Karneval in Aalst: Antisemitische Karikaturen und Spottlieder
Karneval in Aalst: Antisemitische Karikaturen und Spottlieder
Der Wirbel über die Zoten der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer über intersexuelle Menschen ist noch nicht verklungen, da kommt bereits der nächste Karnevals-Fauxpas, diesmal aus Luxemburgs westlichem Nachbarland: Bei einem Straßenkarnevalsumzug in der flämischen Kleinstadt Aalst fuhr ein Motivwagen mit, der stereotypisch extrem überzeichnete orthodoxe Juden zeigt - laut Auskunft der verantwortlichen Karnevalstruppe, um bekannt zu geben, dass sie im nächsten Jahr nicht am Zug teilnehmen, sondern Geld für einen besonders aufwendigen Beitrag im übernächsten Jahr sammeln werden. Der Beitrag trägt daher den doppeldeutigen Titel "Sabbatjahr".
Die beiden Figuren tragen auf dem Kopf den Schtrejml, die traditionelle Kopfbedeckung orthodoxer Juden. Sie haben Schläfenlocken, Wulstlippen und Hakennasen, sind also genau so gefertigt, wie das berüchtigte NS-Hetzblatt "Stürmer" in seinen Karikaturen Juden darstellte. Auf der Schulter der einen Figur findet sich eine weiße Ratte, beide Figuren haben zu ihren Füßen Geldsäcke und Goldmünzen. Dem Wagen folgt ein zweiter, auf dem die Karnevalstruppe in ähnlicher Aufmachung tanzt und dabei offenbar ein Spottlied in verballhorntem Jiddisch und westflandrischem Dialekt singt.
Binyomin Jacobs, der niederländische Oberrabbiner, nannte den Beitrag "schockierend". Er enthalte "typische, antisemitische Karikaturen von 1939", sagte er der Nachrichtenagentur "Jewish Telegraphic Agency". Die Dachverbände der Juden in Belgien FJO und CCOJB beschwerten sich offiziell bei den für Rassismus zuständigen Behörden. Die Facebook-Seite der verantwortlichen Karnevalstruppe "De Vismooil'n" ist nicht mehr zu erreichen. Der Beitrag ist aber noch auf dem Youtube-Kanal der Stadt Aalst zu sehen.
Nach Angaben der "Jüdischen Allgemeinen" ist es nicht der erste geschmacklose Vorfall im Aalster Karneval: 2013 sei ein Wagen im Umzug mitgefahren, der an einen Eisenbahnwaggon erinnerte, begleitet von Karnevalisten in SS-Uniformen.
EU-Kommission findet deutliche Worte
Die Europäische Kommission verurteilte den Vorfall am Dienstag scharf. Kommissionssprecher Mathildis Schinas sagte auf Nachfrage eines Journalisten: "Es sollte jedem einleuchten, dass es absolut undenkbar ist, dass solche Bilder heutzutage in Europa bei einer Parade zur Schau getragen werden, 74 Jahre nach der Schoah."
Dann zitierte er Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Unsere Union wurde errichtet auf der Asche des Holocausts. Sich daran zu erinnern und Antisemitismus zu bekämpfen, ist unsere Pflicht der jüdischen Gemeinschaft gegenüber. Und es ist unabdingbar, dass wir unsere gemeinsamen europäischen Werte verteidigen."
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
