Iran: Abschuss von Flugzeug vermutet - USA verkünden Sanktionen
Iran: Abschuss von Flugzeug vermutet - USA verkünden Sanktionen
(dpa) - Mit neuen Wirtschaftssanktionen erhöhen die USA in der Iran-Krise ihren Druck auf Teheran. Unterdessen verdichteten sich Hinweise, dass ein Raketenbeschuss den Absturz eines ukrainischen Flugzeugs mit 176 Toten verursacht hat. Die Katastrophe vom Mittwoch bei Teheran hängt nach Überzeugung mehrerer EU-Länder eng mit dem auch militärisch ausgetragenen Konflikt zwischen den USA und dem Iran zusammen.
Nach den iranischen Angriffen auf US-Truppen im Irak haben die USA weitere Wirtschaftssanktionen gegen Teheran verhängt. Das teilten US-Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin am Freitag in Washington mit. Unter anderem würden mehr als ein Dutzend der größten Stahl- und Eisenproduzenten im Iran mit Sanktionen belegt. Auch einzelne Produzenten von Aluminium und Kupfer würden ins Visier genommen. Mnuchin sagte, damit werde das iranische Regime von Einnahmen in Milliarden-Höhe abgeschnitten.
Pompeo sagte, außerdem würden acht hochrangige Vertreter der iranischen Regierung, die in die jüngsten Angriffe auf US-Truppen involviert gewesen seien, mit Sanktionen belegt. US-Präsident Donald Trump hat nach Mnuchins Angaben zudem die Befugnis für weitere Strafmaßnahmen gegen andere Teile der iranischen Wirtschaft gegeben, darunter das Bau- und Textilgewerbe.
Die Strafmaßnahmen aus Washington setzen dem Iran bereits seit langem zu und haben dort eine Wirtschaftskrise ausgelöst. Die iranische Führung spricht von einem „Krieg gegen die Wirtschaft“ ihres Landes.
Mehrere EU-Staaten sowie die USA unterstützen am Freitag die Annahme, der Iran habe das abgestürzte Flugzeug versehentlich abgeschossen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält das Szenario, dass der Absturz „möglicherweise“ vom irrtümlichen Abschuss einer Flugabwehrrakete verursacht wurde, für glaubwürdig. Und Pompeo sagte in Washington: „Wir glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass dieses Flugzeug durch eine iranische Rakete abgeschossen wurde.“ (Mehr zum Thema: Asselborn: "Es sind mutwillig 176 Leben vernichtet worden")
Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA riet infolge des Absturzes von Flügen über den Iran ab. Nach einem Treffen von Flugsicherheitsexperten in Brüssel sprach sich die EASA am Freitag gegen Flüge in einer Höhe von weniger als 25.000 Fuß (7.620 Metern) über den Iran aus. Zuvor hatte die EASA bereits empfohlen, Flüge über den Irak zu vermeiden.
USA hatten es auf weiteren Kommandeur abgesehen
Die Spannungen im Nahen Osten hatten zuletzt stark zugenommen. Die USA hatten vergangene Woche den iranischen Top-General Ghassem Soleimani mit einem Luftangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad gezielt getötet.
Die USA sollen es in der Nacht des Drohnenangriffs auf den iranischen Top-General Ghassem Soleimani übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge nicht nur auf ihn abgesehen gehabt haben. Ein geplanter Angriff auf einen anderen iranischen Kommandeur im Jemen sei allerdings fehlgeschlagen, berichtete am Freitag zunächst die „Washington Post“ unter Berufung auf vier namentlich nicht genannte US-Beamte und später auch der TV-Sender CNN unter Berufung auf zwei Insider.
Der „Washington Post“ zufolge soll die streng vertrauliche Operation einem Befehlshaber der iranischen Al-Kuds-Brigaden gegolten haben, die Soleimani angeführt hatte. Demnach ist Abdul Resa Schahlaei bei den Al-Kuds-Brigaden für Finanzen zuständig. Die Al-Kuds-Brigaden gehören zu den Revolutionsgarden (IRGC), einer Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte.
Der Iran reagierte auf die Tötung von Soleimani in der Nacht zum Mittwoch mit Vergeltung. Kurz darauf stürzte die ukrainische Boeing nahe Teheran ab. Der Iran hatte sich nach der Tötung Soleimanis zudem weiter aus dem Atomabkommen von 2015 zurückgezogen. Die EU hält - entgegen Forderungen von US-Präsident Donald Trump - daran fest.
Mehrere Außenminister betonten in Brüssel, man müsse am Atomabkommen mit dem Iran festhalten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, es gehe in der Region nun um die Frage, „wie kann man nachhaltig stabilisieren für die Zukunft“. Aus der Sicht des deutschen Außenministers Heiko Maas ist es sinnvoll, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land fortzusetzen. „Das jetzige Ende des Kampfes gegen den IS im Irak würde das Land ganz erheblich destabilisieren und neue Spielräume für den IS schaffen“, sagte er.
Der Iran-Sondergesandte im US-Außenministerium, Brian Hook, bekräftigte die Gesprächsbereitschaft Washingtons im Iran-Konflikt. Trump habe erneut die Tür für die Diplomatie geöffnet, sagte Hook am Freitag in Brüssel. Trump wolle ein neues Atomabkommen mit dem Iran erzielen, um die Differenzen zwischen den beiden Ländern zu überwinden. „Und wir laden den Iran ein, dasselbe zu tun und unserer Diplomatie nicht mit militärischer Gewalt zu begegnen.“
Pompeo sprach dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sein Beileid für die Todesopfer beim Absturz der Maschine der Ukrainian International Airlines aus. Er bot Selenskyj die volle Unterstützung der US-Regierung bei der Untersuchung des Absturzes an.
Iran weist Spekulationen über Absturzursache zurück
Iranische und ukrainische Experten hätten ihre Arbeit in einem Labor am Flughafen Mehrabad in Teheran aufgenommen, sagte der Leiter der Luftfahrtbehörde des Irans, Ali Abedsadeh, in Teheran. Ihr Ziel sei die Auswertung der beiden schwer beschädigten Flugschreiber. Dabei geht es auch um die letzten Worte des Kapitäns. Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss gleich nach dem Absturz zurückgewiesen und einen technischen Defekt als Ursache genannt.
„Unser Ziel ist es, die unstrittige Wahrheit herauszufinden."
Wolodymyr Selenskyj
Der Iran will Fachleute unter anderem aus den USA einbeziehen. Die Nationale Behörde für Transportsicherheit in Washington erklärte, dass sie sich an der Untersuchung beteilige. Paris bot technische Hilfe an. „Frankreich ist bereit, zu dem nötigen Gutachten beizutragen“, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Freitag im Sender RTL. Die Wahrheit müsse festgestellt werden.
Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven verlangte eine Beteiligung seines Landes. Länder, deren Staatsbürger bei dem Absturz ums Leben gekommen seien, müssten die Möglichkeit zur Beteiligung an den Ermittlungen sowie volle Einsicht darin erhalten. Er sei sich in einem Telefonat mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau am späten Donnerstagabend einig gewesen, dass Informationen zu einem vermuteten Abschuss durch den Iran „eine zügige, vollständige und transparente Untersuchung“ noch notwendiger machten.
Kanada und Großbritannien hatten am Donnerstag als Erste mitgeteilt, Informationen zu haben, dass der Iran das Flugzeug versehentlich abgeschossen habe. Die Beweise seien „sehr klar“, sagte Trudeau. Großbritanniens Regierungschef Boris Johnson sprach von einem „Korpus an Informationen“, der auf einen Abschuss durch eine iranische Rakete hinweise.
Die Ukraine hat bereits eigene Experten in den Iran geschickt. Das Land verlangt Beweise für die Abschussthese. „Unser Ziel ist es, die unstrittige Wahrheit herauszufinden“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag in Kiew. Das sei auch die internationale Gemeinschaft den Familien der Opfer schuldig.
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