Iran: Trotz Lungenseuche keine Gnade
Iran: Trotz Lungenseuche keine Gnade
Von LW-Korrespondent Michael Wrase (Limassol)
Als die iranische Justiz am Donnerstag letzter Woche den seit neun Monaten inhaftierten amerikanischen Navy-Veteranen Michael R. White freiließ, schien sich eine vorsichtige Annäherung zwischen Washington und Teheran anzubahnen. Jetzt müssten die Amerikaner eigentlich nachziehen und die Corona-Krise biete dazu eine hervorragende Gelegenheit, kommentierten europäische Diplomaten in Teheran den „humanitären Schritt“ der Iraner. Doch Washington blieb hart.
„Mutwillige Verbreitung“
Gedankt – für die Vermittlung - wurde ausschließlich der Schweiz, die im Iran amerikanische Interessen vertritt und als „Briefträger“ immer wieder zur Deeskalation zwischen den beiden Erzfeinden beiträgt. Eine Aufweichung der auf umfassenden Sanktionen gestützten „Strategie des maximalen Drucks“ gegenüber Teheran, stellte US-Außenminister Mike Pompeo am Montag klar, sei nicht zu erwarten. Der amerikanische Chefdiplomat ging sogar noch einen Schritt weiter und unterstellte Iran die „mutwillige Verbreitung“ des Corona-Virus im Mittleren Osten.
Wer so handelt, so Pompeos Botschaft, könne bei der Bewältigung der Pandemie keine Gnade erwarten. Dass Iran zu spät auf den Corona-Virus reagiert hat, steht außer Frage. Mit seinen anfänglichen Unzulänglichkeiten im Umgang mit Covid 19 steht das Regime aber nicht alleine da, was nicht zuletzt ein Blick in die USA veranschaulicht.
Völlig überfordert
Inzwischen befolgt Iran jedoch die Weisungen der Weltgesundheitsorganisation „WHO“. Völlig überfordert im Kampf gegen das Corona-Virus ist Gesundheitssystem des Landes dennoch. „Wenn man einem Land 40 Prozent seiner Einnahmen raubt, indem man es hindert, sein Erdöl und Erdgas zu exportieren, dann ist das Gesundheitssystem zwangsläufig betroffen“, analysiert der an der Pariser Business School Novancia lehrende Wirtschaftsprofessor Thierry Coville.
Nach offiziellen Zahlen haben sich bisher 24811 Iraner mit Covid 19 infiziert. Fast 2000 Iraner fielen der Lungenseuche zum Opfer. In Wirklichkeit dürfte die Zahl der Infizierten und Toten fast fünfmal so hoch liegen, schätzt WHO-Notfalldirektor Rick Brennan, der Iran kürzlich besuchte. Im Iran kämpfe eine medizinisch unterversorgte Gesellschaft mit dem Virus, konstatiert der für den Bonner Think Tank „Carpo“ arbeitende Politologe Adnan Tabatabai. Es sei daher dringend geboten, die Sanktionen aufzuheben. Bereits seit Jahren habe Iran damit zu kämpfen, dass überlebenswichtige Medikamente sowie medizinisches Gerät nicht importiert werden könnten.
Keine überzeugende Rechtfertigung
Vor diesem Hintergrund befürwortet auch der Direktor des regierungsnahen Berliner Think Tank „Stiftung Wissenschaft und Politik“, Volker Perthes, eine Lockerung oder Aufhebung der von den USA verhängten Sanktionen gegen Iran. Es gebe keine überzeugende Rechtfertigung dafür, den nach internationalem Recht legalen Handel mit Iran durch direkte Sanktionen sowie Sanktionsdrohungen gegen Drittstaaten zu unterbinden, betonte Perthes in einem Gespräch mit dem Fernsehen der „Deutschen Welle“.
„Im Zeichen der Corona-Krise gilt das erst recht“. Humanitäre Maßnahmen, fügte der Politikwissenschaftler hinzu, dürften nicht an politische Forderungen geknüpft werden. Damit gemeint waren die USA, die, so Perthes, jetzt entscheiden müssten, „ob sie sich weiterhin als ein moralische Großmacht verstehen“.
US-Präsident Donald Trump hatte Ende Februar dem Regime in Teheran „humanitäre Hilfe“ angeboten, aber keine konkreten Vorschläge gemacht. „Die Iraner müssen uns nur darum bitten“, verkündete Trump scheinheilig.
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