Hollande kandidiert kein zweites Mal
Hollande kandidiert kein zweites Mal
(TJ/dpa) - Völlig überraschend trat der französische Staatschef vor die Kameras. Nicht inmitten der Franzosen, nicht in seiner politischen Heimat, der Corrèze im Südwesten, sondern allein, im Pariser Élysée-Palast.
Am Donnerstag hat sich Präsident François Hollande im französischen Fernsehen in einer Live-Schaltung in den Hauptnachrichten zu Wort gemeldet: "Seit Mai 2012 habe ich versucht, Frankreich nach vorne zu bringen. Das ist geglückt, in sozialen und in finanziellen Fragen steht Frankreich besser da, als bei meiner Amtsübernahme. Auch in Sachen Klimaschutz haben wir vieles erreicht."
Er verwies auf die seitdem legalisierte Homo-Ehe und auch auf die Territorialreform, die seit langem auf sich hatte warten lassen. Auch in Sachen Arbeitslosigkeit seien Resultate erzielt worden - wenn auch später als vorgesehen. Schwere Prüfungen habe Frankreich in Mali, Syrien, Zentralafrika und im Irak durchstehen müssen. Er habe auch in Zeiten der schweren Terroranschläge versucht, den Zusammenhalt der Nation zu gewährleisten.
"Ziehe mich zurück"
Ich habe für das Funktionieren des Staates bis zu den Wahlen zu sorgen, so Hollande, das Wohl des Landes sei ihm oberste Priorität. Er ziehe sich aus dem Rennen um das Präsidentenamt zurück. " Je tenais ici à vous en faire part directement, comme je m'y étais engagé au début du mois de décembre, tel que je l'avais moi-même annoncé", so Hollande weiter.
Die Entscheidung, nicht wieder ins Rennen zu gehen, beruht auf der Einsicht, sein eigenes linkes Lager nicht sammeln zu können. Hollande sagte, er respektiere den Kandidaten der Rechten, François Fillon, er verachte aber die Haltung der Extrem-Rechten.
Der Staatschef reagierte mit seiner Entscheidung wohl auch auf die schlechten Umfragewerte: Vergangene Woche musste er sich in der Beliebtheitsskala mit einem niederschmetternden fünften Platz begnügen - hinter François Fillon, Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon."Je suis conscient des risques que ferait courir une démarche, la mienne, qui ne rassemblerait pas largement autour d'elle. Aussi, j'ai décidé de ne pas être candidat à l'élection présidentielle", so die Begründung des amtierenden Präsidenten, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.
Sehen Sie hier den Schlüsselsatz aus der Erklärung des Präsidenten:
Politisches Novum in der fünften Republik
Hollande ist damit der erste Präsident der fünften Republik, der kein zweites Mal kandidiert - abgesehen von Georges Pompidou, der 1974 während seiner Amtszeit verstorben war.
Bei Hollandes Sozialisten dürfte nun ein harter Machtkampf der verschiedenen Lager ausbrechen. Es gilt als sicher, dass Premierminister Manuel Valls sich nun für Hollandes Nachfolge bewerben will. Der zum linken Flügel gehörende Ex-Minister Arnaud Montebourg, harter Gegner Hollandes und Valls, hat bereits seine Kandidatur für die Vorwahl der Sozialisten angekündigt.
Hollande hatte im Élysée-Palast viele Rückschläge wegzustecken. In seine Amtszeit fallen drei schwere Terroranschläge, Streiks, Proteste und gescheiterte Reformen. Das Land kommt wirtschaftlich nicht richtig in Schwung, die Arbeitslosenquote liegt bei rund 10 Prozent. Hollande schaffte es nicht, die Brüsseler Haushaltsregeln einzuhalten, die beim Defizit eine Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung vorschreiben.
Rückblick auf ein Mandat: Der glücklose Präsident
Schon rein optisch stand die Präsidentschaft von François Hollande von Beginn an unter keinem guten Stern. Als er nach seiner feierlichen Amtseinführung am 15. Mai 2012 die Champs-Élysée herauffuhr, goss es in Strömen. Statt der traditionellen Triumphszene sahen die Franzosen einen völlig durchnässten Staatschef. Das Bild blieb haften: Ein begossener Pudel, der sich bemüht, Haltung zu wahren. Es wirkt im Rückblick wie ein Symbol seiner Amtszeit.
Der heute 62-jährige Hollande wollte ein „normaler Präsident“ sein, nah am Volk, so sein großes Wahlversprechen. Eine Abgrenzung von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy, dessen Bling-Bling-Geltungsdrang und Hyperaktivität. Doch Hollande wurde vor allem ein unbeliebter Staatschef. In den Umfragewerten fiel er schließlich noch tiefer in den Keller als Sarkozy - Ironie der Geschichte.
„Ich habe kein Glück gehabt“, sagte er mit Blick auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit einmal lapidar zu Journalisten. Doch das ist nicht die ganze Geschichte: So richtig ist Hollande nie in die Rolle des Präsidenten hineingewachsen. Er brachte seine Botschaften nicht rüber, er leistete sich Fehltritte wie seine offenen Bekenntnisse gegenüber Journalisten und wirkte zum Schluss politisch vereinsamt.
Der 1954 in Rouen geborene Arztsohn kam auf klassisch französischem Weg in die Politik: Jura- und Politikstudium, anschließend die Elite-Verwaltungshochschule ENA und eine Tätigkeit beim Rechnungshof. In die Sozialistische Partei trat er 1979 ein, schloss sich aber im Richtungsstreit keinem der Flügel an. Hollande wurde Abgeordneter, später führte er mehr als ein Jahrzehnt die Sozialistische Partei. Aus diesen Jahren stammt sein Spitzname „Mann der Synthese“.
Im eigenen Lager rieben sich viele bald verblüfft die Augen. Linke Versprechen wie die Reichensteuer scheiterten, nach einem Kassensturz setzte Hollande aufs Sparen. Und der Präsident, der im Wahlkampf noch die Finanzwelt zu seinem Feind erklärt hatte, machte sozialliberale Wirtschaftsreformen. Für Entfremdung vom eigenen Lager sorgte auch der mit Knall gescheiterte Vorstoß, Terroristen leichter den französischen Pass abnehmen zu können - den einzigen Fehler, den Hollande am Donnerstag selbst als solchen erwähnte.
Am besten machte er sich noch auf dem außenpolitischen Parkett - als Oberbefehlshaber schickte er Truppen gegen Islamisten in Mali, im Irak und in Syrien. Das kam an. Als Gastgeber des Pariser Klimagipfels konnte er das historische Abkommen für sich reklamieren. Nach den Terroranschlägen zeigte Hollande sich als ruhiger Krisenmanager - doch je häufiger Extremisten zuschlugen, desto mehr geriet er auch bei diesem Thema in Bedrängnis.
Für Schlagzeilen sorgte Präsident Hollande, Vater von vier Kindern, auch mit seinem Privatleben im Élysée: Mit der aufsehenerregenden Trennung von seiner „Première Dame“ Valérie Trierweiler und der dann über Paparazzi-Fotos bekanntgewordenen Beziehung zur Schauspielerin Julie Gayet.
Er selbst betonte nun, dass er zu seiner Bilanz stehe, dass die Reformen Zeit bräuchten, um ihre Wirkung zu entfalten. Zeit, die Hollande nicht mehr hatte.
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