Italien: Massentests als Rezept gegen Corona?
Italien: Massentests als Rezept gegen Corona?
Von LW-Korrespondent Dominik Straub (Rom)
Vo' Euganeo in der Provinz Padua hat am 21. Februar diesen Jahres traurige Berühmtheit erlangt: An diesem Tag hat das Corona-Virus in dem Ort mit 3.400 Einwohnern sein erstes Todesopfer in Europa gefordert, einen 78-jährigen Mann.
Vo' galt zusammen mit dem lombardischen Codogno beim Ausbruch der Epidemie als wichtigster Infektionsherd Italiens; die beiden Gemeinden wurden zwei Tage nach dem Todesfall zusammen mit neun weiteren Kleinstädten von der Regierung zur "roten Zone" erklärt und mit Straßensperren abgeriegelt. Alle Infizierten wurden unter strikte Quarantäne gestellt und durften ihre Häuser nicht mehr verlassen.
Ein Erfolg
Die Maßnahmen haben gewirkt: Nach drei Wochen Quarantäne verzeichnete Vo' während drei Tagen nacheinander keine neuen Ansteckungsfälle mehr; die Zahl der an Covid-19 Erkrankten sank von 88 auf sieben Personen. Zu Beginn der Epidemie waren 2,5 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert; drei Wochen später ist die Infektionsrate auf wenige Promille gefallen.
Die Quarantäne wurde vor einer Woche aufgehoben und die Straßensperren geräumt; seither gelten in der Kleinstadt die gleichen, weitreichenden Restriktionen wie im übrigen Italien.
Vo' ist freilich ein Spezialfall: Es ist die einzige Gemeinde Italiens, in der ein flächendeckender Massentest durchgeführt wurde: Bei 95 Prozent der Einwohner wurde ein Rachenabstrich gemacht. Dabei stellte sich heraus, dass 50 bis 75 Prozent der Infizierten keine oder kaum wahrnehmbare Symptome aufwiesen, wie der Immunologe Sergio Romagnani aus Florenz betont.
Totales Ausgehverbot
In Vo' wurden auch sie mit einem totalen Ausgehverbot belegt. Das Problem: Normalerweise werden Personen ohne Symptome schon gar nicht getestet - und entsprechend von den harten Quarantäne-Maßnahmen nicht erfasst. Um die Epidemie nachhaltig eindämmen zu können, müsste laut Romagnani deshalb die gesamte Bevölkerung auf das Virus getestet werden, nicht nur jene Personen, die Symptome aufweisen oder nachweislich Kontakt mit Infizierten hatten.
"Die Infizierten ohne Symptome sind eine formidable Quelle der Weiterverbreitung: Niemand kennt sie, niemand fürchtet sie - und sie stellen die überwiegende Mehrheit dar, ganz besonders bei den Jungen", betont der Experte. "Ihre Erkennung und Isolation wäre essentiell bei der Bekämpfung der Epidemie."
Organisatorische Grenzen
Flächendeckende Massentests möchte deshalb auch der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, durchführen - doch eine Methode, die in einem Dorf mit 3.400 Einwohnern funktioniert, stößt in größeren Städten schnell an ihre organisatorischen Grenzen.
Das zeigt sich auch in Venetien: Zaia wollte in seiner Region täglich 11.000 Tests durchführen lassen. Bei einer Gesamtbevölkerung von 4,9 Millionen Einwohnern würde es bei diesem Rhythmus 445 Tage dauern, bis alle Venetier getestet wären. In Rom sind die Pläne deshalb auf wenig Begeisterung gestoßen.
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