Julian Assange: Der Held in Unterhosen
Julian Assange: Der Held in Unterhosen
(dpa/jt) – Ecuadors Präsident Lenín Moreno hat Wikileaks-Gründer Julian Assange vorgeworfen, in der Londoner Botschaft des Landes ein „Zentrum der Spionage“ betrieben zu haben. „Mit der Erlaubnis der Behörden der Vorgängerregierung (in Ecuador) wurden Einrichtungen in der Botschaft zur Verfügung gestellt, um in Prozesse anderer Staaten einzugreifen“, sagte Moreno der britischen Zeitung „The Guardian“ (Montag).
Moreno warf Assange ein "absolut verwerfliches und skandalöses Benehmen" sowie ein "unangemessenes Hygieneverhalten" in der Botschaft vor. Assange soll demnach die Wände mit seinen Exkrementen beschmiert haben. Die Anwältin des 47-Jährigen, Jennifer Robinson, wies die Anschuldigungen als "skandalös" zurück.
Die Zeitung „New York Post“ nannte am Sonntag einen anderen Grund, der Assange den Rauswurf aus der Botschaft beschert haben könnte: Ein Foto, das Lenín Moreno bei einem opulenten Hummer-Frühstück im Bett zeigt, soll dem Bericht zufolge von Wikileaks oder direkt von Assange geleakt worden sein. Das Foto sei "zusammen mit 200 privaten Mails, Texten und Dokumenten“ im März auf der anonymen Webseite „INApapers.org“ erschienen, wie die Zeitung schreibt. Wikileaks dementierte, etwas mit den Enthüllungen zu tun haben. Der politisch links stehende Moreno geriet durch das Foto politisch unter Druck.
4000 Euro für eine neue Klospülung
Unterdessen sind weitere Details aus Assanges Leben in der Botschaft durchgesickert. Um die Toilette des Wikileaks-Gründers zu reparieren, wurde 2016 eigens ein Installateur aus dem spanischen Valencia eingeflogen. Die aus Spanien stammenden Sicherheitsleute des gebürtigen Australiers befürchteten nämlich, dass ein lokaler Klempner das Klo verwanzen könnte. Kosten des viertägigen Einsatzes: 4000 Euro.
Dies berichtete die spanische Tageszeitung „El País“ am Sonntag unter Berufung auf frühere Beschützer des am Donnerstag in London verhafteten Enthüllers. Demnach kümmerte sich jahrelang eine im südspanischen Cádiz ansässige Firma um die Sicherheit des Gastes. Sie wurde direkt von einem Geheimdienst in Quito bezahlt.
Ihren Schützling nannten die Spanier intern „den Gast“ oder auch „El Juli“, eine Verkürzung seines Vornamens, aber auch Name eines berühmten Toreros. Assange pflegte spät schlafen zu gehen und spät aufzustehen. Auch wenn er die Botschaft nicht verlassen konnte, empfing er jede Menge Besucher, darunter Lady Gaga, Yoko Ono und ihren Sohn Sean Lennon oder die Modedesignerin Vivienne Westwood, die ihm Essen brachte.
Die Spanier beobachteten demnach auch das exzentrische Benehmen Assanges. TV-Interviews gab er in Unterhosen, angezogen sei er nur vom Gürtel aufwärts gewesen, also dem auf dem Bildschirm sichtbaren Teil seines Körpers. Er habe sich gehen lassen und die Toilette nach Benutzung nicht gespült. Die Botschaftsmitarbeiter störte es auch, wenn er in einem kleinen Raum auf einer elektrischen Herdplatte kochte. Die lange Zeit in der Botschaft vertrieb er sich manchmal mit Skateboardfahren oder Ballspielen im Flur.
Der Einsatz des spanischen Teams endete 2017, als in Quito der linke Präsident Rafael Correa von dem gemäßigten Lenín Moreno abgelöst wurde. In der vorigen Woche entzog Ecuador Assange den diplomatischen Schutz, woraufhin er von der britischen Polizei festgenommen wurde. Ihm droht die Auslieferung in die USA.
Deutsche und spanische Abgeordnete versuchten unterdessen am Montag vergeblich, Assange im Gefängnis zu besuchen. Heike Hänsel und Sevim Dagdelen (beide Die Linke) hatten aber nur eine Besuchsgenehmigung für die Botschaft, wie eine Sprecherin der Partei in Berlin sagte. „Vom Gefängnis gab es keine Antwort.“ Auch die spanische Grünen-Europa-Abgeordnete Ana Miranda war nach London gereist.
Das Verhalten der Regierung Ecuadors gegenüber Assange sei ein „eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der drei Politiker. Sie sprachen von einer „Schmutz- und Verleumdungskampagne“ gegen den 47-Jährigen.
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