konfrontation abrutschen", hieß es am Freitag in einem Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua.
Die USA müssten China dann aber auch gleichberechtigt behandeln und dessen "legitime Sorgen" berücksichtigen, schrieb die Staatsagentur weiter. Die Handelsoffensive der USA gegen China vergifte nicht nur das Verhältnis zwischen den beiden größten Volkswirtschaften, sondern ersticke auch die ohnehin schwache weltwirtschaftliche globale Erholung. Einige ultrakonservative Entscheidungsträger der USA weiteten die Handelskampagne "in eine größere Operation aus, um China auszuschließen und seinen Aufstieg einzudämmen".
Handelskriege haben keine Gewinner.
China wolle keinen Handelskrieg, fürchte ihn aber auch nicht und werde ihn wenn nötig bis zum Ende kämpfen, unterstrich der Kommentar die chinesische Position. Um eine anhaltende Vereinbarung zu bekommen, müsse die China-Politik der USA rational sein.
Klimawandel im Mittelpunkt
Für Erfolg oder Misserfolg des Gipfels in Osaka wird letztlich entscheidend sein, ob man sich bei den Streitthemen Klimaschutz und Freihandel überhaupt auf gemeinsame Formulierungen in der Abschlusserklärung einigen kann. Beim Klimaschutz war das in den vergangenen beiden Jahren nicht der Fall, da die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen sind.
Die Europäische Union will keine Formulierung zum Klima akzeptieren, die hinter vorherige Erklärungen zurückfällt. "Ich denke, dass wir eine starke Erklärung zum Klimawandel brauchen", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Beim letzten Gipfel in Buenos Aires hatten sich die Gipfelteilnehmer im Dezember mit Ausnahme von Trump zur "uneingeschränkten Umsetzung" des Pariser Klimaabkommens bekannt und festgehalten, dass der Vertrag "unumkehrbar" sei.
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen haben bei den Gesprächen über die Abschlusserklärung des Gipfels in Osaka neben den USA auch Länder wie Brasilien und Australien Einwände gegen eine weitgehende Erklärung zum Klimaschutz. Es werden deswegen bis zum Gipfelende am Samstag harte Verhandlungen erwartet.
Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Temperatur bei weniger als zwei Grad und möglichst sogar bei nur 1,5 Grad zu stoppen. Vergleichsmaßstab ist die Zeit vor der Industrialisierung.
EU-Ratspräsident Donald Tusk über die Neubesetzung von EU-Spitzenposten
Die schwierigen Verhandlungen über die Neubesetzung von EU-Spitzenposten kommen offensichtlich voran. "Ich habe das Gefühl, dass wir näher an einer Lösung sind", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag am Rande des G20-Gipfels im japanischen Osaka. Es sei aber noch zu früh, um etwas Konkreteres zu sagen.
Nach Angaben eines Sprechers führte Tusk im Laufe des Tages noch einmal persönliche Gespräche mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und Italiens Regierungschef Giuseppe Conte. Zudem sollte es noch ein Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte und Telefongespräche mit nicht beim G20-Gipfel anwesenden Staats- und Regierungschefs geben.
Merkel, Macron und Sánchez gelten als die einflussreichsten Akteure in dem Auswahlprozess. Schwierig machte die Lage aber, dass sie unterschiedlichen europäischen Parteifamilien angehören. Macron gehört zur Gruppe der liberalen Staats- und Regierungschefs. Spaniens Ministerpräsident Sánchez ist hingegen Mitglied der europäischen Sozialdemokraten, Merkel der christdemokratischen Parteienfamilie EVP.
Bei dem kniffligen Personalpaket geht es um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie vier weitere Spitzenposten. Die Christdemokraten wollen, dass ihr Europawahl-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) Junckers Job bekommt, und argumentieren, dass die Europäische Volkspartei (EVP) bei der EU-Wahl die meisten Stimmen bekommen hat. Liberale und Sozialdemokraten wollen diese Argumentation jedoch nicht akzeptieren.
Die Beratungen im großen Kreis der Staats- und Regierungschefs zu diesem Thema waren beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche ergebnislos zu Ende gegangen. Nun gibt es am Sonntag ein weiteres 28er-Treffen in Brüssel. Spekulationen, dass es bereits vorher in Japan Klarheit geben könnte, erteilte Tusk eine Absage. "Erwarten Sie keinen weißen Rauch hier in Osaka", sagte der EU-Ratspräsident.
Tusk warnte zum Auftakt des Gipfels außerdem eindringlich vor nationalen Alleingängen. "Die globale Bühne darf keine Arena werden, in der die Stärkeren den Schwächeren ihre Bedingungen diktieren, in der Egoismus über Solidarität und nationalistische Gefühle über gesunden Menschenverstand dominieren", sagte er.
Alle Gipfelteilnehmer müssten verstehen, dass sie nicht nur die Verantwortung für die eigenen Interessen, sondern auch für Frieden sowie für eine sichere und faire Weltordnung trügen.
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