Klimakonferenz: "Untätigkeit ist Verbrechen"
Klimakonferenz: "Untätigkeit ist Verbrechen"
(KNA/DPA) Acht Kardinäle haben an die Staaten auf der 25. UN-Klimakonferenz in Madrid appelliert. "Untätigkeit ist ein Verbrechen gegen Mensch und Natur", heißt es in der Stellungnahme, die bereits bei der Amazonas-Synode im Oktober unterzeichnet und jetzt als Appell veröffentlicht wurde. "Wenn es der Menschheit nicht gelingt, den Klimawandel einzudämmen, können Krisenphänomene wie jene im Amazonasgebiet einen 'point of no return' erreichen", warnen die aus allen Kontinenten stammenden Kardinäle. Zu den acht Unterzeichnern gehört auch Kardinal Jean-Claude Hollerich aus Luxemburg.
Was wir am Amazonas sehen, ist wie ein Labor für den ganzen Planeten.
Bei der Synode sei der "Schrei der Menschen" in den Amazonasgebieten und der "Schrei des Waldes selbst" als Folgen einer imperialen Lebensweise hörbar geworden, so die Kardinäle. "Was wir am Amazonas sehen, ist wie ein Labor für den ganzen Planeten." Die Menschen dort erlebten Dürren und Hitze wie noch nie; 20 Prozent des Baumbestandes seien zerstört; es drohe die Gefahr, dass der für das Weltklima entscheidende Amazonas-Wald zu einer Savanne wird. Der Sonderbericht des Weltklimarates IPCC von 2018 habe deutlich gemacht: "Die Zeit wird knapp." Bis zum Jahr 2050 bleibe nur noch wenig Zeit, um die derzeitigen CO2-Emissionen radikal zu senken.
Regierungen, die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft hätten das Handeln zu lange aufgeschoben, einige Staaten würden "nicht im Geiste des Pariser Abkommens verhandeln, sondern weiterhin im Eigeninteresse agieren" und Lücken bei den Emissionsregeln öffnen, beklagen die Kardinäle. "Wir sind enttäuscht über den Mangel an Ehrlichkeit und Transparenz, da die Regierungen weiterhin ihr Engagement im Rahmen des Pariser Abkommens bekräftigen, während ihre Politik das Gegenteil bewirkt."
Klimagipfel geht in entscheidende Phase
Derweil geht der Madrider Klimagipfel, begleitet von Protestaktionen und Appellen zahlreicher Umweltschützer aus allen Erdteilen, in seine entscheidende Phase: Appelle, Proteste und Hiobsbotschaften gab es in der ersten Woche der Weltklimakonferenz genug - aber werden die Verantwortlichen auch konkrete Maßnahmen vorlegen? Denn während die Minister in Madrid anreisen, gibt es neue Hiobsbotschaften zur Lage des Planeten.
Der sinkende Sauerstoffgehalt in den Ozeanen werde zu einer wachsenden Bedrohung für die Fischbestände, hieß es in einem neuen Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN), der am Samstag in Madrid vorgestellt wurde. Betroffen seien etwa 700 Meeresregionen in aller Welt. Der Sauerstoffverlust werde nicht nur durch die Klimaerwärmung, sondern auch durch die Verschmutzung der Gewässer und ein daraus resultierendes Algenwachstum ausgelöst, warnen die Experten.
Von Montag an wird in der spanischen Hauptstadt nun auf Ministerebene verhandelt - dann wird sich zeigen, ob die einzelnen Staaten auf die Warnungen von Wissenschaftlern und Aktivisten reagieren und ehrgeizigere Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung formulieren. Auch Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) und Finanzminister Pierre Gramegna (DP) sind von Montag an dabei.
Über ambitioniertere Ziele beraten
Auf der Agenda stehen auch der Handel mit Emissionen und die Unterstützung für vom Klimawandel besonders hart getroffene Staaten. Speziell arme Länder, die am wenigsten zur Krise beitragen, leiden unter den Folgen von Dürren und Wetterkatastrophen. Allerdings müssen weitere Ziele dem Pariser Klimaabkommen zufolge eigentlich erst bei der COP26 im nächsten Jahr vorgestellt werden. Deshalb ist es fraglich, ob schon jetzt konkrete Pläne vorgelegt werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zum Auftakt des zweiwöchigen Gipfels am vergangenen Montag einen „European Green Deal“ angekündigt. Ziel sei es, Emissionen zu senken, Jobs zu schaffen und die Lebensqualität zu erhöhen. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, in der Europäischen Union müssten nun alle an einem Strang ziehen, wenn der Kontinent im Klimaschutz eine Vorreiterrolle übernehmen solle. Deutschland wolle dazu beitragen, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent werde, sagte die CDU-Politikerin in ihrem wöchentlichen Podcast.
Dänemarks sozialdemokratische Minderheitsregierung und sieben weitere Parteien einigten sich auf verbindliche Ziele zur Reduzierung klimaschädlicher Gase. Mit einem entsprechenden Gesetz wolle das 5,6 Millionen Einwohner zählende Land bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein. Auf dem Weg dahin will Dänemark zunächst bis 2030 seine klimaschädlichen Emissionen um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.
Zehntausende Demonstranten aus aller Welt
Am Sonntag protestierten Dutzende Indigene aus Brasilien zusammen mit der Klimaschutzbewegung 350.org vor dem Hauptsitz des spanischen Ölkonzerns Repsol, um auf eine massive Ölpest aufmerksam zu machen, die seit Monaten Tausende Kilometer Küste in dem südamerikanischen Land verseucht.
Umweltschützer werfen dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro vor, viel zu lange untätig gewesen zu sein und kaum Mittel für die Bekämpfung der Ölpest zur Verfügung gestellt zu haben.
Die Demonstranten, die eine Menschenkette bildeten, trugen traditionelle Kleidung und hatten teilweise Hände und Gesicht schwarz angemalt, um auf das Öl-Leck hinzuweisen. „Unsere gesamte Natur wird gerade zerstört“, sagte einer der Demonstranten. Überhaupt stehen viele Aktionen im Zeichen der Probleme indigener Völker aus Lateinamerika, die ganz massiv von der Umweltzerstörung betroffen sind.
Die zweiwöchige Weltklimakonferenz sollte eigentlich in Santiago de Chile stattfinden. Wegen der dortigen Unruhen wurde sie aber kurzfristig nach Madrid verlegt.
