Keine Entspannung im deutschen Asylstreit
Keine Entspannung im deutschen Asylstreit
(dpa) - „Unsinn! Es gibt kein Ultimatum. Die Kanzlerin hat die Bundestagsfraktion der Union gebeten, ihr zwei Wochen Zeit zu geben. Der CSU-Vorstand hat beschlossen, es gehört zum guten Stil, einer solchen Bitte einer Kanzlerin zu entsprechen“, sagte CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). „Die Kanzlerin hat sich selbst eine Frist gesetzt.“
Angela Merkel will beim EU-Gipfel Ende Juni die von ihr angestrebte europäische Lösung hinbekommen: Andere EU-Staaten sollen sich in bilateralen Vereinbarungen verpflichten, bei ihnen registrierte und nach Deutschland weitergereiste Flüchtlinge zurückzunehmen.
Sollte es dort keine Einigung geben, will Seehofer - gegen den Willen von CDU-Chefin Merkel - ab Anfang Juli solche Flüchtlinge an den Grenzen zurückweisen lassen. Es droht ein Bruch der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU - und damit der deutschen Regierungskoalition.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warf der CSU vor, die Union auf einen antieuropäischen Rechtskurs zwingen zu wollen. „In Wahrheit geht es im Moment auch überhaupt nicht um das Thema Grenzabweisung, sondern in Wahrheit will die CSU eine Verschiebung der Position der Union weit nach rechts gegen Europa“, sagte er im Deutschlandfunk. Die CDU könne das nicht dulden.
SPD plant Neuwahlen
Der CDU/CSU-Streit sorgt beim Koalitionspartner SPD zunehmend für Unmut. Sie sei „sehr verärgert über die Art und Weise, wie hier mit Deutschland auch gespielt wird, weil man offensichtlich Panik hat, dass man in Bayern die absolute Mehrheit verliert“, sagte die Vorsitzende Andrea Nahles in den ARD-„Tagesthemen“ mit Blick auf die CSU und die bayerische Landtagswahl im Oktober. Es gehe in dem Streit gar nicht mehr um die Flüchtlingspolitik, sondern vielmehr um Machtkämpfe, Rivalitäten sowie um „innerparteilichen Geländegewinn“. Laut einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" soll es bereits drei interne Treffen zu möglichen Neuwahlen gegeben haben. Wie das Magazin weiter schreibt, würden auch schon geeignete Räumlichkeiten für einen Sonderparteitag gesucht.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 43 Prozent der Befragten dafür aus, dass Merkel zurücktritt und ihr Amt an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergibt. Mit 42 Prozent wünschen sich etwa genauso viele Befragte, dass die CDU-Vorsitzende Kanzlerin bleibt. 15 Prozent machten keine Angaben.
Nach ihrer Rückkehr will Merkel am Sonntag mit mehreren europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel über die Flüchtlingspolitik debattieren. Doch auch hier gibt es Wirbel: Der Ministerpräsident Italiens, Giuseppe Conte, hatte mitgeteilt, Merkel habe ihm zugesagt, dass der Entwurf der geplanten Erklärung „beiseite gelegt“ werde. Das Land fühlt sich bei der Vorbereitung des Treffens übergangen. In deutschen Regierungskreisen wurde betont: „Das Treffen am Sonntag hat lediglich vorbereitenden Charakter.“
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