„In unserer Sprache: bitte keinen Schnellschuss“
„In unserer Sprache: bitte keinen Schnellschuss“
Von Cornelie Barthelme (Berlin)
Eine Heckler & Koch P 30 ist laut ihrem im Südwesten Deutschlands ansässigen Hersteller „mehr als nur eine Pistole“. Waffenhändler preisen sie als „moderne Polizeipistole“ und „ideal für Jäger und Sicherheitskräfte“. Als 2010 der damalige Innenminister Volker Bouffier (CDU) die „HK P 30“ orderte, schwärmte die „Bild“-Zeitung von der „Super-Waffe“ für Hessens Polizei.
Am vergangenen Donnerstag hat in Hamburg der 35 Jahre alte Philipp F. mit seiner Heckler & Koch P 30 in einem Gottesdienst sieben Menschen erschossen und neun verletzt, drei kämpfen auch am Montag noch um ihr Leben. F., der nach bisherigem Sachstand beim Eintreffen der Polizei aus dem Gottesdienstraum floh und sich selbst erschoss, war Unternehmensberater, kein Polizist. Aber Sportschütze. Zumindest gab er sich dafür aus. Und bekam als solcher am 6. Dezember 2022 eine Waffenbesitzerlaubnis. Sechs Tage später kaufte er die halbautomatische Pistole. Bis zu seinem Amoklauf hatte er mehr als 800 Schuss Munition zusammengetragen.
So leicht soll es in Deutschland künftig nicht mehr sein, an eine Waffe zu gelangen. Bislang müssen nur Bewerber, die jünger als 25 sind, „ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die geistige Eignung“ vorlegen; so steht es in Paragraph 6 des Waffengesetzes, das im September 2020 letztmals geändert wurde. Geht es nach Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihren sozialdemokratischen Kollegen in den Ländern, wird dieses amtsärztliche oder psychologische Zeugnis künftig jedem abverlangt, der den Besitz einer Waffe beantragt.
Bessere Vernetzung
Faeser will auch den Kreis der Behörden erweitern, die von den zuständigen Waffenbehörden vor einer Besitzerlaubnis routinemäßig abgefragt werden. Neben Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden sollen künftig auch die Gesundheitsämter „über schwere psychische Erkrankungen Auskunft geben“.
Ob das die Tat von Philipp F. verhindert hätte, ist Spekulation. Zwar hatte ein bislang Unbekannter die Waffenbehörde im Januar schriftlich auf F. aufmerksam gemacht und die Vermutung geäußert, er sei psychisch krank. Der oder die Unbekannte schrieb laut Polizei aber auch, dass F. keinen Arzt konsultiere. Die beiden Mitarbeiter der Waffenbehörde, die F. am 7. Februar unangemeldet aufsuchten, fanden weder in seiner Wohnung noch im Internet Hinweise, die sie als Bestätigung für den Verdacht interpretierten.
Wie bei vielen anderen Themen liegt die rot-grün-gelbe Koalition auch hier im Streit.
Über eine Verschärfung des Waffenrechts wird in Deutschland immer wieder gestritten; der aktuelle Disput begann mit dem Amoklauf von Hanau am 19. Februar 2020, als der 43 Jahre alte Tobias R. aus Fremdenfeindlichkeit neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, danach seine Mutter und schließlich sich selbst. Aber wie bei vielen anderen Themen liegt die rot-grün-gelbe Koalition auch hier im Streit. SPD und Grüne stehen hinter Faeser, die FDP wirft ihnen „Aktionismus“ vor.
Beim Deutschen Schützenbund, der Dachorganisation der 14.200 deutschen Schützenvereine, hält man eine grundsätzliche Gutachten-Pflicht für „einen Generalverdacht gegenüber allen Schützen“, sagt Pressesprecher Thilo von Hagen auf Anfrage des „Luxemburger Wort“ - und lehnt sie rundheraus ab. Das Gesetz gebe ja „anlassbezogene Überprüfungen“ her; „man kann es anwenden“. Aber die Waffenbehörden seien „schlecht besetzt“ und die Sicherheitsbehörden „schlecht vernetzt“. Ein grundsätzliches Verbot halbautomatischer Pistolen treffe im Übrigen Sportler in olympischen Disziplinen: Schnellfeuerpistole bei den Männern, Sportpistole bei den Frauen. Gilt auch für die „HK P 30“? Nein, sagt von Hagen, die gehöre nicht dazu. Und dann fordert er, „in unserer Sprache: bitte keinen Schnellschuss“.
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