Hitzige Debatte im US-Kongress vor Impeachment-Votum
Hitzige Debatte im US-Kongress vor Impeachment-Votum
(dpa) - Vor dem historischen Votum über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump haben sich Demokraten und Republikaner im Repräsentantenhaus einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Bei der auf sechs Stunden angesetzten Debatte in der Kongresskammer verteidigten die Demokraten das geplante Impeachment-Verfahren am Mittwoch als ihre Pflicht, um die Verfassung zu schützen.
Die Republikaner sprachen dagegen von einer rein parteipolitischen Kampagne. Trump meldete sich aufgebracht auf Twitter zu Wort, nachdem er seiner Wut zuvor bereits in einem langen Brief an die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, freien Lauf gelassen hatte.
Die Republikaner verzögerten die Beratungen in der entscheidenden Sitzung der Kongresskammer am Mittwoch mit Anträgen und verfahrenstechnischen Schritten. Die Debatte wird sich dadurch bis nach Mitternacht europäischer Zeit hinziehen. Danach soll über zwei Anklagepunkte getrennt abgestimmt werden: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses. Das Büro des Mehrheitsführers der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, teilte nach mehrstündiger Sitzung mit, man rechne mit Abstimmungen zwischen 19.00 Uhr und 19.30 Uhr (Ortszeit/1.00 Uhr und 1.30 Uhr MEZ). Weitere Volten der Republikaner könnten das aber verzögern.
"Demokratie verteidigen"
Pelosi sagte mit Blick auf das Kapitol, den Sitz des US-Kongresses, man sei „unter der Kuppel dieses Tempels der Demokratie“ zusammengekommen, um diesen ernsten Schritt zu gehen. „Wir sind heute hier, um die Demokratie für unser Volk zu verteidigen.“
Nach der Debatte sollte das Repräsentantenhaus über zwei Anklagepunkte gegen den republikanischen Präsidenten abstimmen: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses.
Nimmt eine einfache Mehrheit der Abgeordneten mindestens einen der beiden Punkte an, wird das Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump formell eröffnet. Da das Repräsentantenhaus von den Demokraten dominiert wird, gilt eine Mehrheit als sicher. Das eigentliche Verfahren findet aber im Senat statt, der anderen Kongresskammer, in der Trumps Republikaner die Mehrheit haben.
Der Vorsitzende des Justizausschusses, der Demokrat Jerry Nadler, sagte: „Wir hassen Präsident Trump nicht. Aber wir wissen, dass Präsident Trump die Sicherheit, die Demokratie und das Verfassungssystem der Nation weiter bedrohen wird, wenn ihm erlaubt wird, im Amt zu bleiben. Diese Bedrohung ist nicht hypothetisch.“ Der ranghöchste Republikaner im Justizausschuss, Doug Collins, warf den Demokraten dagegen vor, das Verfahren nur anzustreben, weil sie Trump nicht bei den Wahlen schlagen könnten. „Ihnen sind die Fakten gleichgültig“, beklagte er. Andere Republikaner warfen den Demokraten Besessenheit vor und nannten das Vorgehen zutiefst unfair.
Wütender Trump
Aus dem Weißen Haus hieß es, Trump arbeite den ganzen Tag und werde allenfalls Teile der Vorgänge beobachten. Während der laufenden Debatte setzte Trump aber selbst einen aufgebrachten Tweet ab. Darin schrieb er - durchgehend in Großbuchstaben, die Demokraten verbreiteten „grausame Lügen“. Dies sei „ein Angriff auf Amerika“.
Bereits kurz vor der Sitzung im Kongress hatte Trump am Dienstag in einem wütenden Brief an Pelosi Dampf abgelassen. In dem sechsseitigen Schreiben erhob er schwere Vorwürfe gegen die Frontfrau der Demokraten und ihre Partei. „Indem Sie mit Ihrem ungültigen Impeachment fortfahren, verletzen Sie Ihre Amtseide, brechen Sie Ihre Treue zur Verfassung und erklären Sie der amerikanischen Demokratie offen den Krieg“, hieß es in dem Brief, den das Weiße Haus veröffentlicht hatte. Die Anschuldigungen seien „wertlos“, „gegenstandslos“, ja „grotesk“. Das Vorgehen der Demokraten sei „nicht mehr als ein illegaler, parteiischer Umsturzversuch“.
Amtsenthebung unwahrscheinlich
Trump droht trotz der Bestrebungen der Demokraten nach jetzigem Stand kein baldiger Auszug aus dem Weißen Haus: Das eigentliche Amtsenthebungsverfahren wird voraussichtlich im Januar im Senat stattfinden, der dann die Rolle eines Gerichts einnimmt - und in dieser Kongresskammer haben Trumps Republikaner die Mehrheit. Mindestens 20 von ihnen müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit von 67 Senatoren zu erreichen. Das ist nicht in Sicht.
Dennoch ist schon das bisherige Verfahren ein gigantischer Makel in Trumps Präsidentschaft: Trump ist erst der dritte Präsident in der US-Geschichte, der sich einem Votum über ein Impeachment im Abgeordnetenhaus stellen muss. Wie sehr das Trump mitnimmt, machte das Wutschreiben an Pelosi deutlich, das der Präsident „für die Geschichtsschreibung“ verfasst haben will und das die Adressatin „wirklich krank“ nannte.
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