Jean Asselborn: "Die Grenze öffnen ist keine Lösung"
Jean Asselborn: "Die Grenze öffnen ist keine Lösung"
„Was Erdogan macht, ist eine klare Erpressung“, sagt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn über die dramatischen Ereignisse an der türkisch-griechischen Grenze. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan instrumentalisiere die Migranten in seinem Land, um die EU zu zwingen, ihm mehr Geld zu zahlen, so der Vorwurf.
Im Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hatte die Türkei zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Das Abkommen sieht vor, dass die EU alle Flüchtlinge und Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf und verpflichtet sich, sich finanziell an der Versorgung der Schutzsuchenden in der Türkei zu beteiligen. Ankara wurden 2016 ungefähr sechs Milliarden Euro versprochen. Doch droht der Pakt zu zerbrechen.
Asselborn erinnert daran, dass über drei Milliarden Euro bereits ausgezahlt sind und das restliche Geld bereit steht, um – wie abgemacht – Flüchtlinge dort zu versorgen. „Dieses Geld soll dazu dienen, Schulen und Krankenhäuser zu finanzieren und nicht in die türkische Staatskasse fließen.“ Die Einigung sieht vor, dass nur genehmigte Projekte finanziert werden.
"Das Problem wäre lösbar"
„Wenn es wirklich nur ums Geld geht, dann ist das Problem lösbar“, meint Asselborn. Doch darum gehe es nicht wirklich: Aus Regierungskreisen in Athen hieß es am Wochenende, der türkische Präsident nutze die Millionen Migranten in seinem Land aus, um die EU zu zwingen, ihm mehr Geld zu zahlen, damit er seine Politik und Militäraktion in Syrien fortsetzen könne – im selben Zusammenhang hatte Ankara auch vergangene Woche bei den NATO-Partnern (die Türkei ist NATO-Mitglied) um Unterstützung im Syrienkonflikt gebeten.
Bei Luftangriffen starben am 27. Februar in der syrischen Provinz Idlib laut offiziellen Zahlen 36 türkische Soldaten. Unklar ist dabei, welche Rolle die russische Luftwaffe gespielt hat – Moskau kontrolliert den Luftraum über Syrien.
„Erdogan ist unter Druck“
„Dadurch geriet Erdogan unter Druck“, meint Asselborn. In diesem Zusammenhang fordert Jean Asselborn, dass die NATO Erdogan zur Raison bringen soll: „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die NATO in Syrien gegen Russland eingreifen wird“, so Luxemburgs Außenminister. Er fordert dagegen eine politische Lösung im Syrienkonflikt, die nur in Zusammenarbeit mit Moskau glücken kann: „Russland hat den Schlüssel für eine Waffenruhe“.
Was andere Lösungsansätze angeht, fordert Asselborn Vorsicht: „Die Grenze öffnen ist keine Lösung: Griechenland wäre überfordert, wir hätten Chaos auf dem Balkan und Rechtspopulisten in Europa hätten wieder Aufwind“. Weder Athen noch die Balkanstaaten nördlich von Griechenland seien darauf vorbereitet.
„Dazu muss klar gesagt werden, dass die Menschen an der türkisch-griechischen Grenzen mit Falschinformationen aus der Türkei gefüttert werden“, so Asselborn. „Erdogan instrumentalisiert die Hoffnungen von verzweifelten Menschen“.
Dennoch bedauert der Außenminister die tragischen Bilder an der Grenze und kritisiert die allgemeine Stimmung innerhalb der EU: „2015 fragte man sich in der EU, wie man Menschen in der Not helfen kann – nun sei die Hauptfrage: wie macht man am besten eine Grenze dicht? Die Perspektive hat sich verändert“, bedauert er. „Wir haben uns zu sehr darauf konzentriert, unsere Außengrenzen zu sichern und zu wenig Zeit damit verbracht, eine europäische Flüchtlingspolitik auf die Beine zu stellen.“
Mögliche Aushebelung des Asylrechts
Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR warnte am Montag vor einer möglichen Aushebelung des Asylrechts an der griechisch-türkischen Grenze. „Alle Staaten haben das Recht, ihre Grenzen zu kontrollieren und irreguläre Bewegungen zu verwalten, sollten jedoch gleichzeitig auf unverhältnismäßige Gewalt verzichten und Systeme zur ordnungsgemäßen Bearbeitung von Asylanträgen unterhalten“, schrieb das UNHCR in einer Pressemitteilung. „Weder die Genfer Konvention noch das EU-Flüchtlingsrecht bieten eine Rechtsgrundlage für die Aussetzung der Aufnahme von Asylanträgen.“
