Johnson will Parlament erneut in Zwangspause schicken
Johnson will Parlament erneut in Zwangspause schicken
(dpa/AFP/jt) - Der Versuch von Boris Johnson, das britische Parlament mit einer fünfwöchigen Zwangspause während den Brexit-Verhandlungen kaltzustellen, scheiterte vor Gericht. Nun will der Premier eine neue, wenn auch kürzere, Parlamentspause bei Königin Elizabeth II. beantragen. Die Unterbrechung soll von 8. Oktober bis zum 14. Oktober dauern.
Am 14. Oktober verliest Königin Elisabeth II. das Regierungsprogramm von Johnson im Unterhaus. Traditionellerweise wird das Parlament vor der jährlichen Thronrede einige Tage suspendiert.
Johnsons ursprünglicher Versuch, die Abgeordneten für fünf Wochen in eine Zwangspause zu schicken, war vom Supreme Court für illegal befunden und aufgehoben worden. Die am Mittwoch angekündigte Aussetzung sollte allerdings kein rechtliches Problem darstellen. Sie gebe der Regierung Zeit, um "alle notwendigen logistischen Vorkehrungen" für die Rede von Königin Elizabeth II. zu treffen, teilte das Büro des Premierministers am Mittwoch mit.
Wenige Tage darauf soll es dann beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober zum Showdown mit der EU kommen.
Juncker sieht Verhandlungsbasis
Johnson hatte am Mittwoch seine Pläne für ein neues Austrittsabkommen vorgelegt. Er stellt Brüssel vor die Wahl zwischen einem Deal auf Grundlage seiner Pläne und einem ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober.
In Kern geht es Johnson um eine entscheidende Änderung des bereits vor einem Jahr ausgehandelten Austrittsabkommens. Johnson will die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aus dem Abkommen streichen.
Erste Reaktionen aus Brüssel, Berlin und Dublin waren skeptisch. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte aber an, auf Grundlage der Vorschläge verhandeln zu wollen.
Es gebe in Johnsons Vorschlägen „positive Fortschritte“, doch blieben auch „problematische Punkte“, ließ Juncker nach einem Telefonat mit Johnson erklären. Dies erfordere Arbeit in den kommenden Tagen. Treffen der Verhandlungsteams seien bereits angesetzt. „Wir wollen einen Deal“, hieß es weiter. Daran werde die EU rund um die Uhr arbeiten.
Irlands Regierungschef Leo Varadkar habe den britischen Premierminister in einem Telefonat am Mittwochabend darauf hingewiesen, dass die Vorschläge noch kein vollwertiger Ersatz für den Backstop seien, teilte Dublin mit.
Johnsons Angebot an die EU:
Der Backstop sollte dafür sorgen, dass an der inneririschen Grenze keine Waren- und Zollkontrollen notwendig sind. Diese gelten als politisch heikel in der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Johnson will als Ersatz eine komplizierte Regelung, die Zollkontrollen erforderlich machen würde, wenn auch nicht direkt an der Grenze.
Backstop als "Brücke nach Nirgendwo"
Johnson schlägt auch vor, dass in Nordirland weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten. Das ist der EU wichtig, um ihren Binnenmarkt zu schützen. Allerdings will Johnson die Entscheidung, wie lange das gilt, in die Hand des nordirischen Regionalparlaments legen. Die Volksvertreter sollen alle vier Jahre entscheiden, ob es dabei bleibt. Gleichzeitig soll sich die EU verpflichten, in keinem Fall Kontrollen an der Grenze durchzuführen.
Johnson betonte in einem Schreiben an Juncker, es sei „nicht das Ziel der aktuellen Regierung“, eine enge Anbindung an EU-Regeln zu Zöllen und Produktstandards einzugehen. Der Backstop, der das vorsehe, sei daher eine „Brücke nach Nirgendwo“.
No-Deal wird niemals die Wahl der EU sein, niemals.
Michel Barnier
Der Vorschlag ist für die EU schwierig. Dass die nordirische Vertretung immer neu über die Regelung abstimmen soll, könnte auf eine Befristung der Garantie einer offenen Grenze hinauslaufen, die Brüssel immer vermeiden wollte. Auch eine Zollgrenze will die EU nicht. Zollkontrollen weit entfernt von der Grenze hielt Brüssel bisher für nicht machbar. Europaabgeordnete sagten denn auch ganz offen, dass dieser Vorstoß nicht ausreiche. Die Brexit-Steuerungsgruppe im Parlament bewerte ihn „absolut nicht positiv“, sagte der Liberale Guy Verhofstadt. Der Linken-Brexit-Experte Martin Schirdewan sagte: „Nach dem, was jetzt bekannt ist, gehe ich davon aus, dass es ein Nein gibt.“
Die Brexit-Steuerungsgruppe im Europaparlament will sich am Donnerstag in einer Erklärung zu Johnsons Vorschlägen äußern. Nachmittags wollen auch die Botschafter der 27 bleibenden EU-Staaten Johnsons Vorstoß beraten. Zum Showdown kommen soll es beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober.
Allerdings will die EU nicht die Verantwortung für ein Scheitern, wie der SPD-Europapolitiker Jens Geier betonte. Deshalb müsse man die Vorschläge aus London ernst nehmen.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte am Mittwochabend, es bleibe viel Arbeit, um die drei Ziele des Backstops zu bewahren: keine Grenzanlagen, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum auf der irischen Insel und Schutz des EU-Binnenmarkts. „Wir werden weiter arbeiten, um eine Einigung zu erreichen“, sagte Barnier. „No-Deal wird niemals die Wahl der EU sein, niemals.“
