Italien verlängert Ausnahmezustand auf unbestimmte Zeit
Italien verlängert Ausnahmezustand auf unbestimmte Zeit
Von LW-Korrespondent Dominik Straub (Rom)
Seit dem 11. März herrscht in ganz Italien ein weitgehendes Ausgangsverbot - und trotzdem nimmt die Zahl der Infizierten und der Toten weiterhin stetig zu: Am Mittwoch hat der nationale Zivilschutz 475 Tote gemeldet, die bisher höchste Zahl an Todesopfern an einem einzigen Tag.
Besonders schlimm ist die Situation nach wie vor in der Lombardei, wo am Mittwoch 319 Tote gemeldet wurden. In der Nacht auf Donnerstag ist in Bergamo das Militär mit einer langen Lastwagenkolonne angerückt - nicht um den überlasteten Krankenhäusern zu helfen, sondern um 60 Tote in ihren Särgen in andere Städte abzutransportieren. Das örtliche Krematorium ist trotz 24-Stunden-Betrieb nicht mehr in der Lage, alle Opfer der Epidemie einzuäschern.
Kollaps des Gesundheitssystems verhindert
Angesichts der dramatischen Entwicklung - landesweit zählte Italien am Mittwochabend 35 000 Infizierte, von denen 3405 gestorben sind - hat der Regierungschef angekündigt, dass die bisher verordneten Quarantäne-Maßnahmen auf unbestimmte Zeit verlängert würden. Dies betrifft insbesondere auch die Schließung aller Schulen, Kindergärten und Universitäten, die ursprünglich am 3. April den Unterricht wieder hätten aufnehmen sollen.
"Es ist klar, dass die bisher getroffenen Maßnahmen, sowohl die Schließung vieler Unternehmen und der Schulen als auch die Einschränkungen für Private zwangsläufig über den Termin hinaus verlängert werden müssen", betonte Conte. Mit den Maßnahmen habe man "den Kollaps des Gesundheitssystems verhindert", und die über das ganze Land verhängte Quarantäne werde "hoffentlich in einigen Tagen" zu einer Verlangsamung der Epidemie führen - aber nur, wenn das Regime weitergeführt werde und sich die Bürgerinnen und Bürger diszipliniert an die verordnete "soziale Distanz" halten würden.
45 000 Anzeigen erstattet
Mit der Disziplin hapert es in Italien derzeit noch etwas: Bei insgesamt über einer Million vorgenommen Kontrollen wurden in der vergangenen Woche bereits 45 000 Anzeigen erstattet. Diese betrafen sowohl Bürgerinnen und Bürger, die sich ohne triftigen Grund im Freien aufgehalten hatten, als auch Geschäftsbesitzer, die ihre Läden geöffnet ließen, obwohl sie nicht Produkte des Grundbedarfs verkaufen.
Eine weitere Verschärfung der bisherigen Maßnahmen sei "im Moment" zwar nicht geplant, "aber wenn die Leute sie nicht respektieren, dann werden wir reagieren", erklärte Conte. Möglich wäre dann zum Beispiel ein komplettes Verbot auch für Spaziergänge, Jogging und Radfahren sowie die Schließung aller Geschäfte und Supermärkte an den Wochenenden.
Keine Verlangsamung der Epidemie
Bisher haben die zum Teil drastischen Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit in Italien zumindest in absoluten Zahlen nicht zu einer Verlangsamung der Epidemie geführt: Sowohl bezüglich der Neuinfektionen als auch bezüglich der Toten meldet der Zivilschutz täglich höhere Werte. Zumindest theoretisch müsste sich die Kurve der Fallzahlen aber an diesem Wochenende abflachen: Wenn die Zahl der Neuansteckungen ab dem 11. März, als das Land unter Quarantäne gestellt wurde, tatsächlich deutlich zurückgegangen ist, dann müsste sich dies bei einer Inkubationszeit des Coronavirus von 4 bis 10 Tagen spätestens am 21. März, also am Samstag, auswirken.
Ein Rückgang der Fallzahlen könnte freilich auch andere Gründe haben als eine Verminderung der Neuansteckungen in den letzten zehn Tagen. Die Bilanz hängt maßgeblich davon ab, wie viele Tests durchgeführt werden und bei wem. "In den Spitälern der Lombardei, die kurz vor dem Kollaps stehen, werden inzwischen sehr viele Patienten mit Symptomen abgewiesen, ohne dass bei ihnen noch ein Test durchgeführt wird", betonte der Biologieprofessor Enrico Bucci, der die Fallzahlen seit Beginn der Epidemie analysiert.
Die offizielle Zahl der Infizierten liege damit zu tief. Dasselbe gelte für die Zahl der Toten in der Provinz Bergamo. Die vom Zivilschutz verbreiteten offiziellen Fallzahlen seien mit Vorsicht zu betrachten.
"Die Wahrheit ist doch, dass heute niemand, weder ein Mathematiker noch ein Virologe, eine Prognose darüber machen kann, wann die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht", sagte Bucci.
